Dein Geschäft ist mein Geschäft

29. Oktober 2010

Was machen ein studiertes Ehepaar aus Bulgarien, ein cooler 28-jähriger und ein Herr im Anzug den ganzen Tag am Heisl?* Na, ihren Job. Die Wiener Klo-Chefs verdienen dabei mindestens so viel Respekt wie der Bundespräsident, doch während Ausländer brav zahlen, druckt sich so mancher Wiener sogar vor ein paar Cent fürs Kacken.

Von Ivana Martinovic, Anna Thalhammer und Reinhard Lang (Fotos)

*Wienerisch für Toilette, aber wer das noch nicht weiß, sollte schleunigst einen Wiener Integrationstest machen

Mittagspause am Heisl

Thomas, Österreicher, 28

Thomas ist eigentlich Raumpfleger – zumindest stand das in der Anzeige, auf die er sich bewarb. Welcher Raum, wurde erst bei seinem Anruf klar – die Toilette einer U-Bahnstation.
„Oba Oarbeit is Oarbeit. Irgendwos muas ma jo hakln, wenn i nix gscheits glernt hob“, sagt Thomas schulterzuckend. Erst eine Woche ist er jetzt im Geschäft, aber er kann schon viel erzählen. Denn das Klo, in dem er arbeitet, hat 24 Stunden geöffnet, ist aber nicht immer betreut. Wenn er am Morgen seinen Dienst antritt, kommt es schon mal vor, dass er Junkies und Obdachlose aus dem Klo holen muss, die in einer versperrten Kabine die Nacht verbracht haben. Fast immer findet er bei Schichtbeginn Chaos vor, das er sofort beseitigt.

„Und dann kommen die Leute, zahlen ihre 50 Cent und schau’n dich nicht mal an“, sagt Thomas. „Wos du bist, woher du kummst und wie die Hockn ausschaut, interessiert kan. Du muast nur schaun, dass ka Flankerl am Bodn liegt.“

 

Zählen und zahlen
Seine größte Sorge macht ihm aber sein eigenes Geld. Was viele Klobesucher nicht wissen, ist, dass an der Tür ein Zähler installiert ist. Wenn das Schloss in die Tür fällt, zählt es als Klogang, der mit 50 Cent bezahlt werden muss. Thomas kriegt von dem Geld nichts. Er bekommt seinen Lohn als Teilzeitkraft und das war’s. Und wenn wegen dem Zähler an der Tür zu wenig Geld in der Kassa ist, dann muss er aus eigener Tasche draufzahlen. Denn sonst denkt der Arbeitgeber, er hätte das Geld geklaut, was mit einer Kündigung bestraft wird. 15 Euro hat er in seiner ersten Woche schon gelöhnt.

„I muas jedem nochrennen, der do einakummt, damit sie beim außegehn, ned die Tür zuaknoin. Donn zöhlts glei zwa moi, vastehst. Und des sand donn meine 50 Cent, die i zoihn muas“, erklärt Thomas genervt.

Geputzt werden die Klos auch nur bei offener Tür, sonst dreht sich der Zähler auch weiter. Für Kinder ist der Klogang gratis. Und da regen sich die Eltern auf, wenn man verlangt die Klotür offenzulassen. Aber wie soll man ihnen sagen, dass der „Heislmann“ sonst selber draufzahlt. Thomas hat sich noch nicht getraut, sich bei der Firma zu beschweren, er braucht den Job. „Bei uns oarbeitn vülle Ausländer. Glabst, do sogt ana wos? Traut sich jo kana.“ meint Thomas.

Es ist angerichtet
Aus Leidenschaft macht er den Job bestimmt nicht, sagt Thomas. Vor allem die Mittagspausen, die eigentlich gar keine sind, findet er beschissen. Weit weggehen darf er nicht, weil das Klo aufgesperrt sein muss. „Wer tuat scho gern am Heisl diniern, sogn S’ ma des?“, beklagt er sich über seine Erholungszeit. Alles in Allem ist er dennoch zufrieden, weil er eine Arbeit hat. Und schließlich gibt’s bei jedem Job irgendetwas, worüber man sich ärgert.

