Wir haben mit den Hauptdarstellern von „Jugend Ohne Gott“ über Gott und die Welt gesprochen.

30. August 2017

 

Jugend Ohne Gott – Sagt euch dieser Titel etwas? Genau, wir reden von dem Buch von Ödön von Horvath, das wir alle in der Schule lesen mussten. Für die, die damals nur die Internetzusammenfassung auswendig gelernt haben: Es geht um eine Schulklasse zur Zeit des autoritären NS-Regimes, um Machtkämpfe und um Klassenkampf  – und die, die sich gegen das Regime stellen. Man nehme die NS-Zeit heraus und ersetze sie mit der von uns aus gesehenen nahen Zukunft und einem Hauch „Brave New World“ Huxleys: Schon landen wir in der Neuverfilmung aus dem Jahre 2017. Die Motive aus dem Original bleiben aber immer noch dieselben: Die starken Overachiever werden hochgepusht und die Schwächeren werden an den Rand gedrängt. Genau diese Themenstellung zieht sich auch durch „Jugend Ohne Gott“ – das deutsche Filmdrama aus 2017 unter der Regie von Alain Gsponer. In den Hauptrollen sind Jannis Niewöhner, Emilia Schüle, Alicia von Rittberg und weitere bekannte deutsche Jungschauspieler zu sehen. Wir haben uns zum Kinostart mit den Darstellern unterhalten und mit ihnen über den Film, unsere Zukunft und das Original von 1937 gequatscht.

Hier der Filmtrailer:

 

Jugend ohne Gott gemischt mit Brave New World

Wir wollen nicht zu viel spoilern, aber damit ihr euch auskennt, worum es in dem Film geht, hier ein kurzes Resümee: Wir befinden uns in einer Gesellschaft die klar in die „erfolgreichen“ und „erfolgslosen“ Menschen unterteilt ist. Eine Schulklasse einer fiktiven leistungsstarken Schule – reiche und erfolgreiche Kinder, die von der „guten Seite“ – wird auf eine Art Survival-Camp im Wald geschickt – die Besten bekommen dann zum Schluss einen Platz auf einer der wenigen Elite-Unis der Welt. Die Teilnehmer werden bei ihren Aufgaben, die sie auf dem Camp bewältigen müssen, ständig überwacht und genauestens kontrolliert. Dabei rücken Motive wie Menschlichkeit, Empathie und Liebe zunehmend in den Hintergrund – nur die „starken“ und toughen sollen überleben. Wer Probleme hat, aber nicht aus der Reihe fallen möchte, bekommt Medikamente verabreicht – damit alle fokussiert und leistungsstark bleiben. Das gelingt ganz gut –bis ein Mord passiert. Aber wie gesagt, wir wollen nicht zu viel spoilern. Was ihr wissen müsst: Wer dennoch droht, aus dem System auszubrechen, wird von der Gruppe verstoßen. Wie der Hauptcharakter Zach, der sich in Ewa verliebt – Ewa ist eine der „erfolgslosen“, „schlechten“ Menschen – eine „Illegale“. Die lebt im Wald und ist das genaue Gegenteil von dem, das Zach bis jetzt kannte…

Foto: Ludwig Schedl
Foto: Ludwig Schedl

„Die politische Lage auf der Welt ist momentan so, dass man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen kann.“  – Die Hauptdarsteller im Interview.

BIBER: Jannis  – der Film endet damit, dass Zach und Ewa gemeinsam verschwinden wollen, aber man erfährt nicht wohin. Wie stellst du dir vor, dass die Handlung in dem Film weitergeht? Wohin gehen Zach und Ewa?

Jannis Niewöhner: Puh, darüber habe ich ehrlich gesagt noch nicht nachgedacht. Sie wollen aus der Gesellschaft ausbrechen. Wahrscheinlich an einen Ort, wo man nicht unter so vielen Leuten ist, wo es keine Struktur gibt. Ich selbst habe in meiner ersten WG mit jemandem gewohnt, der mal Schauspieler war, so mit 15 – Der hat dann gemerkt, dass das krass ist  – du verdienst ja als Schauspieler so viel mehr als ein Kameramann zum Beispiel – er ist irgendwann nach Thailand gegangen, das war glaube ich seine Art von Freiheit suchen. Und ähnlich ist es im Film.

BIBER: Der Film spielt in der nahen Zukunft. Es wird vieles überspitzt dargestellt – Es gibt einerseits die leistungsstarken Overachiever, denen es gut geht und auf der anderen Seite die „anderen“, die „Illegalen“, die nicht so starken, deren Welt düster und traurig dargestellt wird. Ist das so, dass unsere Gesellschaft immer stärker leistungsorientiert ist, in der die Erfolgreichen hochgepusht werden und die schwachen verlieren – ist das im echten Leben eine Zukunftsvision, auf die wir uns gefasst machen sollten?

Anna Maria Mühe: Ich glaube, wir sind gar nicht so weit weg von dem. Die politische Lage auf der Welt ist momentan so, dass man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen kann.

Jannis Niewöhner: Ja, diese Schere zwischen Arm und Reich  – dass die Gesellschaft in wertvolles und weniger wertvolles Leben eingeteilt wird, dass eine Seite die klar stärkere Macht hat.

