Österreich erkennt Völkermord an Armeniern an

21. April 2015

Am 24. April ist der hundertste Jahrestag des Genozids an den Armeniern. Lange Zeit hat sich Österreich geweigert ihn anzuerkennen. Heute hat der Nationalrat zum ersten Mal eine Erklärung verabschiedet, in dem der Massenmord im Osmanischen Reich als „Völkermord“ bezeichnet wird.

 

Völkermord Armenier
Quelle: fischundfleisch.com

Alle sechs Nationalratsfraktionen waren sich in diesem Fall einig, den vor hundert Jahren begangenen Massenmord an den Armeniern im Osmanischen Reich als Genozid zu verurteilen. Sie verwiesen auf die eigene historische Verantwortung. Die Habsburger-Monarchie war im ersten Weltkrieg Verbündeter des Osmanischen Reiches. Es sei Österreich Pflicht, die schrecklichen Geschehnisse als Genozid anzuerkennen und zu verurteilen, heißt es in dem Papier. Gleichzeitig fordert der Nationalrat die Türkei dazu auf, die Vergangenheit aufzuarbeiten und den Völkermord als solchen zu akzeptieren. Bislang hatte Österreich, aus Rücksicht zu den Beziehungen mit der Türkei, es vermieden von einem Völkermord zu sprechen.

Papst verurteilt den Völkermord

Die Diskussion über den Völkermord war zuletzt wieder in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Während einer Messe im Vatikan zum Gedenken an die Opfer, verurteilte Papst Franziskus die Ereignisse von vor hundert Jahren scharf. Zudem forderte er die Anerkennung des Völkermords durch die Türkei. Ankara holte daraufhin den sein Botschafter im Vatikan zurück.

Öffentliche Entschuldigung aber keine Anerkennung

In der Vergangenheit haben sich Präsident Recep Tayyip Erdoğan und Premierminister Davutoğlu zwar für das Verbrechen entschuldigt, erkennen die Ereignisse jedoch nicht als Völkermord an. Immer wieder drohten sie in der Vergangenheit anderen Staaten mit einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen, falls diese den Genozid öffentlich verurteilen.

Der armenische Botschafter in Österreich, Arman Kirakossian, zeigte sich erfreut über das Vorgehen Österreichs in dieser Frage. In einem Interview mit Biber erklärte Kirakossian, dass die armenische Regierung nicht darauf aus sei, einen Konflikt mit der Türkei zu schüren. Viel mehr erwarte man ein Entgegenkommen der türkischen Regierung etwas anzuerkennen, das historisch unwiderlegbar sei. 

Hintergrund                                                                                                     

2015 jährt sich der Völkermord an den Armeniern zum hundertsten Mal, die als erste größte Katastrophe im 20. Jahrhundert gilt. Am 24. April 1915 begann das „Komitee für Einheit und Fortschritt, eine Organisation unter Verantwortung der „Jungtürken“, die armenische Elite in Konstantinopel (im heutigen Istanbul) zu verhaften. Im Laufe des Jahres wurden armenische Soldaten der osmanischen Armee entwaffnet und hingerichtet. Die Osmanische Führung rund um Enver Pascha, Talat Pascha und Cemal Pascha beschuldigten die Armenier als Saboteure und machten sie für Niederlagen der Armee verantwortlich. Die armenische Zivilbevölkerung wurde in den nächstgelegenen Großstädten gesammelt, direkt ermordet oder auf Todesmärschen Richtung Aleppo im heutigen Syrien geschickt. Schätzungen zu Folge starben während des Massenmordes bis zu 1,5 Millionen Menschen. Alljährlich gedenken am 24. April Armenier auf der ganzen Welt den Völkermord, der in ihrer Sprache als „Aghet“ (deutsch: die Katastrophe) bezeichnet wird.

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Kommentare

 

Da gab es scheinbar so eine beleidigte Erklärung türkischer Vereine (siehe unten). Wer sind denn diese türkischen Vereine eigentlich, die da so brav Männchen machen?

"Eine Plattform türkischer Vereine in Österreich veröffentlichte dazu eine Erklärung, die vor Ignoranz und Chauvinismus nur so strotzt. Die in Österreich lebenden türkischstämmigen Menschen seien durch diese Feststellung historischer Tatsachen "gekränkt".

Aus dem Text spricht ein dumpfer Nationalismus, getragen von Ressentiments und einer Überheblichkeit, die schwer erträglich ist. Man möge sich bloß nicht einmischen, lautet unverhohlen die Botschaft. Und schließlich hätten auch die Armenier keine Erklärung abgegeben, in der sie den Tod unzähliger türkischer Zivilisten bedauern, heißt es in dem Brief an den Nationalrat.

So pflegt man Hass und Vorurteile, so schreibt man eine Geschichte von Feindschaft und Vergeltung fort. Den Respekt und die Gerechtigkeit, die die Unterzeichner dieser Erklärung so wehleidig für sich einfordern, sind sie nicht in der Lage, anderen gegenüber entgegenzubringen. Das ist eine Unkultur, die auf Konflikt setzt statt auf Lösung, auf Eskalation statt auf Versöhnung. Das lässt auch für die Zukunft nichts Gutes erwarten, wenn man etwa an den Umgang mit der kurdischen Volksgruppe in der Türkei denkt.

Umso wichtiger war es, dass auch das österreichische Parlament am Mittwoch klare Worte fand, den Völkermord als solchen benannte und die Verantwortung der Türkei einmahnte, sich der Aufarbeitung ihrer dunklen Kapitel der Vergangenheit zu stellen. (Michael Völker, DER STANDARD, 23.4.2015)"

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