Dresscode für Flüchtlinge

13. Juli 2015

Das erste Mal stieß mir das Thema “Dresscode für Flüchtlinge” sauer auf, als ich eine Geschichte über einen Flüchtlingsjungen im biber brachte. Er gewann damals einen Redewettbewerb, erzählte dort über sein Leben, seine Flucht nach Österreich. Als die Story auch online erschien, war da plötzlich dieser Userkommentar zum Foto des Jungen. “Aber Hauptsache Markenklamotten!” Er trug beim Redewettbewerb einen Pulli von Ralph Lauren. Diesen trug er auch bei unserem Fotoshooting, als auch bei der Preisverleihung. Ein junger Mann, der sich wie jeder andere Mensch etwas Feines zum Anziehen heraussucht, wenn er auf besondere Anlässe eingeladen wird. Auch wenn es vielleicht das Einzige ist, was als besonderes Stück in seinem Kleiderschrank hängt. Auch wenn es vielleicht aus einer Kleiderspende war, ein Geschenk oder woher auch immer. Und auch wenn es gekauft worden ist. Na und? Bin ich eine Markensau, geht es mir zu gut, wenn ich mir um 20 Euro ein Poloshirt in Parndorf kaufe?

Aber ja! Die Erwartungshaltung dieses Users war wohl eine andere. Markenklamotten für Flüchtlinge verboten? Wie muss denn so ein Flüchtling ausschauen, damit man dem einen oder anderen Leser ein bisschen Mitleid herauskitzelt? Dreckig, zerlumpt, unrasiert, fahles Gesicht, ausgelaugt von der Flucht, auf ewig für das passende mediale Bild, damit keine Bild-Text-Schere in den Köpfen entsteht? Ui, bei unrasiert muss so ein Flüchtling auch aufpassen. Sonst könnte er glatt als Terrorist durchgehen. Sollen für solche Köpfe alle Markenklamotten aus den Kleiderspenden aussortiert werden, damit so ein Flüchtling authentisch und arm genug aussieht? Sollen Flyer an Flüchtlinge verteilt werden, wo steht “Bitte immer traurig in die Kamera schauen, wenn Frau Ministerin mal ins Flüchtlingslager kommt und Fotos geknipst werden“?

Wie zu erwarten war und aufgrund der gegenwärtigen Flüchtlingsproblematik, blieb es nicht bei dem einen Beispiel. Einem Bericht, einem Foto über Flüchtlinge in Online-Medien oder Social Networks, folgten zahlreiche dämliche Geistesblitze irgendwelcher Leuchten, denen wohl die Flüchtlinge nicht arm genug ausschauen. Zu lächelnden Gesichtern einer Flüchtlingsfamilie kommt das passende Posting á la “Na, Hauptsache die trägt Schmuck und lächelt zufrieden in die Kamera. So schlecht wird’s denen ja bei uns net gehen.” Und schauen die jungen Männer auf unzähligen Fotos in den Medien zu gesund aus, a net guat! “Na, scheinen ja ganz gesund und munter zu sein. Zurück mit euch und euer Land wieder aufbauen!” Oder die Sache mit den Handys. Versteckt eure Handys, liebe Flüchtlinge, wenn Frau Ministerin da ist. Ja kein Erinnerungsfoto knipsen, wenn hoher Staatsbesuch eintrudelt. Das ist dann nur beim Rest der Welt OK, da so ein Augenblick einen Politiker oder Promi zu treffen nicht alltäglich ist und man eben ein Erinnerungsfoto für Facebook & Co machen will, auch um damit anzugeben. Ja, so ein Handy ist schon ein Luxus. Viele von uns haben bis zu drei alte Smartphones in der Lade. Sollte das eine oder andere gespendet worden sein, vielleicht für die Wundertüte, sollten Flüchtlinge damit blinde Kuh spielen, damit ein Fotograf sie nicht auf frischer Tat erwischt. Und auch wenn so ein Ding in eine Plastiktüte passt, mit der man flüchtet - verstecken, verstecken, verstecken! Luxus! Schließlich rüttelt es am Bild vom Habenichts aus einer zerbombten Welt, wo keine Handys auf dem Markt erhältlich sein dürften.

Schämt Euch für solche Postings! Schämt Euch! Statt sich zu freuen, wenn ein Mensch wieder lächeln kann, weil er in Sicherheit ist, ruft es die Hetzer auf den Plan. Ob euch die Strapazen der Flucht, zusammengepferchte Menschen in LKWs, blutüberströmte verletzte Kinder überzeugen würden? Von dort, wo es solche Bilder gibt, kommen viele dieser Menschen. Jetzt sind sie in Sicherheit und am Leben. Ist das nicht schön?

 

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