Warum Introvertiertsein nichts Schlechtes ist

07. Juni 2017

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Foto: Privat

Gesellig, risikofreudig, extrovertiert - so sieht der ideale Mensch unserer Zeit aus. Er ist teamfähig, hat ein großes soziales Netz und schöpft seine Energie dadurch, dass er mit anderen Menschen beisammen ist. Extrovertierte Menschen machen circa die Hälfte der Bevölkerung aus. Doch was ist mit dem Rest?

 

Meine Mutter machte sich früher immer Sorgen um mich. Schon im Kindergarten saß ich am liebsten alleine in einer Ecke mit einem guten Buch, die Gedanken in meiner eigenen Welt. Natürlich spielte ich auch mit anderen Kindern, auch wenn es nur einige wenige waren.  Doch ich hatte kein Problem damit. Das Alleinsein schien mir auch Spaß zu machen. Dies hat sich nicht wirklich geändert. Denn ich gehöre zu den 30-50 Prozent der Bevölkerung, die man als introvertiert bezeichnet. Klar gibt es hierbei verschiedene Ausprägungen, doch eines haben alle Introvertierte gemeinsam: Wir brauchen einfach Zeit für uns alleine, um neue Energie zu schöpfen. Soziale Kontakte werden nach einiger Zeit einfach anstrengend für uns.

 

 

 

Zu den Begriffen

Die Begriffe ,,Introversion‘‘ und Extroversion‘‘ wurden von dem Psychiater C.G. Jung am Anfang des 20. Jahrhunderts in die Persönlichkeitspsychologie eingeführt. Introvertiert bedeutet nach innen gewandt, extrovertiert nach außen gewandt. Die Begriffe sind nur ein Aspekt der Persönlichkeit, die natürlich viel komplexer ist. Introvertierte Menschen nimmt man als ruhig, zurückhaltend, in sich gekehrt wahr. Extrovertierte dagegen als gesellig, abenteuerlustig, risikofreudig.

 

Eine extrovertierte Welt

Die Sorge meiner Mutter war hauptsächlich, dass ich mich nicht wehren und durchsetzen konnte und es durch meine ruhige Art schwer im Leben haben könnte. Damit hatte sie wohl auch recht. Denn wir leben in einer extrovertierten Welt. Wir befinden uns in einer Zeit der Vernetzung, des Austausches, des Networkings. Schon in der Schule werden wir mit Teamwork und Gruppenarbeit konfrontiert. In der Universität und im Berufsalltag wird dies fortgesetzt. Natürlich ist dies nicht schlecht. Es sind aber dennoch bis zu 50%, die ihre Arbeit viel besser erledigen könnten, wenn sie alleine wären. Auf diese wird nicht eingegangen. Vielmehr werden Introvertierte als komisch und sozial unbeholfen beschrieben. Eine Kollegin wurde als Kind aufgrund ihrer introvertierten Art als ,,behindert‘‘ bezeichnet. Denn wenn man nicht in die laute, schnelle Welt der Extrovertierten hineinpasst, wird man als asozial und schüchtern abgestempelt.

 

Introvertiert, nicht schüchtern

Allgemein darf man nicht den Fehler machen und Introversion mit Schüchternheit verwechseln. Wer schüchtern ist, hat Angst, vor seinen Mitmenschen zu versagen. Wir Introvertierten ertragen soziale Kontakte einfach nur in kleineren Dosierungen und werden davon müde. Auch ich dachte immer, dass ich einfach schüchtern bin. Ich bin eine gute Zuhörerin, rede meist nur dann, wenn ich wirklich etwas zum Sagen habe und würde mich eher erhängen, als Smalltalk zu führen. Ich kann besser schreiben als reden und denke lieber etwas nach, bevor ich meinen Senf zu einem Thema dazugebe. Mich stört Stille nicht (mal abgesehen von der awkward silence). Und ich muss, nachdem ich mit Menschen alleine war, danach für mich alleine sein. Einfach, weil ich es brauche.

Die Macht der Introvertierten

Dass mich diese Eigenschaften zu einer Introvertierten machen, erfuhr ich in dem Tedtalk von der amerikanischen Autorin Susan Cain. Diese hat das Buch: ,, Quiet: The Power of Introverts in a World That Can't Stop Talking‘‘ geschrieben. Sie beschreibt darin, dass Introvertierte heute dieselbe Stellung wie die Frau in den 50er Jahren hätten. Es soll eine Bewegung in Gang gesetzt werden, dass Introvertierte zu sich und ihrer Persönlichkeit stehen können und sich so akzeptieren, wie sie sind. Introvertierte können genauso gute Anführer sein, da sie die besseren Beobachter und Zuhörer sind. Außerdem sind sie kompromissbereiter und lassen Mitarbeitern Freiraum für eigene Ideen. Das Ideal des Extrovertieren, der wie der Introvertierte genauso seine positiven wie negativen Eigenschaften hat, sollte nicht existieren. Denn eine Hälfte der Menschen auszuschließen oder als Sonderlinge abzustempeln führt zu nichts. Dolly Parton sagte einmal: ,, Finde heraus, wer du bist, und tu es mit Absicht". Wenn du extrovertiert bist, dann sei extrovertiert und wenn du introvertiert bist, dann sei introvertiert. Jeder sollte einfach das Beste daraus machen und sich nicht verbiegen.

 

 

 Der Link zum Video:

 

 

 

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