Dipl. Ing. Heislputzer

Katerina und Andrej, Bulgarien, 46

 

Für alles im Leben muss man bezahlen, auch wenn man mal dringend muss. Das weiß das bulgarische Ehepaar Katerina und Andrej, dass das Klo im Museumsquartier betreut, schon lange. Jeden Tag laufen Hunderte Gäste an ihnen vorbei, werfen 50 Cent in ihre Kassa – meistens ohne den beiden ins Gesicht zu schauen. Dass vor ihnen eine ehemalige Schuldirektorin und ein gut ausgebildeter technischer Zeichner sitzen, wissen sie nicht. Katerina hat ein abgeschlossenes Studium als chemische Ingeneurin, fand aber in ihrer Branche keinen Job. Sie studierte Sozialpädagogik und schaffte es zur Direktorin eines Behindertenheimes in ihrer Heimatstadt Russe. Auch ihr Mann fand als technischer Zeichner keinen Job und arbeitete darum im selben Heim als Betreuer. Ein Direktorenlohn von 250 Euro reichte aber nicht, um die Kinder zu ernähren.

Und so begann eine typische Gastarbeitergeschichte von vielen: Die Kinder ließ man bei der Großmutter und die beiden zogen in ein fremdes Land, um sich dort mit Putzjobs finanziell abzusichern.

Gespart wird jeder Cent, so auch an der Wohnung. Als die beiden vor etwa einem Jahr nach Wien kamen, wohnten sie anfangs mit einem serbischen Ehepaar zusammen. Küchendusche und Klo am Gang wurden geteilt. Seit Kurzem sind sie stolze Mieter einer eigenen kleinen Wohnung samt Waschmaschine. Satte 390 Euro bezahlen sie für 23 Quadratmeter.

Fünfzig Zent, bitte!
Das Geschäft der beiden ist das „Geschäft“ der anderen – ein Job, der viel Ärger, aber auch Belustigung mit sich bringt. Tag ein Tag aus plagen sie sich mit Besuchern, die sich über die 50-Cent-Gebühr aufregen oder einfach die Zeche prellen. „Die meisten glauben, wir wirtschaften das in unsere eigene Tasche. Dabei bleiben uns nur 10%, also fünf Cent pro Besucher. Der Rest geht an die auftraggebende Firma“, sagt Andrej. Die Methoden, sich um die 50 Cent zu drücken, sind kreativ wie vielfältig: Manche versuchen sogar aus dem Fenster zu klettern, oder unter der Tür durchzukriechen.

Aber ab und zu gibt es auch ein saftiges Trinkgeld, vor allem von reichen Russen, die sich freuen, dass die beiden ihre Sprache sprechen. Und vor allem mit Exjugoslawen und Türken verstehen sich die zwei blendend. „Ausländer sind mir die liebsten“, meint Andrej, „weil die nie die Zeche prellen“. Nur einmal wollte ein junger Türke ohne Bezahlung rausgehen. Und auch da weiß Andrej, welcher Spruch zieht:
„Was bist du für ein Mann, wenn du nicht zahlst?“ Und gleich klimperte die Kassa, weil Männlichkeit eine Sache der Ehre sei.

Ab und zu kommt es auch vor, dass das stille Örtchen für Sex aufgesucht wird oder Leute in der Kabine einschlafen. Andrej und Katerina haben einiges erlebt und zeigen Verständnis. „Schließlich sind wir alle nur Menschen!“, meinen sie. Was auch immer die Leute außer Pissen und Kacken auch sonst am Klo sie tun – alle wollen sie eines: ein sauberes Heisl.

Und das hat nun mal seinen Preis, weil dort Menschen den ganzen Tag verbringen, um es sauber zu halten.

