Ich mach’ mal Karriere, Baby!

09. März 2012

Ich habe keine Zeit mehr. Meine Baby-Uhr tickt. Immer lauter und einhämmernder. Wobei dieses Hämmern von gesellschaftlichen Außenfaktoren verursacht wird und nicht weil ich selber so heiß darauf bin, Mutter zu werden. Hat die Jugobraut in mir immer cool behauptet, Family, Mann und Karriere mit der linken Arschbacke zu schupfen, fragt sich die überforderte 28-Jährige in mir, WIE das bitte alles gehen soll. Beziehungsweise WANN?Da bin ich also, unvorbereitet und schockiert im klassischen Kind-Karriere-Dilemma!

Jugo Avantgarde

Meine Generation hat den sozialen Aufstieg vom elterlichen Bauarbeiter-Dasein zur geförderten Vier-Zimmer-Wohnung geschafft. Wir wurden vorbildlich in die Schule gezwungen und zur Weiterbildung motiviert. Man fasst sein Glück nicht, frei von eingeforderten Heiratsplänen zu sein und bemitleidet herablassend andere Mädels, die sich scheinbar freiwillig, weil eh naturgegeben, in das klassische Korsett von weiblichen Lebensläufen pressen lassen: Schule, Arbeit, Freund, Hochzeit, Kinder, des woar’s. Und das in Zweijahres-Abständen.

Ja, wirklich armselig...

Die Ziele sind also klar formuliert. Studium, Weiterbildung, Praktika, Kellnern, Jobeinstieg.

Spätestens Mitte Zwanzig sollte die Karriere dann langsam in die Gänge kommen. Und wenn man sich nicht allzu oft unnötigen Afterwork-Spritzern hingab, rennt nebenbei eine erfolgreiche mehrjährige Beziehung, die beruflich Gott sei Dank auch genug Stress hat. Man ist also grad voll am Durchstarten, der Marktwert wächst, der Traum von einer Bilderbuch-Karriere zum Greifen nahe – und dann wird man damit konfrontiert, dass die Schonfrist nun vorbei sei und „du jetzt mal langsam an Kinder denken solltest!“

Schonfrist over

Inzwischen hab’ ich mich damit abgefunden, dass der soziale Druck, termingerecht sesshaft zu werden, ab einem gewissen Alter betäubend hoch wird und das wohl evolutionsbedingt zu den Pflichten gehört, sein Kind auf den vermeintlich richtigen Weg zu spuren. Von mir aus.

Ganz vom Baum gefallen bin ich ja auch nicht und man hat es ja selber auch irgendwo -weiter unten - auf der To-do-Liste stehen. Aber, noch einmal: WANN, bitte?

Ziehe ich das Ding mit der Karriere durch, pack noch einen Master, MBA oder Auslandsjob drauf, schlittere dann als frustrierte Mid-Dreißigerin in die Baby-Depression und versuche dann panisch noch schnell ein Kind zu werfen?

Arschlochansichten?

Oder schiebe ich unerfüllte Träume bei Seite, lass mich nicht auf das Risiko ein, ne uralte Mutter zu sein, bring das jetzt hinter mich und riskiere damit, zwei Jahre weg vom Fenster zu sein, um mich Anfang Dreißig beruflich neu zu orientieren aber gleichzeitig dem ständigen Risiko ausgesetzt zu sein, bei der Frage nach vorhandenen Kindern schon verloren zu haben? Genauso gut könnte ich auch Anfang Dreißig ohne Kinder beim Personalmanager schlechte Karten haben, denn der malt sich den baldigen Ausfall schon aus. Hätt ich Frisörin gelernt, würd’ ich zwei Jahre vor meinem Dreißiger jetzt vielleicht nicht in diesem Dilemma stecken. Oder ist das grad eine ziemlich menschenverachtende Arschloch-Ansicht auf das Leben, weil mir im Gegensatz zu den erwähnten Korsett-Mädchen der Mut fehlt, mich auf den natürlichen Lauf des Lebens einzulassen? Ist meine Generation einfach nur

fehlgeleitet vom Phänomen der Karriere-Frau und hat sie sich zu weit entfernt von den wahren Werten des Lebens? Vielleicht. Aber so sehr ich mich bemühe - ich hab momentan überhaupt keinen Bock drauf an Schnuller, Lebensversicherung und Milchpumpen zu denken. Sorry.

Bereich: 

Kommentare

 

echt ur super geschrieben. fand ich am besten im neuen heft

 

den übrigens auch Männer haben können, wenn sie mehr auf Andere als auf sich selbst schaun.

Schlägt der "Bua" den gsunde handwerklichen Weg ein, soll er mit spätestens 22 Meister sein, seine (seriöse, mittelständische) Freundin ehelichen und mit 25 Pappi der allerbesten Kinder im (teilweise) selbst gebauten Heim sein. Macht der "Herr Sohnemann" auf Akademiker, dann wird im Eiltempo studiert, nebenbei das Auslandssemester absolviert und der modern orientierte DDr.Mag. ist mit Anfang 30 mit seiner jungen Frau im immer hektischen Berufsleben bestverdienend integriert und an der Kinderplanung...

Und dann kommt alles anders - und es wird trotzdem klappen! Wichtig ist das, was Mann/Frau selbst tut und wozu er/sie stehen kann ;-)

Das könnte dich auch interessieren

Foto: Zoe Opratko
Zum Abschied gibt es kein Trompeten­...
.
Ein Hero(j)! Ein Held! Das war mein...
Foto: Zoe Opratko
  Foto: Zoe Opratko Back to School und...

Anmelden & Mitreden

2 + 2 =
Bitte löse die Rechnung