Beziehungsstatus: Nicht befreundet

08. Oktober 2014

Ja, es gibt sie wirklich. Manche Menschen entscheiden sich gegen eine Facebook-Freundschaft mit ihrem Partner. Sie teilen ihr Bett, ihren Alltag und ihre Zukunft. Aber bei Facebook hört die Liebe auf.

 

Alexandra Stanic und Marko Mestrovic (Fotos)

 

Victoria und Alen sind seit 10 Monaten zusammen. Sie sehen sich mehrmals die Woche, gestalten ihren Urlaub zu zweit und planen eine gemeinsame Zukunft. Bei einem Thema hört das Miteinander allerdings auf: Facebook. Mit ihm auf Facebook befreundet sein? Nie und nimmer, stellt Victoria von Anfang an klar. Die Studentin und Kindergärtnerin will sich nicht rechtfertigen müssen, wenn eine männliche Bekanntschaft ihr Foto kommentiert oder wenn immer die gleichen gut aussehenden Typen ihre Fotos liken. Ich kann nichts dafür, dass ihnen all meine Fotos gefallen, sagt die hübsche 23-Jährige lachend. Aber ich weiß genau, dass es für Alen verdächtig wirken könnte!

 

 

Die Tücken des Internets

 

Victoria geht es aber nicht nur um einseitige Eifersucht. Auch sie will sich selbst davor bewahren, in einen Strudel aus Misstrauen, unnötigen Streitereien und nicht gerechtfertigten Vorwürfen zu geraten. Ich würde mich ständig fragen, ob er online ist und wenn ja, warum er mir nicht schreibt, gesteht sie. Außerdem wirkt es irgendwie unsexy, wenn ein Mann nichts Besseres zu tun hat, als dauernd auf Facebook rumzuhängen. Victoria ist sicher, dass sie Alen ständig kontrollieren würde. Ich würde immer wieder checken, was das für Frauen sind, die seine Posts kommentieren oder liken, so die Studentin. Auf diese Weise erspare ich mir einfach den unnötigen Stress.

 

Facebook kann tatsächlich schnell zum Stressfaktor und Beziehungskiller werden. Fragen wie: Wer ist denn das Mädchen, mit dem mein Freund seit kurzem befreundet ist? Oder: Wieso ist meine Freundin in einer Bar markiert, obwohl sie mir gesagt hat, dass sie Kopfweh hat? Liebesbeziehungen können dadurch schnell ins Wanken geraten und Facebook wird schnell zum Kontrollorgan umfunktioniert. Immerhin weiß man dank der Website, mit wem der Partner unterwegs ist, von wo aus er Privatnachrichten schreibt, um welche Uhrzeit er zuletzt online war und auf welchen Fotos er markiert wurde.

 

Alen, Victorias Freund, findet ihr gemeinsames Abkommen sinnvoll. Er will nicht mit Victoria befreundet sein. Einmal hat er ihr erzählt, dass ihm oft Frauen aus seinen früheren Zeiten als Single schreiben, obwohl sie wissen, dass er vergeben ist. Sie wollen einfach testen, ob noch etwas gehen würde, so der 25-Jährige. Dadurch, dass er ihr von solchen Nachrichten erzählt, vertraut Victoria ihm. Ich glaube nicht, dass er Facebook nutzt, um andere Frauen kennenzulernen.

 

 

 

Der Exklusivität wegen

 

Auch Martin bevorzugt es, seine Freundin nicht zu seinen virtuellen Freunden zu zählen. Der 37-jährige Wiener ist seit sechs Monaten in einer Beziehung. Martin ist gar nicht sein richtiger Name, der wurde von der Redaktion geändert. Denn so sehr er die Privatsphäre seiner Beziehung auf Facebook bewahrt, so wichtig ist ihm auch die Anonymität seines Namens.

 

Die Frischverliebten sind jeder für sich ziemlich Facebook-aktiv und haben mehrere 100 Freunde. Der Hauptgrund, warum Martin seine Freundin nicht auf Facebook sehen will, ist, dass er seine Beziehung exklusiv halten will. Die Dinge, die ich mit Facebook teile, erzähle ich meiner Freundin lieber, wenn wir uns beim Abendessen gegenübersitzen, so Martin. Außerdem vermisse ich sie mehr, wenn ich nicht ständig mit ihr auf Facebook chatte oder ihre Fotos durchblättere.

