Jede:r kann Greta

14. April 2022

Nachhaltigkeitstrainerin Elma Salo erklärt ihren Bezug zum Umweltbewusstsein und gibt einfache Tipps zur Umsetzung eines klimafreundlichen Lifestyles. „Think globally – act locally“ und Maßnahmen in der Politik sind der Schlüssel zum Erfolg.

Von Sedir Dabbass, Fotos: Franziska Liehl

.
Foto: Franziska Liehl

Geplant ist ein gemeinsames Campen direkt am Strand Süditaliens. Meine Freunde und ich überlegen lange, aber kommen zu keinem Entschluss. Die einen wollen die nachhaltige Route wählen und mit dem Zug anreisen, während die anderen, ich inklusive, geneigt sind einfach mit dem Flugzeug nach Italien zu reisen. Selbst wenn ich persönlich Zugfahrten á la Reisejournalistin Monisha Rajesh nicht abgeneigt bin – der Preis allein macht mir schon einen Strich durch die Rechnung. Als Studentin kann ich es mir nicht leisten, fünf Mal so viel für eine Zugfahrt auszugeben und dann zusätzlich viel länger und unangenehmer in den Urlaub zu starten. Trotzdem ist mir die Umwelt wichtig.

Elma Salo, Nachhaltigkeitstrainerin aus Wien, versteht meine emotionale Zwickmühle. Sie hält Workshops zu den Themen Konsum, Klima- und Umweltschutz in ganz Österreich. In der Klimadebatte geht es nicht darum, die gesamte Verantwortung auf das Individuum zu übertragen, denn „allein kann man die gesamte Menschheit nicht vor den Folgen des Klimawandels retten“, sagt die 34-jährige Wienerin. Salos Philosophie belohnt auch die Bemühungen des Einzelnen, den Planeten retten zu wollen: „Jeder kann einen Versuch in Richtung eines umweltbewussteren Lebens unternehmen, um große Veränderungen zu bewirken. So wie Greta Thunberg, die als Einzelperson Millionen von Menschen inspirierte, an Klimaprotesten wie „Fridays For Future“ teilzunehmen und ihren Ansatz bezüglich der Klimakrise und Nachhaltigkeit zu überdenken“, so Salo.

Mit den Öffis zum Strand

Muss ich also auf meinen Italien-Urlaub verzichten? „Es kommt ganz darauf an“, meint Salo. „Ich kann jetzt nicht sagen, dass man nie wieder im Leben irgendwo hinfliegen soll. Wenn es sein muss und das Reiseziel weit weg ist, soll man es ruhig machen. Selbst dann kann man aber am Urlaubsort die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, statt mit dem Taxi zu fahren“. Sie erzählt mir von ihrer Reise nach Malaysia, auf der sie darauf bestanden hatte, die öffentliche Bootsverbindung zu nutzen, die auch der Rest der Bevölkerung nahm. Die Einheimischen waren so überrascht, auf eine Touristin zu stoßen, dass ein Professor aus Kuala Lumpur sehr verwirrt versuchte, sie darüber aufzuklären, dass sie das falsche Reiseangebot nutze. Genauso auf ihrer letzten Ägyptenreise: Sie reist vollgepackt mit Strandequipment mittels Bus ans Meer – auch wenn Leute dann komisch schauen. Das ist ihr egal. Salo möchte den Alltag der einheimischen Bevölkerung mitbekommen, anstatt abgeschottet in einem Ressort ihren Urlaub zu verbringen.

"Man muss nicht zu 0 % oder 100 % nachhaltig leben. Wir alle befinden uns in einem Zwischenbereich und versuchen, so viel zu machen, wie wir können.“ 

