Kann ein Amokfahrer nur ein "besonders religiöser" Muslim sein?

07. Juli 2015

Kopftuch, Frau, Dudu
Katharina Rossboth

...dachte wohl Christoph Feurstein und stellte die Frage der traumatisierten Ehefrau des Amokfahrers von Graz. „War ihr Mann besonders religiös?“ fragte er die schwer mitgenommene Frau, die auf diese Frage zuerst einmal irritiert reagierte: Kurze Stille, dann ein nachdenkliches „Hmm“ um danach kopfschüttelnd zu sagen: „Das weiß ich nicht.“

Ich konnte meine innere Freude gar nicht unterdrücken. Ja, das war ja klar – zumindest für Musliminnen und Muslime. Innerlich dankte ich der Frau für diese so ehrliche Antwort, die vieles auf den Punkt bringt und zwar ganz ohne Worte. Aber die Frage von Feurstein ärgerte mich. Assoziiert er „besonders religiös“ mit Gewalt und Brutalität? Und wenn ja: Nur wenn er dabei an den Islam denkt?

Feurstein bestätigt die Fragen, die sich im Kopf stellen. Er lässt nämlich nicht locker und hakt nach: „Es gab Berichte, dass er sie zwingen wollte, ein Kopftuch zu tragen.“ Meine innere Stimme schrie: „Was willst du hören?!“ Für mich hörte sich seine Frage so an: „Er war ja ein eifriger Muslim, gö?“ [Zwinker Zwinker]

Sie antwortet mit einem „Ja, das stimmt“ und erzählt, dass er ihr nicht erlaubt hat, kurze Kleidung zu tragen. Bis zu diesem Teil hätte ich den Feurstein noch irgendwie entschuldigt, obwohl es mir wirklich schwer fiel. Ich hätte mir einreden können, dass er als Journalist versucht hätte, die Berichte des Boulevards zu dekonstruieren. Doch Feurstein selbst bleibt auf Boulevardniveau – nicht um zu dekonstruieren, sondern um mit zu konstruieren und um zu bestätigen. Denn nachdem sie erzählt, dass er ihr Mann sie sogar geschlagen hat, weil sie kurze Hosen getragen hat, geht er nochmal zurück zum eindeutig muslimischen Kleidungsstück: „Warum wollte ihr Mann, dass Sie ein Kopftuch tragen?“ Der Rest des Interviews ist eine arme, weinende Frau in einem voyeuristischen Setting - das ganze eines öffentlichen Senders unwürdig.

Dass er angeblich Muslim war und seine Frau zwingen wollte, ein Kopftuch zu tragen - hatte nach Berichten in der Krone - dem Vertrauensblatt Straches - sehr schnell die Runde gemacht und für heftige, rassistische Ergüsse gesorgt. Vor zwei Tagen jedoch hat seine Anwältin im Kurier verkündet, dass er römisch-katholisch sei und nicht muslimisch. Seine Eltern hätten dies bestätigt. Warum macht dieser Artikel eigentlich nicht die Runde?

Strache, tippst du das jetzt bitte auch in den FB-Account und fragst dich, ob das wohl ein christlich motivierter Terrorakt war? Wollte er vielleicht seine Frau zu einer fromm verhüllten Maria machen? Wird die unglaubliche Gewalt und Brutalität im Leben dieses Mannes noch immer mit seinem Religionsbekenntnis in Verbindung gebracht? Oder hat sich das jetzt erledigt, wo er doch der „richtigen Religion“ angehört, die nicht automatisch mit Gewalt und Terror in Verbindung gebracht wird?

Zwei sichtbar muslimische Familien wurden vom Grazer Amokfahrer attackiert (das bosnische und das afghanische Paar). Er soll im Verhör gesagt haben, dass er „aus Angst vor Türken“ geflohen sei. War das vielleicht ein islamophober Terrorismus? Ist der Grazer Amokfahrer ein Kreuzritter, der Breivik Österreichs?

Na, lassen wir mal die Kirche im Dorf - ja, und das nächste Mal die Moschee bitte auch.

Wir sollten uns aber ganz was anderes zu Herzen nehmen: All diese Diskussionen und öffentlichen Debatten sprechen Bände über unsere Gesellschaft und über das herrschende, selbstverständliche Doppelmaß, mit dem gemessen wird. Darüber zu reflektieren und zu fragen, was dieser Diskurs über unreflektierte Massen, Polit-Hetzer und Medien sagt – das ist nun dringend notwendig.

Bericht im Kurier: http://m.kurier.at/chronik/oesterreich/anwaeltin-von-amokfahrer-kein-rel...

Interview im ORF: http://tvthek.orf.at/program/Thema/1319/Thema/10096294/Die-Frau-des-Amok...

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Kommentare

 

er hat eben nicht gefragt 'moslem?', sondern er hat gefragt 'religiös?'
Und diese Frage zu stellen erlaubt uns die Meinungsfreiheit. Und angesichts des ganzen Wahnsinns , den alle Religionen historisch verbrochen haben und verbrechen, darf diese Frage nicht unterdrückt werden. Auch nicht mit der bequemen Opferrolle-Diskriminierungs-Keule. Zu groß ist aktuell die Gefahr, dass sich konservative religiöse Strömungen -abseits von individueller Spiritualität- in Dieseitiges wie Moral, Ethik und Politik einmischen und hart erkämpfte liberale Grundrechte ad absurdum führen.
Und damit ist auch die Kopftuchfrage notwendig, denn dieser schreckliche Fall zeigt eindrucksvoll wie Religion von Männern genutzt wird um Frauen zu kontrollieren, und sei es gar nicht durch Zwang, sondern durch ein unterschwelliges diese-Doppelmoral-gehört-sich-halt-so. Vielleicht schreibst du ja mal drüber, dass Religion im Alltag mehr und mehr eine zu große Rolle spielt?
Naja, wo die Krone aus einem Problem eine Hetzkampagne macht, wollen andere vom Problem ablenken...
Feuerstein ist für mich dagegen wirklich ein seriöser Journalist, der Probleme objektiv behandelt.

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