Unser Vorhaben war einfach: In einer Shisha-Bar mit jungen Türken reden und ihre Meinungen zu dem Referendum am Sonntag sammeln. Am Ende wanderten wir über zwei Stunden in der Nähe herum und versuchten Leute zu finden, die bereit für ein Foto wären.

Umfrage von Nihal Shousha und Sarah Nadj

Das große Verfassungsreferendum in der Türkei steht bevor. Viele Migranten in Österreich können dank ihrer (Doppel)Staatbürgerschaft ebenfalls ihre Stimme abgeben. Manche argumentieren, dass das Votum die Türkei nur zu einem Präsidialsystem a la USA machen würde. Andere haben Angst, dass die veränderten Verfassungspunkte Erdogan in die Hände spielen würde, um das Land in eine Diktatur zu verwandeln. Doch was sagen die in Wien lebenden Türken dazu?

„Wenn mein Vater das sieht, schlägt er mich. Er liebt Erdogan.“

Mit einer Kamera in der Tasche wollten wir in einer Wiener Shisha Bar Statements sammeln um auch die jungen Türken zu Wort kommen zu lassen. Von der Geschäftsleitung wurde uns ganz höflich erklärt, dass wir keine Fotos machen sollten. Sie würden nicht wollen, dass die politischen Ansichten ihrer Kunden am Ende mit dem Lokal verbunden werden. Man wolle sich aus der Politik raushalten. Deshalb versuchten wir junge Leute auf der Straße zu finden. Neben den Standard-Aussagen „Ich interessiere mich nicht für Politik“ und „Ich hab da keine Meinung darüber“, fanden wir auch einige, die dagegen waren. Fast keiner der Befragten wollte dann ein Foto mit uns machen. Manche sprachen sogar etwas länger mit uns, erklärten uns ihre Sichtweise, doch sobald sie die Kamera sahen, mussten sie sofort gehen. Ein 19-Jähriger der meinte „es wäre doch egal ob man ja oder nein abstimmt, Erdogan ist wie jeder andere Politiker und redet nur viel, macht aber nichts“ schüttelte bei der Frage nach einem Foto aber gleich den Kopf. „Wenn mein Vater das sieht, schlägt er mich. Er liebt Erdogan.“

Einer der Befragten erklärte uns, dass die Community zurzeit etwas gespalten sei und es kriseln würde. Doch er war zuversichtlich, dass man nach dem Referendum und nach einer Weile wieder ganz normal miteinander leben würde. Aber jetzt scheint zwischen manchen österreichischen Türken noch eine gewisse Spannung zu geben.

Das sagen unsere Gesprächspartner :

Pelin, 16: „Ich bin dafür, weil die Türkei muslimisch ist und Erdogan nur im Sinne der Türken handelt, um ihnen das Leben zu erleichtern. Er setzt die muslimischen Gesetze um, im Gegensatz zu Atatürk, der uns unsere heilige Sprache genommen hat. Ich hab die österreichische Staatsbürgerschaft, also kann ich nicht wählen gehen. Aber ich versteh nicht, wo das Problem liegt. Erdogan stört doch eh nicht.“

Ozzi,19 und Ozzy,18: Ozzi erklärt uns: „Mein Opa, meine Eltern, meine ganze Familie sind für Erdogan. Nur meine angeheirateten Tanten sind gegen ihn. Ich würde auch für das Votum abstimmen. Europa sagt zwar immer, dass er ein Diktator ist, er nicht ins das Land reisen darf, aber dann erwarten sie sich trotzdem, dass er alle Flüchtlinge aufnimmt und nehmen selbst niemanden auf. Sie nehmen nur, aber geben selbst nicht. In Europa meinen sie, dass er Meinungs- und Redefreiheit einschränkt, sie lassen ihn aber selbst nicht herkommen um Wahlwerbung zu machen. Ich verstehe nicht, wieso Leute dagegen sind. Erdogan ist schon mächtig, dieses Referendum wird ihm dann nur noch die letzten fünf Prozent an Macht geben, die ihm bis jetzt fehlen.“

Semih, 22 und Hakan, 24: „Ich habe schon dagegen gestimmt. Ich bin für Demokratie. Es kann doch nicht sein, dass die ganze Macht bei nur einem Mann liegt und man gar nicht mehr beeinflussen kann, was er eigentlich macht. Ich verstehe die Türken nicht, die hier leben und für das Referendum abstimmen.“

Enes, 26: „Ich kann leider nicht wählen gehen, weil ich die österreichische Staatsbürgerschaft habe. Könnte ich wählen gehen, wäre ich hundertprozentig dafür. Ich hoffe, die Leute stimmen für das Referendum. Erdogan ist ein guter Mensch, der Flüchtlinge aufgenommen hat und sich auch gegen Assad stellt. Sogar die Leute in Palästina mögen ihn, weil er sich für sie einsetzt. In der Türkei hat er auch den Menschen geholfen, dank ihm verdienen Polizisten, Lehrer und Ärzte mehr. Die ganzen Menschen und Politiker hier haben keine Ahnung wie es in der Türkei eigentlich zugeht. Jeder redet, obwohl er sich nicht auskennt und glaubt, ein Experte zu sein.“

Ibrahim, 21: „Ich bin für das Referendum. Könnte ich wählen gehen, würde ich für Ja abstimmen. Erdogan bedeutet, dass die Türkei eine gute Zukunft haben wird.“