Mein bester Rat: Erwin Pröll. "Das ist größtenteils angeboren."

01. Dezember 2017

Foto: Zoe Opratko
Foto: Zoe Opratko

Interview: Simon Kravagna, Fotos: Zoe Opratko 

BIBER: Sie haben 25 Jahre lang Niederösterreich geführt. Kann man Leadership lernen?

ERWIN PRÖLL: Ein guter Teil ist angeboren, weil es dabei um Charaktereigenschaften geht. Natürlich kann man das, was als Erbgut mitgegeben wurde, noch im Laufe der Arbeit verfeinern.

Haben Sie jemals Führungs-Seminare besucht oder einen Coach gehabt?

Niemals. Jemand, der es notwendig hat, sich coachen zu lassen, läuft auch Gefahr, sich verbiegen zu lassen. Die Bürgerinnen und Bürger merken schnell,was authentisch ist. Das ist auch der Grund, warum ich in 99 Prozent der Fälle ein Freiredner war.

Das heißt, Sie haben fast alle Ihrer Reden ohne Vorbereitung gehalten?

Ich habe mir entweder alleine oder gemeinsam mit Mitarbeitern eine Gedankenskizze gemacht. Ich bin aber unglaublich sensibel auf die jeweilige Stimmung, Erwartung und klimatische Situation im Auditorium eingegangen -egal wo oder wer das war.

Kann man sich so etwas antrainieren?

Das ist größtenteils angeboren. Ich bin ob dieser Fähigkeit auch sehr dankbar. Im Blick zurück weiß  ich, dass mir im wesentlichen zwei Eigenschaften wahnsinnig geholfen haben. Erstens diese Sensibilität, Stimmungen intuitiv zu spüren und darauf minutiös eingehen zu können. Zweitens mein Talent unter Tags - zum Beispiel bei einer Autofahrt zwischen zwei Terminen – zehn Minuten zu schlafen, um danach wieder voll da zu sein, als hätte ich eine ganze Nacht durchgeschlafen. Diese Gabe habe ich von meinem Vater geerbt.

Zu Sebastian Kurz: Er scheint politstrategisch gesehen viel richtig zu machen. Aber worauf muss ein erfolgreicher Politiker denn aufpassen?

Die größte Gefahr erfolgreicher Politiker ist, – aber da lege ich bitte Wert darauf, dass dies nicht auf Sebastian Kurz gemünzt ist – dass man verlernt sich selbstkritisch zu hinterfragen. Mein wichtigstes Korrektiv war in den 25 Jahren als Landeshauptmann immer das Echo aus der Bevölkerung.

Aber wer sagt schon einem Landeshauptmann ins Gesicht, was er oder sie wirklich denkt?

Sie täuschen sich. Die Menschen sind viel gerader zu Politikern als man meint. Ein gstandener Bauer, Arbeiter oder eine Unternehmerin verbiegt sich nicht – auch nicht vor einem Politiker.

Gibt es Menschen, in denen Sie sich völlig getäuscht haben?

Ja. Ich glaube, das war für mich schwer vermeidbar. Mein Zugang zu Menschen ist ein recht offener. Je offener man ist, desto größer die Gefahr, dass man sich auch täuscht.

Woher weiß man als Führungskraft, dass es Zeit ist abzutreten?

Das ist keine Frage des Wissens, sondern des Spürens. Jemand, der will, dass es nach einem gut weitergeht, spürt, wann es Zeit ist, die Stafette weiter zu reichen, damit der Stafettenlauf erfolgreich fortgesetzt werden kann.

In Stories über Sie wurde oft von Wutausbrüchen berichtet.

Das entspricht nicht der Wahrheit. Man muss als Politiker damit leben, dass einem der politische Gegner böse Dinge andichtet. Aber natürlich war und bin ich dafür bekannt, mich laut artikulieren zu

können. Es gibt da übrigens einen alten Spruch, der auch für Politiker gilt: Steh’ auf, dass dich a jeder sieht. Red laut, dass dich a jeder hört. Und red kurz, dass dich a jeder mag.

Worauf sind Sie stolz in Ihrem Leben?

Ich bin eher dankbar. Dankbar dafür, dass ich das Glück hatte mit vielen Künstlerinnen und Künstlern, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine sehr gute Beziehung zu haben. Das

hat mir unglaublich viel Input für meine politische Arbeit gebracht.

Was hat Sie da inspiriert?

Ich habe gespürt, dass sie der gesellschaftlichen Entwicklung ein Quäntchen voraus sind. Ich wollte diese Innovationskraft

in meine politische Arbeit transferieren. Das ist gelungen. Wir haben heute in Niederösterreich eine wissenschaftliche

und kulturelle Infrastruktur, die uns zu einem selbstbewussten und

offenen Land gemacht hat. 

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