Wenn deine Mutter Krebs hat, ändert sich alles...

16. Oktober 2015

Egal, wie nervig und aufdringlich eine Mutter sein kann - vor allem wenn sie eine türkische ist. Sie ist und bleibt eine Stütze. Wenn diese Stütze zu brechen droht, ändert sich einfach alles.

Meine Mutter hatte Krebs. Ungefähr vor zwei Jahren hatte ich die schreckliche Nachricht von meiner Schwester bekommen. Wenn du so eine Nachricht bekommst, dann denkst du, dass dir der Boden unter den Füßen weggerissen wird und du nur noch fällst. Angeblich wusste sie bereits vor zwei Wochen, dass sie Brustkrebs hatte. Sie wollte mir nichts sagen, weil sie mich nicht unnötig beunruhigen wollte. Mutter halt. Sofort habe ich ein Ticket nach Stuttgart gebucht und meine Mutter im Krankenhaus besucht. Sie hatte die Chemotherapie hinter sich und die ganze Familie hatte sich versammelt. Die super kurzen Haare standen ihr. Sie sah aus wie Amber Rose mit Klamotten. Die Strahlentherapie sei sehr schlimm gewesen aber jetzt gehe es ihr besser und sie freue sich sehr, mich zu sehen.

Sultan Anne

Bald schon musste sie nicht mehr im Krankenhaus bleiben. Zu Hause schlief sie oft und war noch recht schwach. Macht Sinn, ihr Immunsystem wurde komplett zerstört. Auf einmal musste ich meiner Mutter helfen - normalerweise war das sonst andersrum. Mir fiel auf, dass ich meine Mutter zuvor als selbstverständlich genommen hatte. Schade, dass mich erst eine Krankheit dazu verleitet hat, mich wirklich um meine Mutter zu kümmern.

Kissen habe ich aufgeplustert, Tee gebracht, die türkische Serie von gestern gestreamt, sie häufiger angerufen. Auf einmal behandelte ich sie wie Porzellan - wie zerbrechliches und teures Porzellan aus dem 17. Jahrhundert. Wie nagelneue Jordans. Limited Edition.

Heute telefoniere ich mindestens dreimal in der Woche mit ihr. Ich überlege mir zweimal, was ich ihr sage und nenne sie "Sultan Anne". Das sollte jeder machen und jeden Augenblick mit "Anne" genießen. Wer weiß, was morgen passieren wird.

Der schönste Satz, den sie dann nach langer Zeit sagte, war der: „Oglum, ben Halime Teyzenin yanina gidiyorum. Su evi bi süpür ben gelene kadar. Ve üstüne namuslu bisey giy, bakim.“ (Mein Sohn, ich gehe zu Halime, putz das Haus, bis ich zurück bin. Und zieh dir mal was Richtiges an.) Da wusste ich, dass alles wieder normal war.

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