Sie bringt das Geld nachhause

23. Februar 2015

Sie sind jung, weiblich, verheiratet und bringen das Geld nach Hause. Immer mehr Migrantinnen heiraten Männer aus der alten Heimat und müssen in Österreich voerst die Rolle der Alleinverdienerin übernehmen.

Wenn Zehra* von der Arbeit nach Hause kommt, wartet dort ihr Ehemann auf sie. Manchmal hat er die Wohnung aufgeräumt und etwas zum Abendessen gekocht, ein anderes Mal hat er acht Stunden lang PlayStation gespielt. In dem Fall wird Zehra wütend und schreit ihren Mann an: „Ich gehe jeden Tag zur Arbeit, bringe das Geld nach Hause und du sitzt hier einfach nur rum und machst nichts. Was ist so schwer daran, die Küche zu putzen?“

Ehe bedeutet Arbeit

Zehra und Ömer* sind seit sieben Monaten verheiratet. Sie haben sich vor fünf Jahren an der Uni kennengelernt, mittlerweile haben beide das Studium auf Eis gelegt, denn sie brauchen Geld. Ömer ist türkischer Staatsbürger, er besitzt nur ein Studentenvisum. Für eine Familienzusammenführung müssen beide zusammen mindestens 1.286,03€ netto verdienen. Ömer spricht nicht gut genug Deutsch, um einen Arbeitsplatz zu bekommen, also muss Zehra das Mindesteinkommen selbst zusammenbringen.

Immer mehr Migrantinnen heiraten einen Mann aus der Heimat. Bei manchen wird aus der Heimaturlaubsliebe mehr, andere lernen ihren Gatten als Auslandsstudenten an der Uni kennen. Dass eine Ehe Arbeit bedeutet, wissen die meisten, wie viel Arbeit eine Ehe mit einem Nicht-EU-Bürger bedeutet, ahnt kaum einer.

„Zuerst musste ich eine Wohnung und eine Arbeit finden, bei der ich mindestens 1300€ verdiene. Ich habe ein halbes Jahr eine Wohnung gesucht, die wir uns leisten können“, erzählt Alma*. Die 27-Jährige hat ihren Edin* vor einem halben Jahr in Bosnien geheiratet. Nach der Hochzeit mussten sich die beiden trennen: Alma ging nach Wien um eine Wohnung zu suchen. „Ich bekam eine Absage nach der anderen. Makler sagten mir, die Miete dürfte nicht mehr als ein Drittel meines Gehalts ausmachen. Die Vermieter wollten kein junges Ehepaar, von denen einer arbeitslos ist und kein Deutsch kann“, sagt Alma. Als sie schließlich eine Wohnung hatte und Edin herkam, ging der Stress erst richtig los: Unzählige Formulare, Gesetze und Fristen. Alma musste sich jedes Mal Urlaub nehmen um mit Edin die Behördengänge zu erledigen, da er kein Deutsch kann. „Während ich auf der Arbeit war, konnte er nicht einmal alleine Möbel für unsere Wohnung kaufen. Ohne Deutschkenntnisse funktioniert nichts“, weiß Alma.

Neue Rollen

Um nach Österreich kommen zu dürfen, musste Edin in der Sprachschule in Bosnien das A1-Niveau für Deutsch erreichen. Damit kann er gerade einmal „Ich heiße Edin“, sagen. Auf Alma liegt eine große Last: Sie muss sich und ihren Mann finanziell versorgen, mit ihm Deutsch lernen, jeden Behördengang erledigen, ständig dolmetschen. Sie muss ihren Mann zum Arzt begleiten und zur Handyvertragsanmeldung. Aber sie kennt das alles schon, denn früher hat sie immer für ihre Eltern, die als Gastarbeiter nach Wien kamen, übersetzen müssen, jetzt muss sie dasselbe für ihren Mann leisten. „Ich fühle mich in meiner Rolle überfordert. Von meinen Eltern kenne ich es, dass der Mann das meiste Geld nachhause bringt und sich kümmert, bei uns sind die Rollen vertauscht, darauf war ich nicht vorbereitet“, sagt die 27-Jährige.

Flitterwochen im Magistrat

Doch nicht nur die Frauen, auch die Männer leiden unter ihrer Ohnmacht. Edin hat ein abgeschlossenes Studium in Bosnien, in Wien wird es ihm nicht anerkannt, hier ist er arbeitslos. „Noch bin ich als Tourist gemeldet und darf nicht arbeiten. Aber auch wenn das mit der Familienzusammenführung durch ist, wer nimmt mich schon mit meinem gebrochenen Deutsch?“, sagt der 27-Jährige. Er kümmert sich jetzt eben um den Haushalt, fährt Alma zur Arbeit und bügelt ihre Kleidung für den nächsten Tag.                                                                     

Neben seinem Beruf, vermisst er auch seine eigenen sozialen Kontakte. Seine Familie und seine ganzen Freunde sind in Bosnien, in Wien kennt er außer seiner Frau niemanden. „Ich fühle mich wieder wie ein Kind, wenn ich an ihr klebe und mich meine Frau überall hin begleiten muss.“  Auch Alma trifft sich kaum alleine mit ihren alten Freundinnen, sie hat ein schlechtes Gewissen Edin gegenüber: „Während ich arbeite, ist er die ganze Zeit alleine daheim. Da will ich ihn in meiner Freizeit nicht auch noch alleine lassen“, sagt sie.

Die beiden Paare können ihr junges Glück so nicht genießen. Statt für Flitterwochen, gehen die Urlaubstage für Magistratswege drauf. Sie wünschen sich, dass die Familienzusammenführung in Österreich leichter wäre: „Keiner kennt sich aus, wir werden von einem Amt zum nächsten verwiesen“, klagt Zehra. „Nur weil Edin kein EU-Staatsbürger ist, wird ihm sein Studium hier nicht anerkannt, das ist ungerecht“, sagt Alma

Aber die beiden Frauen werden für ihre Männer weiterkämpfen. Sie sind für einander da, in guten wie in schlechten Zeiten.

*Namen von der Redaktion geändert

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Kommentare

 

sowas muss irrsinnig belastend für eine junge ehe sein. ist aber auch gleichzeitig eine art "test", ob die beziehug auch wirklich in schlechten zeiten durchhält.

 

super Blog

 

Es ist ja so schon schwierig genug, als junges Paar über die Runden zu kommen.
Wer dann noch den Partner zu 100% unterstützen muss und wegen der dadurch verloren gehenden Urlaubstage etc. niemals zur Ruhe kommt - bekommt ein großes Hut ab! von mir.
Und ein: Achtung vor dem Burn Out!
Ich hoffe für die beiden, dass es besser wird.

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