Österreichisch auf Papier, Türkisch im Herzen?

28. Mai 2014

Viele Türken in Österreich haben neben der österreichischen auch die türkische Staatsbürgerschaft. Das hat pragmatische Gründe. Der Vorwurf, die betroffenen Doppelbürger würden damit dem österreichischen Staat schaden ist lächerlich und auch längst nicht mehr zeitgemäß. Ein Kommentar von Dudu Gencel. 

 

Doppelstaatsbürgerschaften sind bis auf wenige Ausnahmen in Österreich verboten. Wie es trotzdem geht, dass zehntausende eingebürgerte Neo-Österreicher zusätzlich auch die türkische Staatsbürgerschaft besitzen? Die Presse deckt nun auf und berichtet wie man sowohl türkisch als auch österreichisch zugleich sein kann. Das österreichische Außenministerium drückt ein Auge zu. Denjenigen, die trotzdem auffliegen, wird aber auch zugleich die neugewonnene österreichische Identität aberkannt!  Viele riskieren es anscheinend dennoch, werden auch noch vom Konsulat dazu ermuntert, so der Bericht. Ist mit dieser Praxis nun untermauert, was bei jeder Integrationsdebatte immer aufkommt: Bekennen wir Türken uns nicht stark genug zu Österreich? In einem Hin und Her zwischen den Ländern und zwischen ihren Staatsbürgerschaften, versuchen sich die Türken also auf illegalen Wegen an beiden Ländern zu bereichern, so lese ich zwischen den Zeilen. Dass man dabei die Identitätsfrage an der Staatsbürgerschaft festmacht, erleichtert mich. Somit kann ich mir meine innere Zerrissenheit sparen. Resultat: Türkisch durch und durch – zumindest auf Papier.

 

Dann gibt es aber auch die ältere Generation. Auf Papier österreichisch - im Herzen türkisch. Gerade diese ist sehr stolz auf ihre österreichische Staatsbürgerschaft, möchte aber genauso wenig auf ihre hart erarbeitete Existenz in der Türkei verzichten. Für sie ist die österreichische Staatsbürgerschaft auch eine Geste der Akzeptanz! Die jüngere Generation hingehen, beschäftigt sich eher weniger bis gar nicht mit diesen Fragen. Für sie ist ihr österreichischer Pass eine Selbstverständlichkeit und steht auch in keinerlei Konflikt mit ihrer emotionalen Verbundenheit zur Türkei.  Sie arbeiten hier, urlauben aber lieber in Bodrum. Sie sprechen Deutsch, fernsehen lieber auf Türkisch. Deutsch sprechen,  Türkisch fühlen – das wird gelebt! Dieses Zwischen-den-Stühlen-Sitzen – ist ein Gefühlszustand, der sich durch das ganze Leben zieht. Kann auch nicht mit dem Pass abgegeben werden.  Die Forderung diese „gespaltene“ Existenz auch auf legaler Ebene zu ermöglichen, ist doch vor allem in Zeiten globaler Mobilität, mehr als gerechtfertigt. Wenn die FPÖ für die SüdtirolerInnen eine Doppelte Staatsbürgerschaft fordert, um „die Verbundenheit mit dem Heimatland Österreich, besser zum Ausdruck bringen zu können.“, stellt sich wohl keinem Österreich die Frage nach der Integrationsbereitschaft. Die Verbundenheit zum Heimatland Österreich soll erhalten bleiben. Alle anderen sollen aber gefälligst ihrer alten Heimat vollständig den Rücken kehren. Sonst läuft man Gefahr die Integration zu unterbinden.

 

Dass das Wohlfühlen in einer Gesellschaft in keinerlei Konflikt mit der Verbundenheit zu einem anderen Teil dieser Welt steht, will man nicht glauben. Es ist schwer zu verstehen, dass man weder seine persönliche Vergangenheit, noch den prägenden Einfluss der Familie nicht einfach so löschen kann. Gastarbeiter und ihre Nachfahren existieren nun mal zwischen den Grenzen und nicht innerhalb. Wenn es die Möglichkeit gibt, diese zwei Existenzen mit möglichst wenig bürokratischem Aufwand aufrecht zu erhalten, nimmt man diese auch in Anspruch – ohne sich mit essentiellen Identitätsfragen zu beschäftigen – ist für viele eher eine Frage der Pragmatik. Wenn dies mit „illegalen Tricks“ geschieht, sollte man sich eher die Frage stellen, wieso es dieser bedarf. Ich kenne tatsächlich keinen einzigen Auslandstürken, der sich nur aufgrund seiner Staatsbürgerschaft türkischer oder österreichischer fühlt. Ich kenne niemanden der seine Zugehörigkeit nach der Verleihung anders definiert hätte. Entweder man war schon immer „ÖsterreicherIn“ oder man ist es „noch“ immer nicht! Oder aber man ist halt ein/e Zwischen-den-Stühlen-SitzerIn, so wie ich eine bin. Wir scheitern gewiss nicht am „Doppelpass“, sondern viel eher an der Doppelmoral, mit der in Österreich diese Art der Debatten immerzu geführt werden!

 

 

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