Die Kinder der Krise

16. April 2013

Wirtschaftskrise. Politkrise. Arbeitskrise. Asylkrise. Parkplatzkrise. Lebenskrise. Formkrise. Krise überall. Diese Auswahl ist nur eine kleine private Sammlung meiner Lieblingskrisen.

 

Am Beginn der Wirtschaftskrise war es eine beliebte Meldung der deutschsprachigen Medienlandschaft, dass das Wort Krise im Japanischen aus zwei Zeichen besteht. Das sieht dann so aus:

 

Gefahr: 危険 Möglichkeit: 機会

 

Krise: 危機

 

Das interessante daran ist, dass man sich für dieses Wort jeweils ein Zeichen aus zwei anderen Begriffen, Gefahr und Möglichkeit, ausborgen muss, um es zu erschaffen. Folgt man dieser weltbewegenden Erkenntnis weiter, so muss man sich folgende Fragen stellen: Was sind die Gefahren? Was sind die Möglichkeiten?

 

Ich habe eigentlich wenig Lust, über Möglichkeiten zu schreiben. Scheint mir ein wenig ausgelutscht. Wer aber doch lieber etwas darüber lesen will, der gibt bitte bei Google einfach die Begriffe Krise und Möglichkeit ein. Er wird in Windeseile mit einem Haufen von Themen gefüttert. (wer es tatsächlich schafft, mit fallenden Kursen reich zu werden oder die Steuerharmonisierung in Deutschland nicht auf Kosten der sozial Schwächeren in Fahrt zu bringen, möge sich bitte bei mir melden).

Leider ist auch die Motivation, über Gefahren zu reden, ungefähr so hoch wie der Wunsch in die Politik zu gehen.

 

Wer so wie ich ein gewisses rebellisches Verständnis vom Menschen hat, der erwartet in Krisenzeiten als Reaktion eigentlich immer das Gegenteil von dem, was bisher war. Das Treiben in Österreich wurde in den vergangenen Jahren von Skandalen geprägt. Lobbyisten, fragwürdige Auftrags-Vergaben, Steuerhinterziehung, Aktienmanipulation. Sehr einfach ausgedrückt, lässt sich das alles auf ein Wort reduzieren: Korruption.

 

Meine Hoffnung in diesen nervigen Zeiten also war, dass aus der Krise ein Kind geboren wird, das was ändern will. Politfrust hat fetzige Begriffe wie „direkte Demokratie“ oder „Kodex für mehr Anstand in der Politik“ hervorgebracht, die aber am Wesen des Problems nichts geändert haben. Offen gesprochen, ich habe wirklich erwartet, dass sich dem Land neue Politiker anbieten werden, die keine rhetorischen Tricks brauchen oder sich selbst Benimmregeln auferlegen müssen, um seriös zu arbeiten.

 

Die Allgemeinheit ist meist nur am Rande ihrer Wahrnehmung für politische Dinge interessiert, Menschen aus Ex-Jugoslawien oder der Türkei sind es oft weniger als das. Worin sich aber alle hier, mich eingeschlossen, gleichen, ist die von Gott, Allah, oder von einem höheren Wesen wie dem Spaghettimonster gegebene Gabe des Raunzens.

Es ist nicht, wie man mir vorwerfen möge, ein blauäugiger und idealistischer Grund, der mich hoffen lässt, dass sich aus der Masse Neu-Politiker erheben werden.  Es ist einfach die 機会, Karriere zu machen und Erfolg zu haben.

 

Die Kindergartenlösung

 

Schreiende Politiker haben wir genug, sich windende Wiesel und gelassene Wendehälse ebenso. Die Nachkommenschaft unterscheidet sich maximal minimal von den etablierten Staatsdienern. Hie und da bieten sich meinen Tellerrand-Augen kleine Ausnahmen dar, bei denen ich aber das Problem der Parteilinie sehe. Parteien funktionieren nach bestimmten Systemen, sind selbst ein so großes System, sodass vereinzelte Quereinsteiger kaum etwas bewegen können. Es braucht eine Masse von Menschen, die aus selbstsüchtigen Gründen berühmt, bekannt und mächtig werden will, und das damit erreicht, indem sie Dinge anders macht als bisher.

Hier kommt wieder mein rebellisches Verständnis vom Menschen ins Spiel. Wir Wähler raunzen, weil wir unzufrieden sind. Unzufriedene sind im Normalfall leicht zu ködern, man muss ihnen nur Neues anbieten. Wenn mir jemand jetzt den einen oder anderen Namen aus der Politik nennt, auf den das aktuell zutrifft, kann ich nicht viel tun. Es gibt sie wohl vereinzelt. Was ich aber tun kann, ist, der genannten Person eine Bezeichnung zu geben: Vorreiter.

Vorreiter sind meist sehr einsam und sterben in einer (politischen) Schlacht als erste. Man nennt das Schlachtopfer. Später spricht man nur Gutes über sie und erhält die Erinnerung an sie wach.

Ich habe, wie man vielleicht merkt, meine Hoffnung auf baldige Besserung unserer Politik nicht aufgegeben, auch nicht gedämpft, sondern nur nach Hinten verlegt.

Die Kinder der Krise sind nicht wir, sondern jene, die tagtäglich eine fremde Frau „Tante“ nennen und pünktlich zu Mittag ein wohliges Schläfchen halten. In ein paar Jahren werden diese Kinder die Gabe entwickeln, Dinge wie Politik zu verstehen. Sie werden auch fähig sein, die Fehler der Vergangenheit zu erkennen und sich einen Platz in der Polit-Geschichte Österreichs zu sichern, indem sie das genaue Gegenteil ihrer Polit-Vorfahren tun werden. Mit Anstand regieren. Nicht weil sie gute Menschen sind oder uns, die raunzende Masse, glücklich sehen wollen. Sondern weil dies ihre Möglichkeit sein wird aus einer Krise Kapital zu schlagen und eine Karriere zu starten...

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