Leben hinter dem Feld des Todes

23. Februar 2022

Am 22. Februar wurde die Ausstellung "Leben hinter dem Feld des Todes" (Životi iza polja smrti”) in Srebrenica eröffnet. Biber-Korrespondent Dennis Miskić, der gerade seinen Zivildienst im "Srebrenica Memorial Center" leistet, war bei der Eröffnung dabei. 


8372.

Was wie eine gewöhnliche Zahl wirkt, ist im Kontext von Srebrenica alles andere als gewöhnlich. Hier wurden im Juli 1995 über 8000 muslimische Männer und Buben ermordet. Es war ein Versuch der Armee Republika Srpska, die Stadt ethnisch zu säubern. Das Srebrenica Memorial Center erinnert mit Bildungsinitiativen und Ausstellungen an den Genozid. Auch die Leichen, nach denen man zum Teil immer noch auf der Suche ist, werden jedes Jahr zum Gedenktag, dem 11. Juli, hier begraben. Das Srebrenica Memorial Center hat am 22. Februar die Ausstellung „Leben hinter dem Feld des Todes” („Životi iza polja smrti”) eröffnet. Gezeigt werden 100 Interviews von Überlebenden des Genozids. Neben den Videos sind auch persönliche Gegenstände aus der Kriegszeit ausgestellt. Viele von ihnen wurden von Familienangehörigen gespendet oder neben den Leichen in Massengräbern gefunden. Die Ausstellung gibt den Opfern ein Gesicht, einen Namen und eine Stimme. Was für viele die Erinnerung an den schlimmsten Abschnitt ihres Lebens ist, hat in der heutigen Zeit des Geschichtsrevisionismus einen immens hohen Wert.

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Das wertvollste Instrument gegen Revisionismus

Als Besucher*in der Ausstellung befindet man sich in einem dunklen Raum mit noch dunkleren Fernsehern und Aussagen von Srebrenica-Überlebenden. Bei diesen Aussagen kann einem nur ein kalter Schauer über den Rücken laufen. Die Interviews dauern oft mehrere Stunden und beleuchten verschiedene Aspekte des Genozids. Das Leben vor und während dem Krieg, sowie die post-traumatischen Folgen, mit denen die Überlebenden leben müssen, werden thematisiert. Darüber, wie das Leben vor dem Krieg in Bosnien und Herzegowina war, zu reden, ist deshalb so wichtig, weil aufgezeigt wird, dass man in einer Gemeinschaft miteinander und nicht nebeneinander gelebt hat. Für viele war die plötzliche Aggression und Islamophobie von serbischer Seite unerwartet und bleibt bis heute unverständlich. "Auf den Fotos sind Menschen aus Srebrenica. Ich denke dabei an gute Menschen und davon gab es viele in Srebrenica. Es war ein wirklich spezifisches Umfeld, extrem gemischt. Wo niemand jemals jemanden nach seinem Namen gefragt hat, weil es ihnen einfach egal war, welcher Nationalität oder Religion du angehörst. ‟ erzählt Damir Škaler, ein Überlebender. Viele weitere Aussagen bestätigen, dass Srebrenica ethnisch durchmischt mit wenig Interesse an der Nationalität des anderen war. Andere Interviews wiederum erzählen von Gräueltaten und Kriegsverbrechen. Es steht außer Frage, dass diese Aufzeichnungen, die Worte der Zeitzeug*innen, die beste Waffe gegen Geschichtsrevisionismus darstellen und noch lange in Erinnerung bleiben werden.

Spuren jener, die es nicht geschafft haben

Es ist schwer, die herzzerreißende Atmosphäre in einem Raum zu beschreiben, in dem die Tränen vieler Mütter fließen. Mütter, welche die ausgestellten Hemden ihrer verstorbenen Söhne sehen. Die persönlichen Gegenstände der Opfer spielen in dieser Ausstellung eine Schlüsselrolle. Durch sie wird das Leid und der Kampf ums Überleben der Menschen im Krieg greif- und spürbar.  Sie repräsentieren für die Familie das bedeutendste Andenken, welches sie an ihre verstorbenen Liebsten haben und sind deshalb unbezahlbar. Die Entscheidung, sich von diesen Gegenständen zu trennen und sie zu spenden, ist für viele ein schwerer Schritt und trifft direkt ins Herz. Es sind die Spuren jener, die es nicht geschafft haben. Diese Spuren werden für immer ein Andenken sein.

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Ahmedin Dzozić
Dennis Miskić ist 19 Jahre alt und leistet als erster Österreichischer Auslandsdiener seinen Zivildienst im Srebrenica Memorial Center. Auf dem Foto ist er im Gespräch mit Christian Schmidt (Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegovina) bei der Eröffnung der Ausstelung zu sehen. 

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