Alicia von Rittberg: Ja, vor allem gibt es immer mehr Überwachung und Verfolgung, allgemein diese Beschleunigung – aber ich denke, es wird sich im Endeffekt nicht so zuspitzen wie im Film – ich merke jetzt schon, dass es eine Art Gegenbewegung gibt, wenn ich mit Freunden spreche – man nimmt sich die Ruhe und Zeit für sich.

BIBER: Habt ihr das Buch von Ödön von Horvath gelesen? Was hat euch in dem Film an das Buch erinnert? Und was hat euch am Drehbuch gut gefallen?

Alicia von Rittberg: Erst nach dem Dreh ehrlich gesagt. Die grundsätzliche Gesellschaftskritik, dieser Leistungsdruck, diese Kühle, dass es nicht so richtig viel Platz für Liebe und dergleichen gibt, das sind auf jeden Fall die Parallelen. Mir hat gefallen, dass es im Film im Gegensatz zum Buch aus so vielen Perspektiven beschrieben wird. Die Vorlage für meine Rolle aus dem Buch war ja ein Junge, ich fand cool, dass er im Film zu einem Mädchen gemacht wurde.

Jannis Niewöhner: Ich kannte das Buch davor nicht. Mir hat an dem Drehbuch gefallen, dass der Film einerseits zur Unterhaltung da ist, andererseits aber Aufklärend wirkt – genau so eine Art von Arbeit möchte ich machen.

Anna Maria Mühe: Das Buch hat mich in meiner Jugend sehr geprägt. Bei dem Drehbuch hat mich das streng Kontrollierte und Unnahbare bei meiner Figur Loreen gereizt.

Von Links nach Rechts:Farhri Yadrim (Lehrer) , Jannik Schümann (Titus), Alicia von Rittberg (Nadesh), Anna Maria Mühe (Loreen), Jannis Niewöhner (Zach)
Von Links nach Rechts:Farhri Yadrim (Lehrer) , Jannik Schümann (Titus), Alicia von Rittberg (Nadesh), Anna Maria Mühe (Loreen), Jannis Niewöhner (Zach)

BIBER: In dem Buch Ödön von Horvaths geht es ja auch darum, dass jeder der „nicht arisch“ ist, in dem Fall eben Juden und „Schwarze“ die „bösen“ sind – die Handlung spielt ja zur NS-Zeit. Kann es sein, dass die „Illegalen“ in der Neuverfilmung eine Metapher für die Flüchtlingswelle und den Umgang unserer Gesellschaft damit darstellen?

Alicia von Rittberg: Nein, das glaube ich nicht. Die Gruppe von Schülern an sich ist ja komplett unterschiedlich. Und die „anderen“ sind einfach die andere Gesellschaft. Das hat nichts mit Herkunft zu tun.

BIBER: Okay, zurück zu euren Figuren: Jannis  – Du spielst den Hauptcharakter, den Zach. Zach ist im Gegenteil zu den anderen in seiner Klasse nicht gerade begeistert von diesem Wettbewerbsdenken und nimmt nur widerwillig an dem Camp teil. Wieso macht er dabei mit?

Jannis Niewöhner : Weil er bis dato in diese Welt hineingeboren wurde, und es nicht anders kennt. Man lernt Zach kennen, als der Selbstmord seines Vaters noch nicht so lange zurückliegt – Der Mitschüler Wladim wird von der Klasse ausgeschlossen, weil er schwächer ist als die anderen und Zach setzt sich als einziger für ihn ein  – das ist der Moment, der das Fass zum Überlaufen bringt – Zach beginnt, sich innerlich zu wehren.

BIBER: Alicia  – Du spielst in dem Film die Rolle der Nadesh – Nadesh ist sehr ehrgeizig, aber auch verliebt in Zach – ist es das Verliebtsein oder ihr schulischer Ehrgeiz, der sie dazu treibt, sich so anzustrengen?

Alicia von Rittberg: Sie ist unglaublich ehrgeizig – ihr schulischer Ehrgeiz treibt sie dazu, zu den Besten gehören zu wollen. Aber die menschliche Komponente ist das, was sie ausmacht – eben weil sie so auf Zach steht und diese rosarote Brille hat. Aber im Grunde genommen ist sie ein bisschen so die überforderte Nervensäge.

BIBER: Glaubst du, hat Zach irgendeine Zuneigung gegenüber Nadesh oder gar nicht?

Alicia von Rittberg: Nadesh ist ziemlich nervig, sie ist so verliebt, aber das beruht nicht auf Gegenseitigkeit und ich glaube, das ist nicht so sexy, wenn jemand so klammert.

Filmplakat
Filmplakat

BIBER: Anna Maria – du spielst die Psychologin – die emotionslos ist und sich strikt an das System hält. Trotzdem schläft sie am Schluss mit dem Lehrer – gibt es irgendwo noch einen Funken Emotion und Menschlichkeit in ihr oder ist das eher ein Protest und Ausbruch aus dem System?

Anna Maria Mühe: Auf der einen Seite ist es ihr emotionalster Moment, auf der anderen aber auch ihr Kalkül, um am Ende nicht schlecht da zu stehen. Die Entwicklung des Lehrers allerdings ist auch für sie eine Überraschung.

 

Wie der Film ausgeht, was es mit dem Mord auf sich hat und wie viele Parallelen zum Buch man noch findet, wollen wir euch an dieser Stelle gar nicht verraten. Wer mehr wissen möchte: Ab 1.9. Läuft der Film in den österreichischen Kinos – geht hin und findet heraus, was „Jugend Ohne Gott“ in für die heutige Zeit bedeutet. 

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