 

Leopold Hruska, Österreicher, 46

Der Herr Leo legt großen Wert auf Respekt und Manieren. Wenn er zur Arbeit geht, trägt er einen Anzug und polierte Schuhe.

Seit elf Jahren ist der 46-Jährige für den Wiener Sportklub tätig. Er hat seitdem kein Spiel versäumt und trotzdem kein einziges gesehen. Denn sein Arbeitsplatz ist bei den Toiletten unter der „Friedhofstribüne“, auf der die Fans des Klubs Platz nehmen. Zwei Stunden vor dem Spiel ist Herr Leo vor Ort, um alles für den Abend vorzubereiten. Er dreht das Wasser auf, kontrolliert und reinigt die Sanitäranlagen. Auf der Blumentischdecke baut er feinsäuberlich die von ihm persönlich gekauften Klopapierrollen und Papierhandtücher auf.

„Das ist mein Reich, das richt’ ich mir, wie ich will. Mir gefällt’s hier und für den Sportklub zu arbeiten, ist sowieso eine Ehre“, erzählt der eingefleischte Fan. „Dass ich das Spiel nicht sehe macht mir nix aus. Erstens bin ich nicht zum Vergnügen da und zweitens erkenne ich an der Akustik, wie es läuft. Ein langezogenes ,Uuuuuuhhhh bedeutet ,daneben’ und wütendes Gepfeife, dass der Gegner gefault hat. Ich sehe das Spiel in meiner Fantasie.“

 

Eine Schulter zum Ausweinen Neben Toiletten kümmert sich Herr Leo außerdem um enttäuschte Fanseelen. „Wenn die Burschen deprimiert auf die Toilette kommen, weil wir nicht so gut dabei sind, dann muntere ich sie auf. Dann sag’ ich: ,Geh so was hamma schon oft ghabt und immer hamma uns darappelt. Wirst sehen. Wir siegen.’ Das taugt mir so an meinem Job, dass mich auch immer wieder Leute einfach so besuchen und zum Ratschen kommen“, erzählt er. Die Sporklubfans lieben ihren Leo, er ist zur Legende geworden. Als er vor zwei Jahren ausnahmsweise zu einem Dienst bei einer anderen Tribüne eingeteilt wurde, gab’s auf der Bühne Radau. Die Fans forderten ihren Leo auf der Stelle zurück. Nie wieder startete jemand den Versuch ihn von seinem Platz zu vertreiben. „Ich werde hier geschätzt, darum liebe ich, was ich tue. Meine Gäste begegnen mir mit demselben Respekt wie ich ihnen. Bei mir haut keiner die Papierhandtücher absichtlich auf den Boden, die ich ihnen persönlich reiche. Allerdings muss ich schon auch sagen, dass das an der Sportklub-Mentalität liegt. Manchmal arbeite ich auch für Rapid, da sind schon so gfrastige Pubertierende dabei, die Zfleiß einen Dreck machen und einem dann ins G’sicht lachen“, empört sich der höfliche Wiener. „Eigentlich sollt ma ihnen eine runterhauen.“ Na, na Herr Leo. Bitte nicht die Contenance verlieren.

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Kommentare

 

ein super Häusl-Bericht!

 

im LOVIN IT! nie wieder werde ich die 50 cent unterschlagen! Ichschwör eh.

 

sonst komm ich und verhau dir mit dem häuslbesen den popo, damit du wieder manieren kriegst!

 

Super Beitag. Ur gut zu lesen. Und das nächste mal lass ich dem Klobewachern 2€ + den Biber dazu.

Noch nie hat jemand über das Geschäft mit dem Geschäft geschrieben. Einfach cool :)

Und Danke für die vielen Zustazinfos ich woltle immer schon wissen wieviele Tonnen KOt ich so produziere im Leben :o

 

großartiger Beitrag! :)

 

++

coole story!

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