Salo selbst ist über ihr Agrarwissenschaften-Studium an der BOKU erst so richtig auf das Thema Nachhaltigkeit gekommen, obwohl es sie schon immer in einer Form begleitet hat. Es hatte für sie langsam keinen Sinn mehr ergeben, dass das ganze Jahr über Gurken oder Paprika in Supermärkten angeboten werden, wenn sie in Österreich eigentlich nicht mehr Saison haben. Und wieso genau werden Äpfel aus weit entfernten Ländern wie Argentinien oder Chile importiert, wenn Österreich selber heimische Produkte anbieten kann? Ihr erster Schritt auf ihrer Nachhaltigkeitsreise war ihren täglich konsumierten Jogurt gegen Bio – Jogurt einzutauschen. Darauf folgte dann der Kauf von österreichischen Bio–Eiern. Schritt für Schritt näherte sie sich der Idee von einem nachhaltigeren Leben. „Man muss nicht zu 0 % oder 100 % nachhaltig leben. Wir alle befinden uns in einem Zwischenbereich und versuchen, so viel zu machen, wie wir können.“ Dieses „Alles–oder–nichts“–Denken hindert viele Menschen überhaupt daran, einen Start in ein nachhaltigeres Leben zu wagen. Dabei kann man immer klein anfangen. „Als ersten Schritt kann man Produkte, die man täglich verwendet, mit Bio–Produkten ersetzen und schauen, wie einem das gefällt. Ist der Geschmack besser? Schätze ich meinen Bio-Jogurt mehr? Tut mir das gut? Dann behält man dieses Produkt vielleicht bei und erweitert das Sortiment.“

.
Elma Salo ist Nachhaltigkeitstrainerin und hält Workshops zu Themen wie Klima, Konsum und Umweltschutz. Foto: Franziska Liehl

Auch der Staat muss zahlen

Und trotzdem: Nachhaltiges Leben kann sehr teuer sein. Nicht jede:r hat die finanziellen Mittel, um sich Bio–Produkte zu leisten oder all seine Reisen auf Zugfahrten zu limitieren. „Es muss sich grundsätzlich auch etwas auf der politischen Ebene ändern: Wieso ist eine Zugfahrt nach Oslo teurer als ein Flug nach Marokko? Wieso ist es teurer, eine Bio–Tomate zu kaufen, welche keine Schadstoffe enthält, gesünder ist und der Umwelt nicht schadet? Das ist komplett unlogisch. Hier müssen die richtigen Gesetze und Förderungen vom Staat eingeleitet werden, um das nachhaltige Leben leistbarer zu machen – die Verantwortung erfolgt nicht nur auf persönlicher Ebene“.

"Think globally - act locally"

Statt übermäßig Produkte einzukaufen, die man bereits in einer ähnlichen Variation hat, kann man sich dieses Geld beiseitelegen und damit teurere, nachhaltige Produkte oder Reisen finanzieren. Wiederverwendbare Artikel wie Stofftaschen oder Kaffeebecher sind umweltfreundlich und nützlich. Wie sie selbst bemerkt hat, wird das Umfeld auch vom eigenen Verhalten beeinflusst. „Think globally – Act locally“, erklärt sie mir. „Ich habe langsam gesehen, dass die Leute, mit denen ich Zeit verbringe, nach einer Zeit auch einen wiederverwendbaren Kaffeebecher oder einen anderen nachhaltigen Artikel gekauft haben.“ Somit hat Salo durch ihre Lebensphilosophie das Verhalten von anderen Menschen beeinflusst und in ihrer Umgebung zu einem nachhaltigeren Verhalten beigetragen, der dann auch auf einer größeren Ebene Einfluss hat. Sie veranstaltet auch regelmäßig Markt–Touren, wo sie Freunde und Fremde einlädt, sie auf verschiedene Bauernmärkte in Wien zu begleiten und sich direkt mit den Produzenten auszutauschen. „Für mich persönlich ist es ein Gefühl der Verantwortung, das Wissen, welches ich habe, an andere weiterzugeben, um der Klimakrise entgegenzusteuern.“

Dieses Verantwortungsbewusstsein Salos gibt mir zu denken. Zugreisen werde ich mir derzeit noch immer nicht leisten können, aber das öffentliche Verkehrsnetz in Italien - das kann ich nutzen. Trotzdem ist das für mich noch nicht genug. Auch wenn ein großer Teil der Verantwortung auf große Konzerne und Industrien abfällt – als Individuum weiß ich, dass in meinem Leben noch viel mehr Potenzial besteht, um gegen die Klimakrise vorzugehen und einen größeren Beitrag zu leisten. Eines weiß ich aber sicher: Auf Salos nächster Markttour bin ich definitiv mit dabei.

Bereich: 

Das könnte dich auch interessieren

Foto: Zoe Opratko
Das Ende von biber ist auch das Ende...
Foto: Moritz Schell
Kein Geld, keine Redaktion, aber eine...
Screenshot: Stadt Wien
Die Stadt Wien und der Bezirk Neubau...

Anmelden & Mitreden

2 + 15 =
Bitte löse die Rechnung