Evo und die Moral

13. März 2012

Ein Präsident erklärt die Welt. Warum Koka keine Droge ist, die Bolivianer keine Taliban sind und was der US-Amerikanische Botschafter damit zu tun hat.

 

Von Stephanie de la Barra

 

Eigentlich sollte Evo Morales, erster indigener Präsident Boliviens, am Montag im C1 am UniCampus einen Vortrag zu "Bolivien und seinem Kampf um Souveränität" halten. Defakto hat er eine Vorlesung in bolivianischer Geschichte gehalten. Die Spanier kamen, die Spaniern gingen. Und das Land wurde 1825 nach seinem Unabhängigkeitskämper Simon Bolívar benannt. Mehere politische Umstürze folgten, bis in den 80er Jahren die Militär-Diktatur zu Gunsten einer demokratischen Regierung abgesetzt wurde. Trotzdem war damit keine Stabilität gewährleistet. Bolivien war stark verschuldet und versuchte durch Verkauf der Bodenschätze die Schulden zu tilgen. Streiks folgten promt und die Bolivianer wechselten Präsidenten wie Jahreskalender. Bis Evo Morales' "Bewegung zum Sozialismus" (MAS) mit 54% der Stimmen 2005 zum ersten Mal die Wahlen gewann. Dabei wollte er nie Präsident werden, sagte der Staatschef am Abend im Hörsaal.

 

Jetzt aber habe eine Aufgabe. Anti-imperialistisch, anti-kapitalistisch und anti-amerikanisch so beschreibt er seine Politik. Zur entbehrlichen politischen Agenda gehört der US-Botschafter in Bolivien. Woher kämen denn all die Putschversuche in Lateinamerika. Und warum gibt es keine in den USA? Weil die USA keinen amerikanischen Botschafter habe. Also brauche Bolivien auch keinen. Lautes Lachen im Hörsaal, dann Geklatsche. Überhaupt blockieren die Imperialisten, allen voran die USA, die Wiederherstellung der Lebensqualität der indigenen Bevölkerung. Koka, das ist keine Droge, sondern eine Pflanze mit Tradition. Schon seit Jahrhunderten kauen die Bolivianier Kokablätter, die gegen Müdigkeit, Hungergefühl und Höhenkrankheit helfen. Kritiker befürchten durch eine Legalisierung einen stärkeren Kokain-Missbrauch. Einmal mehr eine Drogendiskussion in Lateinamerika. Die USA würden schon die "Taliban der Anden" in den Bolivianern sehen und aus ihm Evo bin Laden machen. 

 

Während sich der Präsident im Hörsaal vor 400 Studenten moralische Wortgefechte mit nicht anwesenden Gegnern liefert, tobt im Hof2 vor dem Hörsaal der Guerillakrieg. Eine Gruppe von Studenten, als bunte Clowns verkleidet und mit grün-braun gefleckten Jacken darüber, versteckt sich hinter Bäumen und unter Parkbänken. Bewaffnet mit Blumen rollen sie auffällig über die Wiese und umstellen das Gebäude. Die übrigen Studenten die nicht mehr zum Hörsaal zugelassen wurden, schenken dem Clown-Angriff wenig Aufmerksamkeit. Wenn schon kein Koka-Vortrag, dann wenigstens eine Rauchpause. Gleichzeitig führen einige andere Studenten einen ganz anderen Kampf. Zettel mit der Aufforderung "Google TIPNIS" werden verteilt. Es soll auf das Straßenbau-Projekt durch das Indigenenland Isiboro-Secure hingewiesen werden. Eine Verbindungsstraße durch den Nationalpark war geplant. Im August des letzten Jahres  kam es dann zu Großprotesten und einem Baustopp. Nun sollen die "Terriorio Indigena y Parque National Isiboro-Secure"(TIPNIS)- Betroffenen bei einer Volksabstimung selbst entscheiden. 

Kritik bekomme er also nicht nur von Seiten der "Imperialisten", wie er sie nennt, sondern auch vom eigenen Volk. Aber das sei gut so, denn so funktioniere Demokratie.

 

Geteilte Meinungen also zum Präsidenten. Aber letztendlich verlässt er die Studenten mit einem fundamentalen Gedanken. Grundbedürfnisse, wie Wasser und Elektrizität sind Menschenrechte. Daher müssen diese Dinge verstaatlicht werden. Denn in einem Land wie Bolivien, in dem viel falsch gemacht wurde - wie er zu gibt, dürfe aus Bedürfnissen kein Geschäft gemacht werden.

 

Zumindest nicht unter Evo's Moral. 

 

 

 

 

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