Empathie auf Wienerisch

10. Januar 2018

„Bitte seien Sie achtsam! Das Betteln ist in U-Bahn-Anlagen und in den Zügen nicht gestattet.“ Die neue Durchsage der Wiener Linien ist höchstens so einfühlsam wie die dazugehörige Roboterstimme, die damit aussagt, dass BettlerInnen hier keinen Platz mehr finden.

Bei einem Telefonat erwähnte Herr Amann, Sprecher der Wiener Linien, dass die Durchsagen immer wieder erneuert werden. Sie sollten Fahrgäste auf die Regeln der Wiener Linien hinweisen, so auch auf das Bettelverbot. Die aktuelle Durchsage gibt es seit Oktober, weil viele Fahrgäste bei den Wiener Linien anrufen und sich beschweren. Nicht nur weil sie sich durch das Betteln gestört fühlen, auch, weil die Fahrgäste meinen, beinahe „drüberzufallen“, so Amann.

Sieht so Achtsamkeit aus?

Dass sich manche Menschen durch die BettlerInnen gestört fühlen, kann ich bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Die Frage die man sich stellt ist aber, welche Fahrgäste wirklich in der kältesten Zeit des Jahres darüber so wutentbrannt sind, dass sie das Telefon in die Hand nehmen und sich bei den Wiener Linien beschweren. Schließlich wird kaum in den Zügen gebettelt, sondern meist nur in den Anlagen und da sollte ein schutzsuchender Mensch noch auszuhalten sein.

Vielleicht hilft es den wutentbrannten Fahrgästen, wenn sie darüber nachdenken wie schlimm die Verhältnisse sein müssen, dass man überhaupt in einer U-Bahn-Anlage betteln muss. Schließlich macht das niemand gerne. Das Leben einer Bettlerin oder eines Bettlers muss schon hart genug sein, weshalb also nicht ein bisschen mehr Empathie zeigen? Denn wie sehr schränkt das Betteln uns Fahrgäste wirklich ein?

Abgesehen davon bezweifle ich, dass die neue Durchsage viel Veränderung mit sich bringt. Selten sieht man nämlich deutsch sprechende BettlerInnen. Wenn die Wiener Linien schon eine neue Durchsage gegen das Betteln in U-Bahn-Anlagen für richtig empfinden, sollte es dann nicht viel eher auf Rumänisch sein? Vielleicht würde es dadurch noch eher bei der „Zielgruppe“ ankommen.  

Foto: pixabay

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