"Kurz ist eine Frittatensuppe."

13. April 2017

Perser essen gerne und ausgiebig. Dieses Klischee bewahrheitete sich während unseres dreistündigen Mittagessens mit Regisseur Arman T. Riahi. Auf der Speisekarte standen Lammköpfe, HC Strache als Mohr im Hemd und die visionäre Kraft von „Zurück In Die Zukunft II“.


von Amar Rajković und Marko Mestrović (Fotos)

Foto:Marko Mestrovic
Foto: Marko Mestrovic

biber: „Die Migrantigen“ hat schon vor dem Kinostart im Juni für viel Furore gesorgt und die Publikumsauszeichnung beim Filmfestival Max-Ophüls-Preis gewonnen. Was hat dich zum Film bewegt?

Arman T. Riahi: Wir haben „Die Migrantigen“ gedreht, weil wir zeigen wollten, dass Migrationshintergrund nicht gleich Migrationshintergrund ist. Es gibt eine facettenreiche Wirklichkeit jenseits des Opfer-Täter-Bildes, durch das Menschen mit Migrationshintergrund in den Medien und der Öffentlichkeit dargestellt werden. Außerdem wollten wir auch endlich unsere Leute auf der Leinwand sehen! Sie übernehmen Hauptrollen und müssen sich nicht mit Taxifahrer- oder Kriminellenrollen begnügen wie oft üblich im etablierten österreichischen Kino.

Nimmst du es persönlich, wenn dein Film floppt?

Ich drehe Filme, damit möglichst viele Leute sie sehen. Ich mache sie nicht in erster Linie für die Kunstszene und Filmfestivals. Ich möchte die Leute berühren, erwischen und sie zum Nachdenken bringen. Wenn mir das nicht gelingt, sollte ich ernsthaft überlegen, was ich sonst noch drauf habe.

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Marko Mestrovic

Glaubst du, als Regisseur die Welt verändern zu können?

Wenn ich einen Film drehen würde, der gar keine gesellschaftliche, politische oder sozialkritische Komponente hat, hätte der keinen Sinn für mich. Hat wahrscheinlich mit meiner Herkunft und Familiengeschichte als Flüchtlingskind zu tun. Filmemacher, Künstler sind extrem privilegierte Menschen, die ihr Publikum positiv beeinflussen können. Ich habe mit den „Migrantigen“ versucht, Unterhaltung mit einem ernsten Hintergrund auf die Leinwand zu bringen. Guter Mainstream kann das.

Welche Filme, die du in letzter Zeit gesehen hast, können das?

"Ex-Machina" vom britischen Regisseur Alex Garland ist ein gutes Beispiel. Gutes Drehbuch, sauber gedreht, extrem gut gemacht – trotz vermutlich begrenzter Produktionsmittel. Genauso wie „Take Shelter“ mit Michael Shannon oder „Moonlight“ von Barry Jenkins. Die Fragen, die diese Filme aufwerfen, sind wichtig und aktuell wie eh und je.

Was wurde am Set von „Die Migrantigen“ gegessen?

Es gab täglich ein Buffet, das die Bedürfnisse des Teams abdeckte: Fleisch für den Jugo Aleksandar Petrović, Ful (arabisches Bohnengericht) für den Steiro-Ägypter Faris Rahoma und natürlich auch vegetarische Speisen für die Ernährungsbewussten am Set.

 

Der Kellner serviert unsere Getränke, Brot und Salat. Das „Dough“, ein joghurthältiges Getränk mit frischer Minze, ist das iranische Ayran. Es wird fast zu jeder Speise während des Essens getrunken. Der Salatteller beinhaltet rohe Zwiebelköpfe und diverse Kräuter. „Wenn du mehrere Kräuter zusammen erwischst, entstehen ganz neue Geschmacksdimensionen“, so der Tipp des 35-jährigen Regisseurs.

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Ist deine Mutter eine integrierte Iranerin und kocht österreichisch?

Sie hat uns früher immer Schnitzel mit gescheiter Panier zubereitet. Generell kocht sie mehr mit Geflügel, natürlich auch Lamm, weil das ein wichtiger Teil der iranischen Küche ist. Generell finde ich die typischen österreichischen Gerichte ungesund, weil sie sehr fetthaltig sind und oft nicht ohne Panier auskommen.

 

Sag jetzt nicht, deine Mutter kocht auch am besten?

Meine Tanten behaupten, meine Mutter wäre keine gute Köchin gewesen, bevor sie Kinder bekommen hat. Das hat vor allem die älteste von ihren Schwestern behauptet, die in Kalifornien lebt und richtige Leibgerichte auf den Tisch zaubert. Die muss es ja wissen, ihr Schafskopf ist ein Traum.

 

Der Kellner serviert eine Variation von persischen Vorspeisen auf den Tisch. Das Gespräch wird für ca. 10 Minuten unterbrochen und durch „Boah“-, „Mmmh“- und „Schmatz“-Laute ersetzt. Auch Arman langt zu. Essen scheint er sehr ernst zu nehmen.

