„Fredi, du bist mir noch liebst?“

02. Februar 2016

Sie spricht kaum Deutsch, er ist waschechter Wiener. Cveta und Fredi erklären, warum Sprache nicht immer nötig ist, um sich zu verständigen und wie sie das Tanzen zusammengebracht hat. Eine Seniorenromanze.

Von Nikola Micevski 

Fotos: Bereitgestellt 

Auf ORF 2 läuft „Das Geheimnis der grünen Spinne“, ein Schwarz-Weiß-Schlagerfilm aus den 60ern. Es ist ein Film, wie ihn Cveta und Alfred lieben: viel Schlagermusik, pantomimenartige, übertriebene Schauspielerei und ein Mord im Hinterzimmer, der die Handlung vorantreibt. „Fredi, schau, diese dicke Mann schaut aus wie du“, sagt Cveta lachend - in gebrochenem Deutsch und mit mazedonischem Akzent - und deutet auf einen korpulenten Schauspieler. „Geh bitte, so blad bin i a ned…“, nimmt der 80-Jährige seinen kleinen Bauch in Schutz.

Alltägliche Missverständnisse

Fast fünfzehn Jahre waren die beiden Pensionisten ein Paar, bis dies in einer On-Off-Beziehung endete. Nun sitzt Alfred, dessen Spitzname „Fredi“ ist,  in Cvetas Wohnung und unterhält sich mit ihr als guter Freund. Trotz ihres Deutschdefizits haben die beiden einen Weg gefunden, um sich zu verständigen. Fredi hat in all den Jahren gelernt, sie zu verstehen. Am Anfang führte ihre neu erfundene Sprache zu Missverständnissen.

So erinnert er sich noch genau an manche dieser Gespräche. Als ihn Cveta zum Beispiel zum „Melch“ kaufen geschickt oder ihm angeboten hat, „Kässer“ zu machen. „I hob ned g’wusst, wos a „Melch“ is. Is‘ des jetzt a Milch oda a Mehl? I hob afoch beides gekauft“, erinnert sich der ehemalige Unternehmer lachend. „Oder sogt’s: ‚I machen dir Kässer’. Sog i: ‚Wos bitte is‘ a Kässer?’ Erklärt’s ma: ‚Diese Palatschinken was schneidet‘, do bin i d’raufkumman, dass sie Kaiserschmarren meint.“

Integration war damals ein Fremdwort

Die 82-jährige Mazedonierin ist als Gastarbeiterin nach Österreich gekommen und hat viel Zeit in der Fabrikshalle ihrer Firma verbracht, was ihr das Deutschlernen bis zur Pension erschwerte. „Ich war oft mehr als zwölf Stunden am Tag nur mit Jugos und Türken“, erklärt sie ihre mangelnden Deutschkenntnisse. Arbeitsmigranten erhielten in den 60er und 70er Jahren zumeist Hilfsarbeiterjobs in der Industrie, für die oft keine Ausbildung nötig war. Integrationspolitik war zu der Zeit ein Fremdwort.

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Für Alfred ist das zwar eine nachvollziehbare Erklärung, doch fügt er schelmisch hinzu: „Wenn i da wos beibringen wollt‘, hot’s immer ‚deutsche Sprache, scheißen Sprache’ geheißen.“ Cveta wehrt sich dagegen, mit dem Argument, dass sie ab dem Zeitpunkt, an dem sie sich kennenlernten, schon zu alt war, um eine neue Sprache zu lernen. Doch fast 40 Jahre in einem deutschsprachigen Land zu überleben verlangt Kreativität - die hat sie entwickelt.

Die guten alten Zeiten

Beide erinnern sich gerne an die Zeit zurück, in der sie sich kennenlernten. „Des woa auf der Schmelz. Domois bist jo frisch in Pension g’wesn. Wie oid woast do? Fünfafuchzig?“, versucht sich der leidenschaftliche Boogie-Tänzer zu erinnern. „Ja, ich hab sogar das Datum im Kalender notiert. Ich war mit zwei Freundinnen und du bist zu mir gekommen, um mich zum Tanzen aufzufordern“, sagt die Pensionistin mit einem Lächeln. „Du hast immer gesagt, dass ich die schönste und beste Tänzerin bin.“  Alfred bestätigt dies mit einem Grinsen und zappt zwischen den Kanälen weiter.

