Ein Grenzzaun im Glashaus

08. Februar 2016

Seien wir mal ehrlich: Früher war alles besser. Und vor allem einfacher. Das zeigt ein Blick auf zwischenmenschliche Beziehungen. Früher gab es die Kategorien ledig, verlobt, verheiratet. Verliebt lag im besten Fall irgendwo dazwischen und wenn’s sehr blöd herging endete alles in den Kategorien geschieden (sehr verpönt) oder verwitwet. Und auch im großgesellschaftlichen Kontext, was war das für ein Fest, unterschied man schlicht zwischen AusländerInnen und Einheimischen, nein Verzeihung, zwischen Ausländern und Einheimischen, die Frauen waren ja der Einfachheit halber mitgemeint. Ach Welt, wie schön schwarz-weiß du einst warst, genau wie die Filme aus dieser Zeit….

Wir sind in einer Beziehung und es ist kompliziert

Doch dann kam dieses Globalisierungsdingens ins Spiel, Beziehungen wurden „komplizierter“ und auch unser wunderschönes Österreich sah sich auf einmal mit der Herausforderung konfrontiert, ein Einwanderungsland zu sein (auch wenn viele das noch immer leugnen möchten). Gastarbeiter, Migranten, Flüchtlinge, plötzlich waren da mehrere Kategorien, die zu unterscheiden waren - ziemlich komplex. Das Gute dabei war aber: Wer einmal in eine Kategorie gehörte, kam für die nächsten 3 bis 4 Generationen aus dieser erst mal nicht mehr raus.

Heile Welt – quo vadis?

Und jetzt, als müssten wir nicht schon genug aushalten, gibt’s auf einmal so Ausländer, Migranten, Flüchtlinge whatever, die nach gefühlten 38 Generationen als nachweislich integriert und somit als Einheimische gelten wollen. Wer soll sich denn in diesem Wirr-Warr noch zurechtfinden?

Gott sei Dank gibt es das Internet als Informationsinstanz. Denn gerade in Zeiten der Flüchtlingskrise ist es besonders wichtig zu wissen, woran man ist und wem man überhaupt noch vertrauen kann. Deshalb haben sich in Social-Media-Kanälen neue, sagen wir mal, überschaubarere Kategorien gebildet:

1.Die einheimischen Ausländer: Als einheimische Ausländer werden zusammenfassend all jene Ausländer bezeichnet, die sich nach einer Mindestaufenthaltsdauer von 3 Familiengenerationen, oder aber bei Neuzugezogenen nach 20 Jahren, gut integriert haben, die deutsche Sprache sprechen und im Idealfall keinen muslimischen Background haben. Wenn sie aber einen muslimischen Background haben drücken wir unter Erfüllung aller anderen Bedingungen und fortwährender öffentlicher Distanzierung ein Auge zu.

2.Die ausländischen Ausländer sind im Gegensatz dazu zunächst einmal alle Neuankömmlinge und in weiterer Folge all diejenigen, die sich nicht unseren Werten entsprechend zu benehmen wissen, am Ende sogar ein leckeres Wiener Schnitzel verschmähen.

Diese neue Kategorisierung hat viele Vorteile, da sie insbesondere einheimischen Ausländern die Hetze gegen ausländische Ausländer erleichtert bzw. ermöglicht. Dadurch wird – symbolisch gesprochen – ein Grenzzaun im Glashaus aufgestellt. Sollten Unklarheiten auftreten, ist es ab jetzt auch möglich, sein Gegenüber direkt zu fragen: „Bist du ein einheimischer oder ein ausländischer Ausländer?“.

Ende gut, alles gut

Natürlich sind das Grundkategorien, welche noch erweitert werden müssen. Nehmen wir mich als Beispiel. Als Tirolerin bin ich in Wien zunächst definitiv eine ausländische Ausländerin. Um eine einheimische Ausländerin zu werden, scheitert’s an der Sprache, hoscht mi? Um diese Hürde zu umgehen, plädiere ich dringend für die Einführung der Kategorie „ausländische Einheimische“, im Gegensatz zu den "einheimischen Einheimischen".

Na, wer sagt’s denn, Ende gut, alles gut. Hauptsache, wir haben für alles und alle irgendeine Kategorie parat. Schließlich muss man die Menschen teilen, um sie zu beherrschen. Das klappt doch wunderbar. Die Ordnung im wunderschönen Österreich ist wieder hergestellt.

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