Ich habe Ex-Veganer gefragt, wieso sie wieder Fleisch essen.

20. Mai 2016

vegan
Foto: Aleksandra Tulej

Vegan liegt voll im Trend. Wohin man nur sieht, findet man vegane Burger, veganes Eis, vegane Kochbücher, vegane Food Diaries auf Youtube und überhaupt veganes Alles. Es scheint, als würde heute einfach jeder Zweite zum Veganismus konvertieren. Die Gründe für den zunehmenden Vegan-Hype sind dabei unterschiedlich. Manche hören auf, tierische Produkte zu essen, weil sie dadurch abnehmen wollen. Manche tun es den Tieren oder der Umwelt zuliebe. Manche, weil sie sich gesünder ernähren wollen. Was auch immer die Beweggründe sein mögen: Vegan wird heutzutage mit einem großen V geschrieben. Und da ist auch etwas dran. Denn wer anfängt, vegan zu leben, bleibt auch meistens vegan. Doch das ist nicht immer der Fall. Ich habe den (Tofu)-Spieß umgedreht, und mit Vertretern einer seltenen Spezies gesprochen: den Ex-Veganern. Ja, es gibt sie wirklich. Fünf ehemalige Veganer erzählen, was sie dazu gebracht hat, wieder Fleisch zu essen, wie das erste Stück Fleisch geschmeckt hat und was sie von gängigen Veganer-Witzen halten.

von Aleksandra Tulej

Nur Pommes und Spaghetti auf der Maturareise

Die 24-jährige Sophia hat schon während ihrer Schulzeit vegan gelebt. Der Hauptgrund war die Überproduktion und das Wegschmeißen von Lebensmitteln. Sophias veganes Dasein endete auf der Maturareise. „Ich war nach der Matura zwei Monate lang auf Urlaub in verschiedenen Ländern. Alle anderen, die dabei waren, haben Fleisch gegessen. Deshalb musste ich bei der Restaurantauswahl immer mitziehen, und da konnte ich meist nur Pommes oder Spaghetti essen. Irgendwann hatte ich es schon satt. Da ich überhaupt sehr schnell wieder abnehme, ging es mir nach dem ersten Monat der Reise überhaupt nicht mehr gut. Deshalb bin ich noch im Urlaub wieder umgestiegen.“ Sie blieb auch nach dem Urlaub dabei und isst weiterhin Fleisch. Was Sophia während ihrer veganen Zeit gestört hat, waren die Menschen, die ohne Grund begonnen haben, mit ihr zu diskutieren. „Man sagt ja immer, Veganer wollen allen ihren Lebensstil unter die Nase reiben. Bei mir war es andersrum.“ Was Sophia vom Vegansein mitgenommen hat, ist eine bewusstere Ernährungsweise. „Man macht sich einfach mehr Gedanken darüber, was man kocht und wie man es kocht. Aber ich muss sagen, ich habe damals schon viel veganes Fast-Food gegessen. Wenn ich also wieder beginnen würde, vegan zu leben, würde ich versuchen, nicht mehr so viel Trash zu essen.“

Der betrunkene Käsekrainer-Incident

Für die 24-jährige Fredi gab es zwei  ganz andere Gründe, vegan zu werden: Tiere und Fitness. „Mein Vater ist Tierforscher. Dadurch habe ich so einiges mitbekommen, wie die Tiere behandelt werden. Ich wollte einfach aus Protest keine tierischen Produkte mehr essen. Andererseits wollte ich auch abnehmen. Deshalb bin ich vegan geworden.“ Ob ihr Fleisch während ihrer veganen Zeit gefehlt hat? „Ja. Nicht die ganze Zeit über, aber es hat mir gefehlt.“ Was sie wieder dazu gebracht hat, Fleisch zu essen, war die Erkenntnis, dass man durch eine vegane Lebensweise doch nicht so viel abnimmt. Und der Alkohol. „Ich habe betrunken um drei Uhr morgens eine Käsekrainer gegessen. Einfach so, ohne nachzudenken. Und das war mein McMoment des Lebens. Ich habe danach nie wieder etwas gegessen, das so geil geschmeckt hat, wie diese Käsekrainer bei der Thaliastraße.“ Ob sie wieder vegan werden würde? Auf keinen Fall. Witze über Veganer findet Fredi lustig. „Man muss Veganer auslachen, weil sie klischeehaft sind. Ich war ja auch so. Deshalb lache ich heute auch mit.“

Vor neun Jahren kannte keiner das Wort "vegan". 

Ähnlich sieht es der 30-jährige Christian. „Diese Veganer-Witze sind schon ganz lustig, da ist ja auch etwas dran.“ Dabei war Christian schon lange vor der Zeit der Internet-Memes vegan. „Ich habe vor 9 Jahren begonnen, vegan zu leben. Damals kannte das Wort noch niemand. Es gab auch nicht wirklich Alternativen zu herkömmlicher Ernährung, vor allem, wenn man unterwegs war. Das hat mich schon sehr genervt.“ Der Anlass, der ihn wieder zum Omnivore-Dasein gebracht hat, war jedoch ein anderer. „Mein Mitbewohner hat so einen geilen Käse aus Frankreich mitgebracht, da bin ich einfach eingeknickt.“ Seitdem isst Christian wieder tierische Produkte, aber alles in Maßen. „Es ist schon so, dass du es als Veganer beim Grillen schwer hast. Ich lebe in Berlin, hier sind in den richtig geilen Burger-Läden die veganen Alternativen oft ohne Liebe gemacht und schmecken einfach nicht. Außerdem es ist schon aufwendig. Letztens haben meine Großeltern die goldene Hochzeit gefeiert, da gab es ein Riesendinner und es hätte kein veganes Menü gegeben. Da wollte ich auch nicht der Typ sein, der dann einen Extraaufwand macht, nur weil er hier nichts essen kann, obwohl sich andere eine große Mühe gemacht haben, das alles vorzubereiten. Das muss echt nicht sein“, fügt er hinzu.