Zu alt fürs Tanzen!

Der Alt-Favoritner hat trotz seines Alters nichts von seinem Wiener Schmäh und Charme verloren. Er versucht, so oft es die momentane Gesundheit zulässt, seine Stammtanzlokale aufzusuchen. Man kennt ihn dort, sein Hüftschwung hat ihn zu einem beliebten Tanzpartner gemacht, was Cveta noch immer sauer aufstößt. „Du bist zu alt fürs Tanzen und die Frauen dort zu jung“, versucht die 80-Jährige ihre alte Liebe zurechtzuweisen. „Geh wo, mir is‘ wuascht wie oid die san. Wichtig is‘, dass i tanz“, stellt Fredi klar.

In ihren gemeinsamen Jahren ließ Cveta ihrem südländischen Temperament oft freien Lauf, was mitunter Grund für das Beziehungsaus war: „I hob zehn Joah mit kana ondan tanzn därfn. Wenn’s mitkomman is‘, hot’s auf die ondan Frau‘n ständig wos zum Aussetz’n g’hobt: die is‘ z‘ blad, die is z‘ long, die hot große Fiaß und irgendwann hot’s ma g’reicht.“

Schlechte Erfahrung mit Österreicherinnen

Nach langem, geistesabwesendem Zappen ist Fredi bei einem Sender gelandet, auf dem das deutsche Schlager-Duo „Amigos“ ihr neues Album anwirbt. Begleitet von den weichgespülten, pseudo-romantischen Trompetenklängen des Duos, möchte Fredi klargestellt haben, dass Cveta eine sehr gute Hausfrau war und trotz körperlicher Einschränkungen immer noch ist. Kompromisslos habe sie sich immer um ihn gekümmert, seine Hemden seien mit großer Sorgfalt und Zuverlässigkeit vor jedem gemeinsamen Tanzabend fertiggebügelt gewesen. Mit österreichischen Frauen hatte er bis zu ihrem Zusammentreffen ausschließlich schlechte Erfahrungen gemacht. Treue und das Gefühl von Zuneigung lernte er bei der Mazedonierin neu kennen. „I hob’s so geliebt, i hob ihr glei am dritten Tog a Kleid um 3.500 Schilling gekauft. Für einen Pelzmantel, den sie nur zwaa moi trog‘n hot, hob i 30.000 Schilling zoit.“

„Fredi, du bist mir noch liebst?“

Wenn Diskussionen zu temperamentvoll wurden, so zog sich der charmante Wiener zu einem Spaziergang zurück, bis die Gemüter abkühlten. Beide schätzten an der vergangenen Beziehung, dass man nach jedem Streit wieder zueinander fand. „Wenn er mehrere Stunden weg war, begrüßte ich ihn trotzdem mit einem Kuss und bot ihm an, gemeinsam einen Kaffee zu trinken“, resümiert Cveta heute. Zustimmend sagt Fredi: „Jo, des stimmt. Egal wos woa, noch 2-3 Stund‘n woa bei uns ois wieder ok.“

Dialektfrei betont Fredi, dass „Liebe immer und ewig möglich ist, vorausgesetzt beide ziehen an einem Strang.“ Leider entwickelte sich diese Lebensgemeinschaft so, dass das gemeinsame Hobby, das Tanzen, nicht mehr von Cveta ausgeübt werden konnte und somit ein großes Bindeglied wegfiel. Das Gesicht der gesprächigen Wienerin verdunkelt sich, als sie anfängt zu erzählen, dass sie seit einigen Jahren mit Hüftproblemen zu kämpfen hat, die ihr sogar beim Gehen große Probleme bereiten.

Abschließend und hoffnungsvoll fragt Cveta ihren ehemaligen Lebensgefährten: „Fredi, du bist mir noch liebst?“ Doch dieser möchte an ein erneutes Zusammenkommen nicht mehr denken. „Würd’ i di ned gern hob’n“, holt er ein letztes Mal Luft, „warat i jetzt owa ned do.“

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