Diese Zeilen sollte jeder Österreicher lesen

29. September 2016

Ich habe durch meinen Blog über die Unterschiede zwischen Österreich und Syrien sehr viele neue Facebook-Freunde dazugewonnen. Viele loben mich, manche üben Kritik und nutzen die Gelegenheit, mir Fragen zu stellen. Hier sind meine Antworten.

Von Zakarya Ibrahem

 

„Wie sollen wir die Flüchtlinge beschäftigen, wenn nicht mal die Österreicher genug Jobs finden?“

Ich kann verstehen, dass viele Leute Angst davor haben, ihre Jobs an Flüchtlinge zu verlieren. Ohne Ausbildung bekommt man aber nirgendwo einen guten Job, da spielt die Herkunft keine Rolle. Die Statistik vom AMS zeigt, dass die Arbeitslosenkrise nichts Neues für Österreich ist. Die Krise besteht seit mehr als fünf Jahren, obwohl der Großteil der Flüchtlinge  erst seit zwei Jahren hier ist.

Ich kann allen Menschen in Österreich versichern: Wir wollen euch nicht die Arbeitsplätze wegnehmen, sondern gemeinsam mit euch arbeiten. Wir wollen Gleichberechtigung, keine Bevorzugung, egal welche Nationalität oder Religion der Arbeitslose hat. Ich bin überzeugt, dass Österreich ein demokratisches Land ist, deshalb kam ich hierher.

 

 „Wieso zeigen die Medien nur Schrecken aus Syrien?“

Als ich noch in Syrien war, hörte man Geschichten von Nachbarn und Freunden. Über Verhaftungen, tote Zivilisten oder zerstörte Häuser. Obwohl dieser Krieg nicht mehr als 200 Meter weit weg war, wusste niemand, was wirklich passiert. Wir konnten ja nicht rausgehen und es gab auch keine Medien (keinen Strom, kein Internet oder Radio), die darüber berichteten. Viele der User wollen keine Kriegsbilder aus Syrien sehen. Sie meinen, das manipuliere die Menschen und sie selbst können keine Bilder im Fernsehen mehr sehen.

Ich finde es schade und schlimm, wenn man sagt, dass die Medien nicht berichten sollten, was dort passiert. Wieso will man die Wahrheit und Realität nicht sehen? Glaubt mir, das Leben in Syrien ist 1000 Mal schlimmer als es im Fernsehen aussieht.

 

„Warum geht ihr nicht in euer Land zurück?“

Es ist einfach für jemanden zu sagen, „geh zurück in dein Land“, ohne zu wissen, was dort wirklich passiert.

Wenn man Tausende Kilometer zu Fuß über Berge, Flüsse, Felder unterwegs ist und sich in einem Boot auf dem Meer in Gefahr bringt - dann tut man das nicht, um Urlaub in Österreich zu genießen, sondern um ein würdevolles Leben zu führen. Glaubt es mir.

Das macht man, wenn man den Tod gesehen hat und nichts mehr zu verlieren hat. Man hat die Wahl: Man bleibt zu Hause und stirbt, oder man flieht und kann vielleicht überleben. Viele junge Menschen sind aus ihrem Land geflüchtet, weil sie nicht selbst töten oder getötet werden wollten. Sie wollen ihrer Familie helfen und ihre Zukunft wieder aufbauen.

 

„Warum wollen die Flüchtlinge unser Land zerstören?“             

Wir sind keine Terroristen. Wir flüchten vor Terroristen und Menschen, die unser Land zerstören. Wieso sollten wir also das Land zerstören, in das wir aus diesem Grund geflohen sind? In Syrien kann ich nicht mehr leben, aber hier schon. Wieso sollte ich meine neue Heimat kaputt machen wollen, damit ich dann wieder fliehen muss?

 

„Werden die Flüchtlinge nach Kriegsende in ihr Land zurückkehren?“

Wer sich nicht in Österreich integriert, d.h. die Regeln und Kultur des Landes akzeptiert, wird sofort nach Hause gehen, wenn der Krieg zu Ende ist. Wer sich aber integrieren kann und sich hier ein neues Leben aufgebaut hat, wird bleiben. Wieso sollten wir nach Syrien zurückfahren und bei null anfangen? Wir haben dort alles verloren und haben uns in Österreich mühsam etwas aufgebaut. Warum sollte ich dann wieder bei null anfangen? Es ist nicht nur die Verantwortung der Flüchtlinge, Syrien wieder aufzubauen, sondern die moralische Verantwortung der ganzen Welt.

Ich bin dankbar, hier zu sein. Ich will hier bleiben, aber auch Syrien helfen, wo und wie ich nur kann.

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Kommentare

 

Aber die Frage „Wie sollen wir die Flüchtlinge beschäftigen, wenn nicht mal die Österreicher genug Jobs finden?“ haben Sie leider nicht beantwortet...

Ich habe bitte eine Zusatzfrage:
Inwiefern unterstützen die Moslems unter den Flüchtlingen, die liberalen Grundrechte, die in Österreich gelten - bestes Beispiel: das Recht, eine Mohammed-Karikatur zeichnen zu dürfen?
Danke, LG!

 

Sehr gut geschrieben, Zakaraya! Ich bin überzeugt, du wirst einen guten Weg in Österreich gehen und Karriere machen.
Wünsche dir alles Glück der Welt.

Ganz liebe Grüße
Eva

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