Das war die Demo der Flüchtlinge in Traiskirchen

27. Juli 2015

Mehrere hundert Menschen demonstrierten am 26. Juli durch Traiskirchen. Stark vertreten waren Flüchtlinge aus Pakistan, Syrien und Somalia. Dazu kamen viele solidarische Menschen aus Österreich, darunter auch eine ganze Reihe von EinwohnerInnen aus Traiskirchen.  


Von Michael Bonvalot

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Michael Bonvalot

Die Situation in Traiskirchen ist katastrophal. Bereits am Bahnhof zeigt sich, die Stadt mit knapp 20.000 EinwohnerInnen ist mit der Menge an zusätzlichen Menschen schlicht überfordert. Die Mistkübel sind überfüllt, die Menschen sind angespannt, teilweise irren Flüchtlinge herum, die keine Ahnung haben, wo sie gelandet sind und was jetzt passiert.  

Als wir ankamen, wurden wir sofort von einer Frau aus dem Iran angesprochen, die am Tag davor nach Traiskirchen kam. Aufnahmen ins Lager gibt es nur tagsüber – weil sie erst am Abend den Ort erreichte, musste sie am Bahnhofsvorplatz schlafen. Sie zeigte uns ihr Diplom mit einem Studienabschluss einer iranischen Uni und wollte verzweifelt wissen, wann sie denn weiter studieren dürfe.

Etwas später kam ich mit Muhammad aus Pakistan ins Gespräch. Der 29-Jährige kam vor rund einer Woche in Österreich an und erzählte mir von der Situation im Lager. Er schläft trotz der Hitze und der Gewitter im Freien, es gibt nicht einmal einen Platz in einem Zelt für ihn, gar nicht zu reden von einer festen Unterkunft. Er kann seine wenigen Sachen nirgends verstauen. Dazu sind die sanitären Einrichtungen katastrophal, er berichtet davon, dass die Toiletten völlig verunreinigt sind und erbärmlich stinken. Auch die Menge des Essens sei nicht ausreichend, wie Muhammad berichtet.

Viele Menschen im Lager kommen aus Kriegsgebieten wie etwa Syrien oder Afghanistan und sind völlig traumatisiert, niemand kümmert sich um sie. Es gibt zu wenig ÄrztInnen und kaum DolmetscherInnen. Dazu kommt die allgemeine Stimmung im Lager, wenn 5000 Menschen auf engem Raum und unter solchen Bedingungen zusammen leben müssen.

Muhammad und viele andere wollen das nicht länger akzeptieren. Bereits am 20. Juli hatte eine erste Demo von mehreren hundert Flüchtlingen stattgefunden. Am Sonntag, dem 26., fand nun die nächste Demo statt. Nachdem die Demo der Initiative „Freedom not Frontex“ ursprünglich untersagt worden war, hatte die ÖH der Uni Wien die Anmeldung übernommen, somit konnte die Demonstration durchgeführt werden.

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Michael Bonvalot

Die Demo, an der insgesamt rund 500 bis 600 Personen teilnahmen, bestand zumindest zur Hälfte aus Flüchtlingen, vor allem aus Pakistan, Syrien und Somalia. Das waren auch die Leute, die auf der Demo Stimmung gemacht haben. Es war ihnen offenbar sehr wichtig, ihre Wut über die Verhältnisse zu zeigen. Am Hauptplatz und bei der Schlusskundgebung sprachen viele verschiedene Flüchtlinge und berichten über die Probleme im Lager. Die Transparente, unter anderem auf Deutsch, Englisch, Arabisch oder Somali, forderten ein Ende von Abschiebungen und ein menschenwürdiges Leben.

Flüchtlinge erzählten mir, dass sehr viele Leute im Lager glaubten, dass die Demo verboten sei und dann entweder wegen dieser Fehlinformation oder aus Angst nicht an der Demo teilgenommen hatten. Gleichzeitig war aber vor allem bei der Zwischen-Kundgebung vor dem Lager zu sehen, dass sehr viele Flüchtlinge die Demo sehr gut fanden, lächelten und winkten. Auch am Weg durch Traiskirchen applaudierten viele Flüchtlinge, die Demo wurde unterwegs auch eindeutig größer.

Parallel hatten rechte Organisationen zu einer „Beobachtung“ der Demo aufgerufen. Rund 50 Personen waren diesem Aufruf gefolgt, darunter etwa der FPÖ-Abgeordnete Christian Höbart, der in der Vergangenheit aufgefallen war, weil er AsylwerberInnen als „Höhlenmenschen“ bezeichnet hatte.  Auch bekannte Rechtsextreme, etwa von der Gruppe „Identitäre Bewegung“ wurden erkannt. So kam es am Rand der Demo immer wieder zu Störungen, Rechte pöbelten herum, ein Mann ließ es sich auch nicht nehmen, der Demo seinen nackten Arsch zu zeigen – was vor allem für Erheiterung sorgte (Tipp der Redaktion: Dringend rasieren!).  

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Michael Bonvalot

Im vorderen Bereich der Demo war auch eine ganze Reihe von Leuten aus Traiskirchen dabei, die ebenfalls empört über die Zustände im Lager und in der Stadt waren und sich gleichzeitig mit den Flüchtlingen solidarisieren wollten.

Im Vorfeld der Demo wurde viel darüber diskutiert, ob Traiskirchen der richtige Ort für die Demo sei. Einige PolitikerInnen forderten auch eine Untersagung. Das Argument dabei war, dass das Innenministerium in Wien der Ort sei, wo das Problem gelöst werden könnte und nicht Traiskirchen. Flüchtlinge und ihre Unterstützungs-Netzwerke halten dem entgegen, dass eine Großdemo in Wien sehr schwierig zu organisieren wäre. So weist der 28jährige Numan aus Pakistan darauf hin, dass eine Karte mit der Badner Bahn von Wien nach Traiskirchen und retour pro Person 13,20 Euro kostet – viel Geld für jemanden, der keines hat. Dazu dürfen viele Flüchtlinge den Bezirk Baden nicht verlassen, weil sie noch im sogenannten „Zulassungsverfahren“ sind.

Es ist offensichtlich, dass die Lage im Lager und in der Stadt indiskutabel ist. Die Stadt und das Lager sind schlicht infrastrukturell nicht auf diese Menge von Menschen ausgerichtet. Dass es hier schleunigst eine Lösung und eine Verteilung geben muss, ist offensichtlich. Dass die Leute in der Stadt diese Situation sehr schwierig finden, muss jeder Person klar sein, die die Verhältnisse vor Ort einmal gesehen hat. Doch klar ist: Schuld daran sind nicht die Menschen im Lager Traiskirchen – sondern die PolitikerInnen, die ihnen menschenwürdige Unterkünfte verweigern.

 

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