Das Kopftuch in Wien - Aufregung um die Köpfe der Frauen

17. Juli 2012

Das Kopftuch ist gerade eines der umstrittensten und emotionalsten Themen in den österreichischen Medien, wenn es um den Islam geht.

Das Stück Stoff wird mit der Unterdrückung der Frau gleichgesetzt und als Zeichen der patriarchalen Gewalt gedeutet. Doch wieviel davon ist wahr? In den Medien wird stets über die Frauen gesprochen, doch selten mit ihnen bzw. habe ich noch keinen öffentlichen Beitrag einer kopftuchtragenden Frau gelesen oder gehört.

 

Ich bin der Auffassung, dass man das Kopftuch nicht einer Bedeutung unterordnen kann. Unter jedem Tuch steckt ein Stück Geschichte, Identität und Charakter. Ich habe Frauen gesehen, die stark geschminkt mit Leopardenkopftuch und enger, langer Kleidung selbstbewusst durch Wien spazieren. Genauso sah ich ältere Frauen, die in langer weiter Kleidung im Bus saßen, ebenfalls mit einem schicken Leopardentuch. Natürlich fallen mir oft auch diejenigen auf, die in faden übergroßen Stoffbergen fast verschwinden. Sind die nun alle unterdrückt?

Ich habe mit meinem afghanischen Lebensgefährten oft darüber diskutiert, genauso habe ich einige meiner kopftuchtragenden Freundinnen gefragt. Die Antworten waren unterschiedlich. Einige tragen es wegen ihrer Religion (man kann jetzt über die [zeitgemäße] Koranauslegung streiten), ihrer Kultur, Tradition, Eltern, FreundInnen oder Abgrenzung zur österreichischen Mehrheitsgesellschaft. Die Gründe sind vielfältig. Lassen wir doch die "Unterdrückten" selbst zu Wort kommen. Warum glauben wir es besser zu wissen, als diejenigen um deren Köpfe es geht?

 

Es ist unfair, alle Frauen in einen Topf zu werfen und ihnen die Opferrolle überzustülpen. Warum tun wir das? Was erhoffen wir uns davon? Es ist wichtig einen sachlichen Dialog anzufangen und die Frauen selbst sprechen zu lassen.

Wir sollten uns selbst auch fragen, wieso wir das Kopftuch so stark emotionalisieren. Fühlen wir uns davon bedroht, weil es unserer sexualisierten Welt widerspricht?

Wenn das Kopftuch für das Patriarchat steht, für was steht dann der Minirock, die tiefausgeschnittenen T-Shirts und die Unterwäschewerbung? Beides kann Freiheit sowie Unterdrückung bedeuten. Irgendwann kommt der Punkt, wo einem die eigenen Gründe für Kopftuch und zB Highheels nicht mehr selbst klar sind.

 

Spätestens seit der Gastarbeiterperiode leben MuslimInnen öffentlich sichtbar in Österreich. Beginnen wir doch endlich miteinander anstatt nebeneinander zu leben. Reden wir miteinander statt übereinander.

Also: Liebe Muslimas, nützt zB diesen Blog, um gehört zu werden. Nehmt die Diskussion über euch in die Hand und bestimmt die Themen.

Kommentare

 

ich denke, es ist einfach für viele westliche Frauen schier unverständlich, warum eine Frau sich Gesetzen von Männer beugen sollte und sich verhüllen sollte - weil uns das eben so fremd erscheint. Und Fremdes macht einem meist Angst. Du hast jedoch vollkommen Recht, wenn du sagst, dass man nicht alle in einen Topf werfen kann.

Es ist aber dennoch paradox, dass einige Frauen Jahrhunderte lang geschlagen und ermordet worden sind, weil sie für die Freiheitsrechte von Frauen gekämpft haben ... damit einige dann darum kämpfen, sich verhüllen zu dürfen. 

P.S.: Kopftuch in Verbindung mit enger Kleidung, die die Kurven ordentlich betont ist doch echt ein Widerspruch, findest du nicht ? :) 

 

Würde mich statistisch interessieren, ob das Kopftuch mehr Männer oder Frauen stört.

 

Ich denke dieser Kampf sich zu verhüllen ist eine Art Trotzreaktion auf den europäischen Umgang mit MigrantInnen.

Wenn man im Vorhinein, ohne mit den Betroffenen geredet zu haben, diese stigmatisiert und ablehnt, kann kein Dialog entstehen.

Ist das nicht ähnlich wie bei der Beschneidungsdebatte in Köln, dass sich Unbeschnitte lautstarkt über die Brutalität der Beschneidung mokieren, doch die, die es wirklich betrifft verstehen die Aufregung nicht und nehmen sich nicht als verstümmelt oder sonst was wahr. Ist es richtig, Muslimas mit Kopftuch ihr Selbstbewusstsein und ihre Eigenständigkeit abzusprechen?

