„Du bist hübsch.“ – „Ja, ich weiß.“ Oder: Weibliche Experimente

11. Februar 2018

Schon mal probiert den Wein im Restaurant als Frau selbst in die Hand zu nehmen um ihn selbstsicher vorzukosten, wenn der charmante Kellner diesen dem begleitenden Herrn überreichen möchte? Große Augen beim Gastronomiepersonal. Entsetzt? Ich auch! Denn: Wie um Himmels Willen kommen wir Frauen dazu den Mann (vielleicht sogar beim ersten Date)  darüber entscheiden zu lassen, ob uns Frauen genau dieser Wein zum Essen schmecken wird?!

Und auch sonst wähle ich immer das von der Speisekarte, wonach mir gerade ist. Ganz irritierend fand ich es bei einer Verabredung, als mich der Mann gegenüber milde lächelnd allen Ernstes fragte: „Und, du isst einen Salat?“ Weil das eben „die meisten Frauen tun“.

Ich bin die Art Frau die …

..sich im Fitnessstudio immer in die von Männern dominierten Bereiche begibt, um ihre Gewichte stemmen und die Übungen machen zu können, die sie machen will. Wenn man(n) mich fragt: „Machst du jetzt Bauch-Bein-Po?“ Frage ich mit ernster Miene zurück: „Brauchst du Ratschläge für stärkere Beine, oder für den flachen Po?“

Eine Frage der Position

Wenn ich eine Jeans trage, sitze ich oft mit leicht gespreizten Beinen da – weil es einfach viel angenehmer ist! Oder ich lege den linken Knöchel auf mein rechts Knie ab, eine ‚typisch männliche‘ Position, die ich selbst extrem entspannend finde. Mir ist es egal, dass es nicht feminin wirkt. Angeflirtet wurde ich dabei allerdings auch noch nie.

Stehend vermeide ich es, meine Beine ‚typisch weiblich‘ zu überkreuzen. Ich hätte nicht gedacht, dass dies Änderungen mit sich bringt, aber seither werde ich wesentlich weniger ungut angemacht oder von Männern angegafft. Das ist keine Einbildung, sondern mein anderes Auftreten.

#1

Starren ist cool

Viele Frauen kennen es, angestarrt zu werden. Ich meine nicht kurz angeschaut oder gar angelächelt zu werden von einem Mann, nein: penetrantes, doofes Starren. Da steht man in der Straßenbahn, trägt nicht einmal ein Outfit von welchem man sagen könnte, dass es das männliche Auge zum Gaffen ‚einladen‘ könnte, und wird ohne Scham wie mit riesigen Kuhaugen angeglotzt. Und zwar so richtig. So, dass es schon unangenehm ist. Von der kleinen Zehe, die Waden hinauf, Oberschenkel, am Hintern drei Sekunden länger haftend, wandern die Augen den Körper Zentimeter für Zentimeter entlang. Egal ob von der Seite oder frontal – weiter geht es zum Bauch – wieder einige Sekunden bei den Brüsten stockend, geht der Blick zum Hals und erreicht schließlich das Gesicht, das dann genau inspiziert wird. Mit ungeniertem Blickkontakt, während man sich als Frau fragt, ob das nun sein Ernst sei.

Nein, man möchte auch bestimmt nicht von einem attraktiven Mann beäugt werden wie ein Stück Fleisch, welches vor dem Kauf in der Männerfantasie genau überprüft werden muss.

Es ist mir schon passiert, dass es manchen Herren sowas von rein gar nicht unangenehm war, dass ich dann zurück gestarrt habe, oder dass ich denjenigen tatsächlich fragte, ob er, Homo Sapiens, gerade zum ersten Mal in seinem Leben das weibliche Geschlecht gesichtet hat.

Einmal (zugegeben, ich hatte einen schlechten Tag) habe ich dann einfach eine Fratze gemacht. Womöglich nicht gerade die erwachsenste Variante, aber mir war’s in diesem Augenblick egal. Ihm dann immerhin etwas peinlich.

Du starrst – ich starre

Irgendwie scheint es legitimer zu sein, wenn Männer uns Frauen intensiv beäugen. Frauen schauen mit Sicherheit auch, aber nicht (immer) ganz so offensichtlich.

Also habe ich das letzte Mal, als ich in der U-Bahn angestarrt wurde, einfach beschlossen, ab jetzt auch immer zurück zu starren.

Szene 1

Er schaute meinen Hintern an, ICH also auch seinen. Mit der Ausnahme, dass ich zusätzlich eine Grimasse schnitt, die soviel wie „Schon besseres gesehen“, zu verstehen gab. Der irritierte Blick des jungen Herren war unbezahlbar. (Anmerkung: Die abgeturnte Grimasse ist natürlich ein Muss, sofern man sichergehen möchte, dass das Experiment nicht als Einladung für mehr fehlinterpretiert wird).

Szene 2

Eine extrem angewiderte Grimasse schnitt ich, als mich ein unhygienisch aussehender, älterer Mann angaffte und damit einfach nicht aufhören wollte. Diese gab ich ihm als Retourkutsche, und zwar auf seinen dicken Bauch starrend, was ihn sofort stoppte. Manche wollen’s halt nicht anders verstehen.

#2

Du bist hübsch – Ja, ich weiß

Ja, es ist nett gemeint. Aber mich langweilt diese Art von Komplimenten. Jeder, der mich kennt, kann bezeugen, dass ich alles andere als eingebildet bin. Und vielleicht gerade deswegen kann ich dieser Aussage nur ein müdes Lächeln entgegenbringen. Oftmals antworte ich darauf mit: „Ich habe nur Glück gehabt.“ Ich mag es besonders dann nicht, wenn man sich sowieso nicht weiter für mich interessiert, mich nicht weiter fragt, was ich beruflich mache, worauf ich stolz bin, was meine Träume und Ziele sind, wovor ich Angst habe und was ich im Leben schätze oder wie ich die Welt verbessern möchte. Die wichtigen Dinge eben. Auch wenn dieses Kompliment als einfacher ‚Starter‘ durchgehen könnte, so wäre es angenehm einmal zu hören: „Du gefällst mir äußerlich, aber ich würde gerne dein Inneres kennenlernen.“

Szene 1

Habt ihr schon einmal versucht, auf solch ein Kompliment mit „Ja, ich weiß“ zu antworten? Ist gar nicht so einfach. Besonders an den Reaktionen merkt man dann, wie eigen unsere Gesellschaft ist. Zu hören bekommt man Aussagen wie: „Und eingebildet bist du also auch noch“, „Das ist die falsche Antwort“ oder „Aha, na dann.“. Viel weiter wird nicht reflektiert darüber. Klar, „Ich weiß“ klingt arrogant. Aber sich die Arbeit antun und dem nachzugehen was dahinter stecken könnte, will auch keiner.

 

Ich denke, dass wir Frauen etwas mutiger sein sollten, mehr zu uns – unseren Rechten, unseren Körpern und unseren Meinungen stehen, und öfter mal den ‚Mann‘ raushängen lassen sollten, wenn uns danach ist. Schaden tut es uns bestimmt nicht, aber was zum Lachen oder zum Erzählen kommt oft genug dabei raus.

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