Land ohne Einwohner

08. Oktober 2013

Von 1 bis 15 Oktober findet in Bosnien und Herzegowina die erste Volkszählung seit 1991 statt. Obwohl es ich dabei um eine rein statistische Erhebung handeln sollte, läuft nach der ersten Woche schon alles aus dem Ruder.

Die erste Zählung nach 22 Jahren sollte klare Daten über die wirtschaftliche Situation des Landes, das Bildungsniveau und die Beschäftigungsquote liefern. Stattdessen aber mutiert sie zu einem gefährlichen politischen Instrument, das dabei ist die Spannungen im Land weiter zu verschärfen. Denn das Hauptaugenmerk liegt nur auf drei Fragen, zur Ethnizität, Religion und der Muttersprache.

Nicht Bosniake, nicht Serbe, nicht Kroate was dann?

„Bitte kreuzen Sie an, was sind Sie?“ Zu dieser Frage gibt es drei Antwortmöglichkeiten, Bosniake, Serbe und Kroate. Da keines dieser drei Möglichkeiten Einwohner aus Bosnien und Herzegowina bezeichnet, handelt es sich also um ein Land ohne Einwohner. Nicht nur dass es Bosnier oder Herzegowiner heiβen sollte, nein es fehlen auch andere wie Roma oder Juden etc. die ebenfalls Bürger des Landes sind. Als was sollten diese ausgewiesen werden?

Ibrahim aus Sarajevo ist verheiratet mit Anita. Er ist Muslime und sie ist Katholikin, seine Frage lautet: „Ich bin nicht Bosniake, Serbe oder Kroate und meine Frau auch nicht, was sind wir dann, unerwünscht, Tiere?“ Mit dieser Frage ist er nicht der einzige. Aber auch die anderen Bürger sorgen sich. Meho aus Zvornik meint: „1991 nach der Veröffentlichung der Ergebnisse kam der Krieg, was kommt diesmal?“

Arbeitsmoral a la Balkanstyle

Denn nicht nur dass die Fragen falsch formuliert sind, auch die Arbeitsweise der Befrager entpuppt sich als typisch Balkanstyle. Anstatt in den Häusern der Bürger und nach strenger Kontrolle der Ausweise, werden die Fragebögen in Kaffeehäusern ausgefüllt und Leute eingetragen, die längst nicht mehr in Bosnien leben und eine andere Staatsbürgerschaft haben. Allein in Sarajevo wurden innerhalb von zwei Tagen 50 falsche Fragebögen entlarvt.

 

Man kann also auf die ersten Ergebnisse gespannt sein, die wahrscheinlich ein falsches Bild der Bevölkerungsstruktur aufweisen werden und von der Politik genutzt werden um die Bürger gegeneinander aufzuhetzen.

Kommentare

 

wie ist das jetzt, müssen alle im ausland lebenden, die aber noch die bosnische staatsbürgerschaft haben, auch so ein formular ausfüllen? oder nur jene, die unten auch einen hausstand haben?

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