Kampf um die Kirche

01. Dezember 2010

Während die Bänke in vielen Wiener Kirchen leer bleiben, platzen Messen von Migranten aus allen Nähten. Die Amtskirche tut sich schwer mit den zugewanderten Schäfchen und will ein gut besuchtes Gebetshaus an die serbisch-orthodoxe Kirche verschenken. Wer rettet jetzt wirklich das Abendland?

Text: Ivana Martinovic, Toumaj Khakpour
Fotos: Lucia Bartl , Lena Possert

Am Sonntag um 11 Uhr früh ist die Kirche Neulerchenfeld bereits voll mit Gläubigen. Jede Kirchenbank ist bis zum letzten Eck gefüllt. Junge Familien sind mit Kinderwägen unterwegs und stehen, wenn kein Platz mehr zum Sitzen ist. Auch viele Kinder besuchen mit ihren Eltern die heilige Messe. Acht Ministranten, nicht älter als 10 Jahre, lauschen andächtig den Worten von Pfarrer Tadeusz Cichon, der in polnischer Sprache durch die Messe führt. Der Gesang des Kirchenchors erfüllt den Raum. Es klingt mehr nach einem Konzert als nach musikalischer Begleitung.

Es wäre eine Messe wie jede andere in der polnischen Gemeinde – wenn da nicht die Transparente wären. „Die Katholiken brauchen diese Kirche“ steht da zu lesen und „Katholiken, die nicht in die Kirche gehen, sind die billigsten“. Die Gläubigen wollen nicht akzeptieren, dass die Erzdiözese Wien ihr Gebetshaus an die serbisch-orthodoxe Kirche verschenken will. Kardinal Christoph Schönborn sieht sich nicht in der Lage, alle der 172 katholischen Pfarrkirchen in Wien zu erhalten. Ihm und der Kirche gehen die – praktizierenden – Gläubigen aus. „Das ist eine schmerzliche Realität“ sagt der Kardinal.

Volles Haus

Pfarrer Tadeusz hätte die Entscheidung des Kardinals vor sechs Jahren akzeptiert, als bei seinem Amtsantritt in diese Pfarre, nur wenige Österreicher die Kirche besuchten. Allerdings schaffte er innerhalb kurzer Zeit und nur durch Mundpropaganda, wieder Leben in die leere Bude zu bringen. Seine polnische Gemeinde wurde immer größer.

Die Neulerchenfelder Gemeinde veranschaulicht eine Entwicklung, die sich in ganz Wien bemerkbar macht. Während immer mehr Kirchenbänke in Wien am Sonntag leer bleiben, müssen sich zugewanderte Katholiken, vor allem Polen und Kroaten, am Tag des Herrn abhetzen, damit sie rechtzeitig einen Platz in der Messe bekommen. Aber anstatt dass sich die Amtskirche besonders um diese Gläubigen bemüht, sorgt sie bei den treuen Kirchgängern für Wut und Enttäuschung.

Die Polen hätten bereits eine Kirche am Rennweg im 3. Bezirk, heißt es seitens der Erzdiözese Wien. Doch bei der Zahl der polnischen Gläubigen würde der Platz in dieser noch kleineren Kirche schon lange nicht mehr reichen, kontert Pfarrer Tadeusz. Verständnis für die Lage der Polen zeigt dafür die kroatische katholische Mission am Hof im 1. Bezirk. „Die Polen müssen zwölf Messen an einem Sonntag am Rennweg feiern, damit sie alle unterkommen. Sie sind, nach den Österreichern, die größte katholische Gruppe in Wien. Aber wie oft die Österreicher ihre Kirchen besuchen, sehen wir an den leeren Kirchenbänken,“ sagt Pfarrer Zeljko von der Mission. „Ohne die Polen und die Kroaten, hätte Wien gar keine vollen Kirchen mehr.“

Peinliche“ Religion

Pfarrer Zeljko hat seine eigene Theorie für den laschen Kirchenbesuch der alteingesessenen Österreicher. „Ich bemerke, dass die Österreicher nicht mehr stolz auf ihre Herkunft sind, in der auch der Katholizismus eine große Rolle spielt. Und religiös zu sein ist in diesem Land für viele schon peinlich.“

Im letzten Wiener Wahlkampf fuchtelte ein gewisser österreichisher Politiker mit dem Kreuz herum und rief zur Rettung des Abendlandes vor dem Islam auf. „Abendland in Christenhand“ hieß es auf vielen Wahlplakaten. Bevorzugte Wählerstimmen seiner Partei waren die „echten Österreicher“, die ihre Heimat vor der Islamisierung retten sollten. Blöd nur, dass die besagten Österreicher immer kirchenfauler werden. Das zeigen Statistiken der Kirchenaustritte, die in den vergangenen Jahren rasant angestiegen sind.

Die polnisch-stämmigen Katholiken haben ganz andere Probleme. Die Kirche am Rennweg ist so überfüllt, dass teilweise keine Sitzplätze mehr frei sind und die Gläubigen schon vor der Kirchentür stehen müssen, um den Gottesdienst zu hören.