 

Ihm geht es jedoch nicht nur darum, die Exklusivität der Beziehung zu bewahren. So wie Victoria erspart er sich auch eventuelle Eifersuchtsszenen: Eine hübsche Kollegin kommentiert sein Profilbild? Die Ex hat noch ein gemeinsames Foto? War nie der Rede wert. Sagen wir so: Wir haben gar keine Chance, eifersüchtig zu werden, denn wenn was passiert, weiß mans nicht!, bringt er seine Einstellung zur Social-Media Welt auf den Punkt.

 

 

Komplikationen? Bitte nicht!

 

Dann gibt es noch Menschen wie Ana-Maria Huber, die eigentlich nur eine unkomplizierte Beziehung führen und sie nicht vor anderen präsentieren wollen. Deswegen ist die 28-Jährige auch nicht mit ihrem Liebsten befreundet. Ihr Verhältnis ist einem One-Night-Stand zu verdanken. Dadurch kam es nie dazu im Vorhinein Freundschaftsanfragen zu verschicken. Heute führen sie eine ernste Beziehung. Nach ein paar Monaten haben die beiden nur einmal über Facebook geredet. Ana-Maria hat beiläufig gefragt, ob er denn mit ihr befreundet sein wolle. Seine Antwort war: Ist mir egal, wie du willst.

 

Facebook nutze er eigentlich nur, um Nachrichten an Freunde zu schicken, falls er mal wieder einen über den Durst getrunken und sein Handy verloren hat. Auch Ana-Maria gehört nicht zu den aktivsten FB-Mitgliedern. Sie legt wenig Wert auf Selbstdarstellung, dafür ist ihr vor allem eins wichtig: Unkompliziertheit. Ich zeige nicht einmal meinen Beziehungsstatus an, so die gebürtige Rumänin.

 

Zwei Seelen, ein Facebook-Profil

 

Ana-Maria denkt noch nicht einmal darüber nach, ihren Beziehungsstatus auf In einer Beziehung umzuändern, geschweige denn zu verraten, mit wem sie zusammen ist. Denn besonders viel Information geben die Paare preis, die das Profil des Partners verlinken. So kann man mit einem Klick sehen, wer das Herzblatt ist.

 

Facebook bringt unsere zwischenmenschlichen Beziehungen auf eine andere Ebene. Das Mitteilungsbedürfnis von ehemals privaten Momenten ist gestiegen. Bussi-Fotos, Liebesromane auf der Pinnwand und Markierungen in schicken Romantik-Hotels sind Alltag geworden. Eine intime Beziehung öffentlich zu führen ist aber kein Kinderspiel. Oder verlieren wir wegen Facebook etwa das Können, Privates von Öffentlichem zu trennen?

 

Wer ganz auf die eigene Privatsphäre verzichten will, treibt es auf die Spitze und verzichtet auf separate Profile und führt stattdessen ein gemeinsames Profil ein. Von einem Profilbild bis zu einem gemeinsamen Geburtstag ist alles dabei. Das ist das höchste Niveau der Liebes-Symbiose. Inklusive Gespött von Freunden und Verwirrung, mit wem man denn nun chattet. Oft machen das Ehepaare, bei der die (Haus)frau die führende Kraft in der Facebook-Aktivität ist, aber auch junge, besonders besitzergreifende Pärchen haben sich diesem Trend angeschlossen. Da passiert es schon mal, dass auf der gemeinsamen Pinnwand eine Art Selbstgespräch entsteht. Mit vielen Herzen und Liebesgeständnissen versteht sich.

 

 

„Wen interessiert Facebook schon?“

 

Für solche Beziehungen hat Victoria kein Verständnis. Nach ihrem Studium wollen Alen und sie zusammenziehen. Sie werden eine gemeinsame Wohnung haben, ihre Finanzen nacheinander richten und einen großen Schritt in ihrer Beziehung tun. Aber Freunde auf Facebook werden sie nie. So viel Freiheit wollen sie sich lassen. 

Bereich: 

Das könnte dich auch interessieren

Foto: Zoe Opratko
Das Ende von biber ist auch das Ende...
Foto: Moritz Schell
Kein Geld, keine Redaktion, aber eine...
Screenshot: Stadt Wien
Die Stadt Wien und der Bezirk Neubau...

Anmelden & Mitreden

4 + 10 =
Bitte löse die Rechnung