Warum jeder Mensch zumindest für kurze Zeit Migrant sein soll

23. August 2016

 

Am vergangenen Samstag hatte ich ein kleines Jubiläum - am 20. August 2005 bin ich aus Polen nach Österreich gezogen. Ich war 20 Jahre alt, mit der Vorstellung, dass ich viel mehr über die Welt weiß, als ich wirklich wußte. Ich habe kaum Deutsch und kaum Englisch gesprochen, hatte keine Ahnung was mich in Wien erwartet und habe dort niemanden gekannt. Heute bin ich 31 Jahre alt und, das will ich zumindest hoffen, um einiges gescheiter. 

Es ist lustig an die vergangenen Jahre zu denken. Es hilft mir zu realisieren, wieviel sich in meinem Leben getan hat und wieviel ich eigentlich erreicht habe. Als würde ich einen Film schauen, in dem ich die Hauptrolle gespielt habe. Eine faszinierende Inszenierung und zugleich eine interessante Evaluierung meiner bisherigen Lebensgeschichte. 

 

Das menschliche Gedächtnis ist ein interessanter Mechanismus. Es speichert viele Ereignisse, die auf den ersten Blick nicht allzu signifikant erscheinen. Dieselben Ereignisse gewinnen mit der Zeit an Wichtigkeit und werden zu lebensverändernden Faktoren. Kleine Dinge, die zuerst in Vergessenheit geraten, spielen später eine unerwartete, prägende Rolle. Einfache Entscheidungen führen oft zu entscheidenden Lebensereignissen.

 

Damals hatte ich keine Ahnung, dass ich 11 Jahre später in London leben, für ein österreichisches Magazin schreiben und drei Sprachen sprechen würde. Ich wußte nicht, dass ich so viel reisen, Fernsehwerbungen in unterschiedlichsten Ländern der Welt drehen und ein Personal-Training-Business eröffnen würde. Ich hatte so viele Sachen nicht geahnt, etwas komplett anderes geplant und mir meine Zukunft völlig anders vorgestellt. 

Ich muss lächeln, wenn ich an all diese Jahre zurückdenke. 

 

Wir Ausländer sind so lustig

 

Es gibt Zeiten, in denen man gelangweilt und schwer davon überzeugt ist, dass in seinem Leben nichts mehr Interessantes passieren wird. In solchen Zeiten hilft es, an all das zu denken, was in den vergangenen Jahren passiert ist, wie sehr wir uns verändert haben, was für Ziele wir erreicht haben und an welchen wir vielleicht noch arbeiten müssen. Es ist wichtig, sich einen Moment zu nehmen, um einfach nur dafür dankbar zu sein, was uns geschehen ist und wo uns all diese Lebensereignisse hingebracht haben. 

 

Das Leben eines Migranten ist bis zu einem gewissen Grad immer voller Überraschungen. Die Wahrheit ist, dass ins Ausland ziehen, wie auch immer man sich darauf vorzubereiten mag, zu einem gewissen Grad immer eine Reise ins Ungewisse ist. 

Ich will nicht damit sagen, dass man gar nichts davon vorhersehen kann. Menschen wechseln ihr Land aus den unterschiedlichsten Gründen. Manche haben es schwierig, andere wiederum viel einfacher. Jeder Migrant ist aber reich an Geschichten, Erlebnissen und Erfahrungen, die er als Nicht-Migrant hätte nicht erleben können. 

Alle Menschen, die den Mut gehabt haben, ihr Land zu verlassen, um in ein neues zu ziehen, haben etwas, das nirgends gekauft und auf keine Art und Weise erworben werden kann. 

 

Ich bin davon überzeugt, dass ins Ausland zu ziehen eine der besten Entscheidungen meines Lebens war. Ich habe Erfahrungen gemacht, die ich sonst hätte nie machen können. Ich bin stolz darauf, dass ich es geschafft habe, die letzten 11 Jahre in anderen Ländern zu leben. 

Migrant zu sein bedeutet, dass man sich einer Herausforderung stellt, welche dabei hilft, Erfahrungen zu gewinnen und unseren Horizont zu erweitern. Es gibt so viele verschiedene Gründe, für die man zumindest einmal in seinem Leben versuchen sollte, Migrant zu sein. 

In den Zeiten, in denen Migration ein dermaßen wichtiges Thema darstellt, soll jeder versuchen, auf den Komfort seines Heimatlandes zu verzichten, um über andere Kulturen aus der Perspektive eines Migranten zu lernen. Ich bin mir sicher, dass dies einige Probleme, mit denen wir heute zu kämpfen haben, lösen würde. 

 

 

 

 

 

 

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