Mission ist möglich

Den Kampf um Anerkennung durch die Amtskirche haben die Kroaten schon hinter sich. Einfach war es trotzdem nicht. Sie sind die zweitgrößte Gruppe der zugewanderten Katholiken. So wie die Polen heute, sind die Kroaten vor dem Jahr 1969 durch ganz Wien gewandert und folgten ihren kroatischen Pfarrern, um kroatische Messen zu besuchen. Als immer mehr Gastarbeiter nach Wien kamen, war es für den damaligen kroatischen Pfarrer Dr. Mirko Covic klar, dass die Kroaten eine eigene Mission brauchen. Nicht nur als Ort für die Messe, sondern auch für die Seelsorge und die Pflege des Gemeindelebens der Kroaten in Wien.

Die Kirche am Hof wird mittlerweile jeden Sonntag von etwa 5000 Menschen besucht. Die Mission entwickelte sich zum Ziel vieler Neuzuwanderer, die dadurch einen leichteren Anschluss in der Stadt finden konnten. Die Messen am Sonntag sind prall gefüllt. Die Mission ist ein Treffpunkt vieler Kroaten, um gemeinsam die Messen zu feiern und sich nach dem Gottesdienst auf ein Plauscherl am Hof zu treffen. Auch bei der kroatischen Jugend ist die Mission ein beliebter Ort, um Freundschaften zu schließen. Die Kirche organisiert Jugendtreffs. Um vielen Gläubigen den Weg in den 1. Bezirk zu ersparen, hat die kroatische Mission bereits elf Filialen rund um Wien, wo kroatische Messen in österreichischen Kirchen abgehalten werden.

Kardinal in der Kritik

Vor kurzem hat sich Kardinal Schönborn selbst ein Bild der Neulerchenfelder Kirche gemacht. Bei einer „Diözesanversammlung“ stellte er sich den kritischen Fragen der Gemeinde. Die polnische Gemeinschaft liege ihm besonders am Herzen, betonte der Kardinal. Bei der Verschenkung der Kirche höret sich die Diskussion aber auf. „Diese polnischsprachige Gemeinschaft ist nicht auf ein bestimmtes Gotteshaus, sondern auf die Person eines guten Seelsorgers ausgerichtet,“ sagte Schönborn. „Das soll auch anderswo weitergehen. Eine Gemeinde besteht nicht aus Steinen, sondern aus Menschen.“ Man müsse auch sehen, dass es heute in Österreich rund eine halbe Million orthodoxer und orientalisch-orthodoxer Christen gibt, die dringend Gotteshäuser brauchen, erinnerte der Wiener Erzbischof.

Aber auch nach dem Besuch kann Pfarrer Tadeusz die Argumente nicht nachvollziehen. „Wenn der Kardinal Geld sparen will, dann sollte er eine andere Kirche für die Schenkung nehmen. Das war auch das Anliegen der Serben. Sie wollten eine Kirche, die von den Katholiken nicht mehr genutzt wird. Das ist hier in meiner Pfarre nicht der Fall. Diese Kirche ist erstens nicht so alt, wie andere, weil sie erst 53 Jahre alt ist. Sie ist im guten bautechnischen Zustand. Die Betriebskosten, kann ich versichern, sind kleiner als bei anderen älteren Kirchen. Und diese Kirche ist nicht renovierungsbedürftig.“

Der kroatische Pfarrer Zeljko versteht den Frust seines polnischen Kollegen. Obwohl die kroatischen Franziskaner auf der Gehaltsliste der Erzdiözese Wien stehen, zahlt seine kroatische Gemeinde durch Spenden die Erhaltungskosten am Hof. Genauso würden es die Polen machen, wenn man ihnen die Chance geben würde. Geld wäre das geringste Problem dieser Leute, glaubt Pfarrer Zeljko. Sie würden schon dafür aufkommen, so wie die Kroaten, damit sie weiter ihre Kirche besuchen können. „Die österreichische Kirche benimmt sich zu den gläubigen Polen, wie eine Stiefmutter. Als katholischer Migrant hat man es in diesem Land wirklich schwer. Solange man gibt, ist es gut. Wenn man nehmen will, gibt es Probleme“ sagt Pfarrer Zeljko.

 

INFO-BOX:

Bleibt des Kardinals Kirche leer, eilen Migrantenschäfchen zur Hilfe daher! Und bald auch die serbisch-orthodoxen Christen.

Liest du, wo Migranten die Wiener Kirchen mit Leben füllen:

Messzeiten der katholischen Migranten-Communities unter Info mit scharf

 

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Kommentare

 

die polen retten das abendland. gut so.

 

ist eigentlich die kirche auf der wattgasse auch so überfüllt...die finde ich irgendwie netter...vom gebäude her?

 

super geschichte :-)

 

:-D

...die polen stehlen abendland... :-D

 

Es ist traurig wie die katholische kirche über die pfarrgemeinde-mitglieder drüberfährt.

 

++

toller Artikel

 

tussi kniet... und wartet auf das fleisch christi...

ABB

 

....typisch abu auhauau

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