 

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Apropos Kalifornien: Viele persische Einwanderer haben in den USA ein neues Zuhause gefunden. Warum ausgerechnet dort?

Das hängt damit zusammen, dass sehr viele Monarchisten (der Iran war bis zur islamischen Revolution 1979 eine Monarchie) in die USA geflüchtet sind. Entgegen vieler westlicher Medienberichte betrachten viele Iraner die USA als einen Sehnsuchtsort, wo man frei leben und Geld verdienen kann.

 

Unter Trump steht der Iran auf der Liste der Länder, deren Bürger nicht in die USA einreisen dürfen.

Ich stehe vielen Dingen, die in Amerika stattfinden, sehr kritisch gegenüber, kann das Land in vielen Belangen auch loben. Momentan sieht es nicht so aus, als würde ich bald in die USA reisen. Schau mich an (zeigt auf sich), glaubst du, so komme ich in die Staaten? Schon unter Bush haben die Zollbehörden mich drei Stunden lang befragt. Die Passwörter für all meine Social-Media-Accounts mag ich auch nicht hergeben.

 

Arman bestellt zum Hauptgang Hühner- und Lammspieße mit Reis und dazu Ghormeh Sabzi (Grüner Eintopf), das aus roten Bohnen, verschiedenen Kräutern und getrockneten Limetten besteht. Er schnalzt abschließend mit der Zunge, als würde er in Gedanken schon an den Spießen knabbern.

 

Gibt es ein Filmgenre, das gar nicht geht?

Ja, romantische Komödien sind für mich No-Go. Seit „Eternal Sunshine of the Spotless Mind“ oder „Punch-Drunk Love“ habe ich keine Ideen mehr, wie ich eine kluge romantische Komödie drehen soll.

 

Welche Filme haben dich als jungen Mann beeinflusst?

Menace 2 Society, Reservoir Dogs, Goodfellas oder „White Men can‘t jump“. Ich habe immer schon die Effizienz der amerikanischen Unterhaltungsfilme bewundert. Zurück in die Zukunft II fällt mir da ein. Der zweite Teil ist doppelbödig, hochironisch und prophezeiend. (Anm. d. Redaktion: Der böse Biff Tannen bekommt von seinem eigenen Ich aus der Zukunft den „Almanah des Sports“ geschenkt und wettet sich damit zum selbstgefälligen, psychotischen und Donald Trump ähnelnden Glücksspiel-König) Diese visionäre Kraft des Filmemachens fasziniert mich.

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Was würdest du dir als Henkersmahlzeit aussuchen?

Warte kurz, es fehlt was Wichtiges.

 

Arman steht auf und bestellt Torschi, in Essig-Salz-Lake eingelegtes Gemüse - in Ex-Jugoslawien auch „Turšija“ oder in der Türkei „Tursu" genannt. Das (zeigt auf das eingelegte Gemüse) verbindet meine zwei Lieblingsküchen. Die japanische und die persische.

 

Zurück zu deiner Frage: Meine letzte Mahlzeit wären viele kleine Speisen aus der japanischen und iranischen Küche, tapasmäßig aufbereitet, zusammen mit Kaviar aus dem Kaspischen Meer. Grundsätzlich bin ich ein Fan von Speisen, die in der Tischmitte stehen und von denen jeder am Tisch auch kosten kann. Man isst gemeinsam.

 

Der Hauptgang wird abserviert. Wir stehen auf und setzen unser Gespräch in der heimeligen Tee-Ecke fort. Über uns thront ein alter Mann mit Turban, der gerade am Opiumschlauch zieht. Das zweieinhalbstündige große Fressen ist allen beteiligten Wampen anzumerken.

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Bevor wir in das Food-Koma fallen, die letzte Frage: Mit welchen Gerichten würdest du Kanzler Kern, Außenminister Kurz und FPÖ-Obmann Strache vergleichen?

Herr Kurz ist eine Vorspeise, so wie eine Frittatensuppe, leicht und locker und mit wenig Substanz. Kanzler Kern gibt inhaltlich am meisten her und entspricht einem Backhendl und HC Strache ist eine Nachspeise, die du schon nach dem Bestellen bereust, weil du vollgegessen bist und die Kalorien in deinem Kopf schon zählst. Also ein „Mohr im Hemd.“ (lacht)

 

Kannst du deinen Bauch vor lauter Knurren nicht mehr kontrollieren? Die Gastgeber von „Apadana“ freuen sich über deinen Besuch!

Restaurant Apadana

Hamburger Straße 1

1050 Wien

 

 

Chefkoch Arman T. Riahi empfiehlt:

 

3-Gänge-Menü

 

  1. Mirza Ghasemi (Rotes Melanzanimousse), Kashke Bademjan (Melanzanimousse mit getrocknete Sauermilch), Dolmeh Barg (Gefüllte Weinblätter) und Kuku Sabzi (Persisches Kräuteromelett)

 

  1. Kabab Makksus Apadana (Djudjeh Kabab und Kabab Kubideh) und Ghorme Sabzi (Kräutereintopf)

 

  1. Hausgemachtes Safran-Eis mit gefrorenem Schlagobers – dazu Schwarztee

 

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