Der Schickimicki-Vegan-Cheese schmeckt nach nichts.

Der mit dem Vegansein verbundene Aufwand war auch beim 26-jährigen Simon der Grund, wieder Fleisch zu essen. „Bei mir war es Faulheit vermischt mit Arbeitsstress. Unterwegs ist es leider nicht so einfach, sich vegan zu ernähren.“ Simon wurde wegen eines Films vegan. „So blöd es klingt, ich habe mir die Doku „Earthlings“ angeschaut und es war eine augenöffnende Erfahrung für mich. Das hat mich überzeugt, zwei Jahre lang keine tierischen Produkte mehr zu essen.“ Dabei hat ihm während seiner veganen Zeit nur eine Sache gefehlt. „Käse. Alles andere ist egal oder irgendwie durch vegane Alternativen ersetzbar. Veganer Käse schmeckt einfach nach nichts. Ja, auch der 10 Euro teure Ultra-Schickimicki-Vegan-Cheese. Wenn jemand einen veganen französischen Schimmelkäse auf den Markt bringt, wird nie wieder ein Tier wegen mir leiden müssen“, sagt Simon.

Das sagt die Ernährungswissenschaftlerin:

Jeder der Ex-Veganer hat also seine eigenen Beweggründe, die ihn vegan – und wieder zum Omnivoren gemacht haben. Jetzt bleibt nur noch zu klären, wie das Ganze auf der Ernährungsebene aussieht. Was passiert mit dem Körper, wenn ein Veganer wieder Fleisch isst? Und worauf muss man bei der Umstellung, egal auf welche Seite, achten? Ich habe mich bei der Ernährungswissenschaftlerin Mag. Edith Sichtar schlaugemacht. 

Fleisch bringt Cholesterin mit sich

„Man sollte bei einer Ernährungsumstellung von vegan auf nicht-vegan am Anfang nicht zu viel Fleisch essen. Man sollte überhaupt darauf achten, nicht zu viel Fleisch zu essen. Allgemein werden nicht mehr als 400 Gramm Fleisch pro Woche empfohlen, das sind circa zwei Portionen Fleisch.“ sagt Edith Sichtar, die selbst Veganerin ist. „Da sollte man das Steak genauso wie die Salami am Weckerl dazuzählen“, so Sichtar. „Natürlich muss man dann auch bedenken, dass man wieder mehr Cholesterin und gesättigte Fettsäuren zu sich nimmt, was den Körper belasten kann.“  Das Risiko einer akuten Erkrankung, wenn man von veganer Ernährung wieder auf Fleischkonsum umsteigt, gäbe es aber nicht. „Trotzdem sollte man schauen, dass man den Großteil der Nährstoffe von Pflanzen bekommt“.

Wie ist das mit den berühmten Mangelerscheinungen?

Ist vegane Ernährung also besser für uns? „Es ist schon so, dass die Studien über Zivilisationserkrankungen sozusagen auf der Seite der Veganer sind. Veganer haben ein geringeres Risiko, unter Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu leiden. Von diesen Krankheiten sind Fleischesser wesentlich öfter betroffen.“ Doch wie sieht es mit den berühmten Mangelerscheinungen aus? „Bei veganer Ernährung ist es - so wie bei allen Ernährungsweisen - wichtig, ausgewogen zu bleiben. Spezifisch für Veganer bedeutet das, Vitamin B12 zu sich zu nehmen, da der Nährstoff in Pflanzen nicht ausreichend vorhanden ist“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin. Es gibt aber spezielle Zahnpasten oder Tabletten, die den Körper mit Vitamin B12 versorgen. „Manche Veganer lassen sich B12 auch alle paar Monate spritzen“, so Sichtar.

Fazit: Veganer sind keine Ernährungs-Missionare und Fleischesser sind keine Bösewichte ohne Seele. 

Ob nun vegan, vegetarisch, omnivor, ex-vegan oder vegan in spe: Von den moralischen und ernährungswissenschaftlichen Gründen abgesehen, sollten wir mit unseren Vorurteilen aufräumen. Veganer sind keine Ernährungs-Missionare und Fleischesser sind keine Bösewichte ohne Seele. Die Ex-Veganer in diesem Artikel fanden die Veganer-Witze jedenfalls lustig und keiner hat versucht, mich zu missionieren. Aber die essen ja wieder Fleisch. Also vielleicht war das alles eine Machenschaft der Vegan-Mafia. Das traue ich mich aber weder um einen Seitan-Burger noch um ein Medium-Rare-Steak zu wetten. Wenn dann um beides. 

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