Der Knochensammler

11. August 2022

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Ramiz Nukic hat Lungenkrebs und noch ist unklar, ob er überstehen wird.
Foto: Klix.ba

Ramiz Nukić wanderte täglich durch die Wälder rund um Srebrenica. Seine Mission: Nach Überresten von Genozidopfern suchen. Heute liegt er im Krankenhaus und hat Lungenkrebs.

Vor 27 Jahren überlebte Nukić den Genozid in Srebrenica. Er verlor Vater und zwei Brüder.  Während seiner Rückkehr nach Srebrenica 2002 fand er menschliche Überreste in seinem leerstehenden Haus und machte sich ein Versprechen. Er wird nicht ruhen, bis alle Opfer gefunden wurden.

Menschen wie Ramiz helfen dem Institut für vermisste Personen in Bosnien und Herzegowina bei der Suche nach den letzten schrecklichen Gräueln des Bosnienkriegs in den 90er Jahren. Die Überreste werden einmal jährlich am 11. Juli, dem Gedenktag des Genozids in Srebrenica, bestattet. Dort wurden vom 11. bis 16. Juli 1995 über 8000 bosniakische Männer und Buben von Truppen der bosnisch-serbischen Armee ermordet - obwohl die Enklave von den Vereinten Nationen als “Schutzzone” erklärt wurde und niederländische Truppen vor Ort stationiert waren. Teil der genozidalen Operation war es, die systematische Ermordung zu verschleiern. Bis kurz vor Kriegsende wurden die Leichen der ermordeten Bosniaken von serbischen Streitkräften neu ausgegraben und über ganz Ostbosnien in sogenannte “sekundäre” und “tertiäre” Gräber verteilt. 

Die Rolle, die er hier spielt, ist schwer wegzudenken. Weil er das Gebiet, die Familien der Überlebenden und die Sprache kennt, ist es für ihn wesentlich einfacher das Gebiet zu durchforsten. In einem Interview mit BIRN erzählt er, dass er häufig 30 bis 40 Kilometer täglich durch die Wälder geht. “Ich werde nie müde, wenn es darum geht.”, sagt er. Durch die Erfahrung hat er auch gelernt verschiedene Knochenteile zu erkennen. Wenn er in den tiefen Wäldern oder Dornbüschen Knochenteile findet, markiert er sie und kontaktiert das Institut. Ihr Job ist es dann, die komplexe Identifikation in einem Labor durchzuführen.

Ein enttäuschender Tag sei für ihn, ohne einen einzigen Fund nach Hause zu gehen. Für seine Arbeit hat er noch nie eine Gegenleistung in Anspruch genommen. Er hat es sich zur Lebensmission gemacht.

Während meiner Zeit in Srebrenica erzählte mir eine Arbeitskollegin von ihrem verstorbenen Vater. “Wir haben nur einen Arm und ein paar Knochen vom Bein gefunden. Du kannst ohne Arme und Beine überleben. Vielleicht lebt mein Vater noch? Wir haben die Hoffnung lange nicht aufgegeben.”, sagte sie. Aber trotzdem konnte sie und ihre Familie durch das Begräbnis Frieden finden. Genau dafür macht Ramiz, was er macht. Damit Familien Frieden finden können und ihre Allerliebsten zu Ruhe legen.

Auf unsere Hilfe angewiesen

In den letzten Tagen haben jedoch Neuigkeiten über den Knochensammler, wie er häufig genannt wird, die Medienlandschaft in der Region erschüttert. Er wurde mit Lungenkrebs diagnostiziert und wird in der Klinik für Lungenerkrankungen des Universitätsklinikums in Tuzla behandelt. Es ist noch heute unklar, ob er die Erkrankung durchstehen und wieder auf die Beine kommen wird.

Von der Zivilbevölkerung bis hin zur Bürgermeisterin Sarajevos wurden Menschen auf seine Geschichte aufmerksam gemacht. Auch die Möglichkeit, für seine Behandlung zu spenden, wird angeboten. Ein Mann, der sein Leben auf den Spuren für die Wahrheit und Aufklärung ist und dafür nicht einen Cent in Anspruch genommen hat, hat unsere Hilfe verdient. Und zwar von uns allen.

 

Spenden können auf das folgende Konto überwiesen werden: 

ASA Banka

1404094100120427

Swift code: SABRBA22

IBAN: BA39 1404 0941 0012 0427

Mirzet (Ramiz) Nukić

 

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