 

Ich bin der Meinung, dass wir hier in Österreich ein rückständiges Bild des Islam generieren. Wir sehen nur was wir sehen wollen.

 

Muslimas mit enger Kleidung und Kopftuch interpretieren ihre Religion auf eine moderne und selbstbewusste Weise; sehr sympathisch :) Ist doch eigentlich ein Zeichen von Emanzipation und Selbstbestimmung, oder nicht?

 

@anelej: Ich glaube eines der Missverstaendnisse ist, dass es ein Gesetz der Maenner ist. :)

 

Beim einteilen von Frauen in gut und böse  anhand ihrer Kleidung sind Frauen mindestens genauso beteiligt. Konkurrenzvermeidung :)

 

@arved: Also in einigen muslimischen Ländern ist es ja Gesetz sich zu verhüllen und diese Gesetze kommen doch von Männern. Aber falls du meinst, dass Frauen eigentlich das größte Unheil anderer Frauen sind, dann sind wir uns einig :)

@Ulla Du, ich find auch, dass wir sie miteinbeziehen sollten - auf jeden Fall! Und dass mit der Beschneidung ist auch ein guter Vergleich. Es ist aber nun mal so, dass man gewisse Bilder im Kopf hat, ob man will oder nicht. Und die meisten Leute im Westen denken eben beim Islam gleich an saudiarabische Frauen, die gar nichts zu sagen haben, an Zwangsheirat und Ehrenmorde - was man ja leider auch nicht abstreiten kann, dass es sowas gibt. Und deshalb fühlen wahrscheinlich die emanzipierten (wie emanzpiert wir wirklich sind, ist ja ne andere Frage) westlichen Frauen sich fast dazu "verpflichtet" den "armen muslimischen Frauen" ihre Rechte wiederzugeben. Weißt, ich glaube nämlich nicht, dass da irgendeine böse Absicht dahintersteckt - es ist nun mal eine Welt so anders als die unsere, dass es vielen schwer fällt zu glauben, dass jemand ganz anders leben will als wir.

Und mich interessiert das Thema ja brennend, also habe ich natürlich viele Mädchen mit Kopftuch gefragt, warum sie es tragen - antworten: weil die Eltern (der Vater) es wollte(n) und damit sie sich somit halt zum Islam bekennen und damit sie sich vor den Blicken der Männer schützen oder so.

Und nach solchen Erklärungen bin ich dann entsetzt und verwirrt, wenn ich ein Mädchen mit Kopftuch und Minirock sehe - denn das ist dann irgendwie ein offensichtliches Zeichen, dass sie vielleicht doch lieber das Kopftuch lassen würde. 

 

Wäre froh, wenn sich ein paar Kopftuchträgerinnen zu Wort melden würden, deren Sichtweisen würden mich voll interessieren :)

 

ist das nicht arg, dass wir so lange nebeneinander (und wohl nicht miteinander) leben und nicht wissen, wie der Islam in Wirklichkeit und vor allem in Österreich ausschaut? Die Kinder und Jugendlichen gehen doch miteinander in die Schule, gibt es da keinen Austausch? Oder werden die Medien von Erwachsenen beherrscht, die einen ebensolchen Austausch (noch) nicht selbst erlebt haben, weil sie zu alt sind?

 

Ich glaube nicht, dass die Welt der MuslimInnen so anders als die unsere ist. Ich denke es wäre für alle einfacher, wenn wir die Gemeinsamkeiten betonen würden anstatt der Differenzen. Auf diese Weise weicht das Fremde dem Bekannten und die Berührungsängste werden abgebaut.

 

Kopftuch und Minirock finde ich nach wie vor genial. Ist so was wie Punkrock :D

 

ist das nicht arg, dass wir so lange nebeneinander (und wohl nicht miteinander) leben und nicht wissen, wie der Islam in Wirklichkeit und vor allem in Österreich ausschaut? Die Kinder und Jugendlichen gehen doch miteinander in die Schule, gibt es da keinen Austausch? Oder werden die Medien von Erwachsenen beherrscht, die einen ebensolchen Austausch (noch) nicht selbst erlebt haben, weil sie zu alt sind?

 

Ich glaube nicht, dass die Welt der MuslimInnen so anders als die unsere ist. Ich denke es wäre für alle einfacher, wenn wir die Gemeinsamkeiten betonen würden anstatt der Differenzen. Auf diese Weise weicht das Fremde dem Bekannten und die Berührungsängste werden abgebaut.

 

Kopftuch und Minirock finde ich nach wie vor genial. Ist so was wie Punkrock :D

 

Punkrock? Meiner Ansicht nach ist das ein Ausleben beider Idiotien zur gleichen Zeit...

