„Ich schneide mir lieber die Beine auf, als dass sie haarig sind“

13. Juni 2017

Von Johanna Gudella und Sarah Nadj

Rasieren, Schminken und Bauch einziehen – von sommerlicher Entspannung kann bei vielen Mädchen nicht die Rede sein. Keiner soll ihre Behaarung oder ihre Speckröllchen sehen. Dafür nehmen sie auch gern in Kauf, dass der Spaß in der kommenden Saison wegfällt.

Laura*, 26, schaut sich im Spiegel der Umkleide einer bekannten Unterwäschefirma an. Der neue Bikini sitzt, sie freut sich schon auf den nächsten Schwimmbadbesuch. Das war nicht immer so, erzählt sie uns, noch vor wenigen Jahren hat sie Öffentliche Schwimmbäder gemieden. „Mit 16 war ich so unsicher, dass ich Situationen, in denen es komische Blicke oder komische Kommentare hätte geben können, einfach vermieden habe. Ich hatte trotzdem meinen Spaß, ich bin trotzdem Schwimmen gegangen, halt nur nicht im Freibad, sondern im Pool einer Bekannten. Damals war auch tägliches Rasieren ein absolutes Muss und ungeschminkt ging man nicht mal zum Bäcker gegenüber.“ Beim Älterwerden kommt wohl bei vielen die Erkenntnis, dass das nicht so wichtig ist. Leider geht es den jüngeren Mädels, mit denen wir gesprochen haben nicht so. Ivana ist 19 und traut sich nicht, in der Öffentlichkeit nur in Badebekleidung auf ihr Handtuch: „Wenn ich nur im Bikini im Schwimmbad liege, benutze ich beispielsweise ein Handtuch, dass ich auf mich drauf lege, um das Schlimmste zu verdecken.“

Auch wenn es keine Neuigkeit ist, dass ganz besonders junge Frauen sehr mit ihrem Selbstbild zu kämpfen haben und sich oftmals in ihrem Körper unwohl fühlen, sieht man doch auffallend viele Mädchen in Schwimmbädern, die komplett angezogen sind, sprich im Kleid oder mit T-Shirt und Hose dasitzen. Beim Aktionsplan Frauengesundheit der Bundesministerin für Bildung und Frauen, heißt es, „40 bis 70 Prozent der Mädchen zwischen 12 und 16 Jahren sind mit zwei oder mehr Bereichen ihres Körpers unzufrieden, 50 bis 80 Prozent der Mädchen und jungen Frauen möchten dünner sein, 20 bis 60 Prozent der adoleszenten Mädchen machen Diäten“. Außerdem, dass „mehr als die Hälfte der jungen Frauen im Teenager-Alter ungesunde, teils gefährliche Maßnahmen zur Gewichtskontrolle und -reduktion (z. B. Auslassen von Mahlzeiten, Diäten, Rauchen, Erbrechen, Einnahme von Abführmitteln oder Schilddrüsenhormonpräparten) anwenden“.

Bücher wie Die Turbo-Bikinidiät: fit für den Strand sind da sicherlich auch kein positiver Einfluss. Kein Wunder also, dass ganz besonders die Bikini-Zeit eine sehr stressige und unangenehme Zeit für viele Mädchen ist. Wenn man nicht in das kleine Schema der „perfekten“ Figur passt, der Körper nicht aussieht wie der eines Victoria Secret Models, müssen eben andere Maßnahmen her.

Die McGyvers der Pool-Szene

Die jungen Frauen, mit denen wir gesprochen haben, gehören zu den bis zu 70 Prozent, die mit ihrem Körper unzufrieden sind. Es gibt die unterschiedlichsten Methoden, sich so gut wie gar nicht im Bikini zeigen zu müssen: sobald man aus dem Wasser kommt, zieht man sich die Kleidung drüber; die Freundinnen müssen einem das Handtuch umwerfen, sobald man einen Schritt auf das trockene Land macht oder man bewegt sich nur, wenn genügend Menschen da sind, die einem verdecken können. Die Kreativität kennt hier keine Grenzen.

Die 18-Jährige Simone* kennt die Unsicherheiten, mit denen auch Ivana kämpfen muss. Trotz einer Konfektionsgröße 32 und einem sehr athletischen, schlanken Körper, machte sich das Mädchen sofort Sorgen, sobald sie in einen Bikini schlüpfte. „Es ging so weit, dass ich in der Früh nichts mehr essen wollte oder nur sehr wenig um einen Blähbauch zu vermeiden. Ich hab deshalb sogar nur sehr sehr wenig Wasser getrunken.“ Mit wenig Wasser und noch weniger Essen im Körper verbrachte sie dann teilweise

Stunden in der Sonne. Die Kopfschmerzen, die Schwindelgefühle und die Übelkeit nahm sie in Kauf. Alles nur um keinen rundlichen Bauch am Pool oder Strand zu haben.

„Unrasiert findet man mich bei keinem Pool“

Neben dem eigenen Körperfett scheint auf die Behaarung eine der größten Unsicherheiten zu sein. Von all den Mädchen, mit denen wir sprachen, traut sich keine behaart aus dem Haus. Die 18-Jährige Katarina würde ohne glatt rasierte Beine (wir sprechen hier nicht über leichte Stoppeln sondern über ganz glatte Haut) niemals ins Schwimmbad gehen. „Ich schneide mir lieber die Beine auf, als das sie haarig sind.“ Und das Make-Up scheint auch ein ganz großes Thema zu sein. In Drogeriemärkten findet sich eine große Auswahl an wasserfester Mascara, Lidschatten und Lippenstift: Und diese Auswahl wird von unseren Mädels gekauft. Ohne zumindest dezentes Make-Up traut sich kaum eine an den Pool.

Mit dem Alter kommt zum Glück dann die Entspannung, erklärt Laura, jetzt kauft sie sich auch mal ein Eis im Schwimmbad, was sie früher nie gemacht hätte.

 

*Namen geändert

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