 

das die Sache mit dem Kopftuch so läuft:

 

Eines Tages kommt der Imam (oder sonst ein "würdiger") zusammen mit den Eltern zu einem Mädchen und sagt: "Hallo Kleine! Ab heute darfst du ganz freiwillig entscheiden ob du ein Kopftuch tragen willst oder eine Mütze oder auch gar nix, außer es ist dir kalt am Kopf! Und jetzt liebes Mädchen wähle frei was es sein soll und vergiss nicht: wenn du deine Meinung änderst, dann darfst du auch das!"

 

Nein, sowas hab ich noch nie gehört. Ihr vielleicht?

BB

 

PS: wie kommt es dass wir ständig nur von Konvertitinen hören wie nicht freiwilligst ihr eigenes Kopftuch doch ist?

 

Ayaan Hirsi Ali sagt da was ganz anderes...

 

Interessanter Tonfall.

 

Warum regt das Kopftuch so auf? Geht es wirklich um die "Rechte" der Frauen oder steckt was anderes dahinter?

Stört das Kopftuch, weil es "Fremdheit" sichtbar macht, ähnlich den BettlerInnen auf der Straße, die uns stören, weil sie uns den sozioökonomischen Abstieg vor Augen halten?

 

Ich habe noch von keiner Selbsthilfegruppe kopftuchtragender Frauen gehört.

Das selbe trifft auf Frauen zu, die Miniröcke und Highheels tragen. Die sind beide unbequem und dennoch werden sie "freiwillig" getragen. Würden sie das auch tun, wenn es keine Männer gäbe?

Würden Frauen Koptuch tragen, wenn es keine Männer gäbe?

 

Wie auch immer, im Vordergrund der Interaktion zwischen Mehrheitsgesellschaft und kopftuchtragender Frauen sollte meiner Ansicht nach ein respektvolles Miteinander stehen.

 

Und ganz ehrlich: wenn man Frauen mit Kopftuch als ""Opfer ihrer Kultur" sieht, dann sollte man diese nicht auch noch runter machen und missachten, sondern ebenfalls einen Dialog anfangen. Man kommt also um das Reden nicht herum.

Meine Oma hat übrigens auch Kopftuch getragen. War und ist teilweise im Burgenland noch üblich. Und was ist eigentlich mit den Nonnen? Ist ja wieder gaaanz was anderes...

 

Vom Punkrock bist du jetzt schon abgewichen wie ich sehe...und eben: Frauen würden kein Kopftuch tragen, gäbe es keine Männer.

 

Für ein respektvolles Miteinander stehe ich genauso ein. Für einen Dialog auch. Aber wie du siehst diskutieren hier nur nicht Kopftuchtragende. Bringt also wieder nix. Und ich habe auch schon die Erfahrung gemacht, beim Fragen nach dem Warum?..., dass ich als fremdenfeindliche Ignorantin bezeichnet wurde. Der Dialog blieb hier also genauso aus...siehe den Blog von Userin wortscherben: http://www.dasbiber.at/content/kopftuch-aha-und

 

Damit meine ich nicht, dass kein Dialog möglich ist, aber halt nicht in diesem Rahmen...

 

Puh, hab mir den Blog von wortscherben durchgelesen, danke!

 

Ich finde es sehr wichtig zu fragen, unverschämt, dass man da gleich als RassistIn u.ä. beschimpft wird.

 

Ich habe nochmals intensiv über das Kopftuch nachgedacht und bin zu folgendem Ergebnis gekommen:

 

- Wenn man den Koran zeitgemäß liest, ist ein Kopftuch nicht mehr von Nöten, um den "Fängen der Männer" zu entkommen. Dafür gibt es den Rechtsstaat (und wenn die Männer so geil sind, wieso sperren wir nicht die ein oder setzen ihnen ein Kopftuch auf :D)

 

- Das Tuch hat mehrere Bedeutungen, nicht nur die religiöse

 

- wenn man das Kopftuch als Maßnahme zum Schutz vor den Männern liest, dann hat das etwas naives, geradezu lächerliches und ist mit dem Feminismus nicht kompatibel

 

- aus nichtgläubiger Sicht, ist das Kopftuch nervig (wenn man es als religiöses Symbol deutet). Mich stören zB auch Kruzifixe, die an Hälsen baumeln

 

So. Was tun? In einen Mädchenclub gehen und die Mädchen ausfragen? Wie regt man eine Diskussion von angesicht zu angesicht an, ohne der anderen aufs Kopftuch zu treten? ;)

Ich bin dafür, miteinander zu leben und durch Freundschaft mehr voneinander und den Motiven von Tuch, Dekollete usw zu erfahren. So kann man dann auch Fragen stellen, ohne als Spion/Spionin oder hochmotivierte/r SozialarbeiterIn wahrgenommen zu werden.

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