"Ich war ein Problemkind mit guten Absichten." - Rapper Svaba Ortak im Interview

27. März 2019

 

Svaba Ortak
Foto: Aleksandar Peric

Svaba Ortak hat gerade sein erstes Album "Eva & Adam" veröffentlicht, wir haben ihn vor dem Erscheinungstermin getroffen. Der Wiener Rapper hat mit uns über seine Kindheit, Deutschrap und Ariana Grande geredet. 

„Bitte Patschen anziehen!“ sagt jemand, als wir das Studio betreten. Svaba Ortak zieht seine Sneakers aus und schlüpft in viel zu kleine Stoffpatschen. „Aber he, pass bitte auf, dass man die nicht auf den Fotos sieht!“, ruft er dem Fotografen zu. Ich nehme im Studio von NVDW Platz, einer Gruppe von Produzenten, die hier im Keller einer Wohnungsanlage des 10. Bezirks die Hits von morgen basteln. Während die Laxenburgerstraße über ihnen langsam zur Ruhe kommt, fangen die Jungs erst mit der Arbeit an. Ohne diese Arbeit von PMC Eastblok, Doni Balkan und Stanic wäre Svaba Ortaks erstes Album mit dem Namen „Eva & Adam“ wohl nie zustande gekommen, meint er. Als ich den Wiener Rapper für ein Interview anfragte, stellte er zwei Dinge klar: Er kommt nur mit seinen Produzenten und er redet nicht über Politik. 

von Anna Jandrisevits, Fotos: Aleksandar Peric

biber: Warum willst du nicht über Politik reden?

Svaba Ortak: Alle Journalisten wollen immer nur über Politik reden. Das nervt. Ich bin Rapper und will über meine Musik sprechen, nicht über Politik. Interviews gebe ich eigentlich auch nicht, aber mit biber habe ich in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht. Das Magazin lag damals schon in meiner Schule, also kenne ich es schon seit meiner Jugend.

Wie hast du deine Kindheit und Jugend in Erinnerung? 

Sehr schön. Ich war ein Problemkind mit guten Absichten. Ich wollte nie jemandem etwas Böses, war aber immer ehrlich. So wie Kinder eben sind. Irgendwann bin ich da rausgewachsen und meine Eltern haben mir Manieren beigebracht. 

Woher stammen deine Eltern?

Meine Mutter ist aus Bosnien und mein Vater aus Montenegro. Er kam schon vor dem Krieg nach Wien und hat hier als Bauarbeiter gearbeitet. Als es unten zu brodeln begonnen hat, ist meine Mutter nachgekommen. Sie haben sich im 3. Bezirk angesiedelt und zwei Jahre später kam ich auf die Welt. In der Rudolfsstiftung, wenn du’s genau wissen willst. Das Stockwerk weiß ich nicht mehr (lacht). 

Bevor ich die nächste Frage stellen kann, unterbricht mich Svaba Ortak mit einem kurzen „Wart kurz!“ und dreht sich zum Computer, der zwischen zwei Musikboxen auf dem Tisch steht. Er steigt ins Internet, klickt auf YouTube und gibt „Vlado Georgiev“ (serbischer Sänger; Anm. d. Red.) in die Such-Zeile ein. „Spielen wir bisschen Musik im Hintergrund ab. Jugo-Balladen sind das Geilste!“, sagt er. Das Interview wird anschließend von stimmungsvollen Balkan-Klängen begleitet. 

Kam für dich je ein "normaler" Job infrage?

Ja, natürlich. Rapper zu werden war lange Zeit nur ein zweites Standbein. Ich war auf der Graphischen, und danach habe ich keinen Job in der Branche gefunden. Also bin ich direkt andere Berufswege gegangen. Ich habe in jedem Bereich gearbeitet, den man sich vorstellen kann. Es fehlt nur noch der Dönerstand. In Museen war ich zum Beispiel für die Reinigung zuständig und da haben mich viele Leute erkannt.

Wirst du oft erkannt?

Jeden Tag. Früher wollte jeder ein Autogramm, heute geht’s nur noch um ein Foto. Aber das bestätigt mir, dass ich meine Arbeit gut mache. Ich kann mich erinnern, als ich 2010 das erste Mal auf dem Westbahnhof erkannt wurde und mir jemand sagte, dass er meinen Song feiert. Ich hatte keinen Plan wer der Typ war, aber das war die Bestätigung, die ich gebraucht habe, um weiter zu machen.

Svaba Ortak
Foto: Aleksandar Peric

Wie kam es zu dem Künstlernamen Svaba Ortak?

Der Name stammt aus dem serbischen Film „Rane“ (1998). Im Film geht es um zwei Hawaras, die Svaba und Pinki heißen. Ich habe damals mit einem meiner besten Freunde angefangen zu rappen, er hat sich den Namen Pinki gegeben und ich mir den Namen Svaba. Und jetzt bin ich Svaba Ortak, niemand sonst. 

Warum heißt dein Album „Eva & Adam“ anstatt „Adam & Eva“? 

Die Frau hat in meiner Familie einen hohen Stellenwert. Ich sehe das vor allem bei meinen Eltern, die Frau ist das Allerwichtigste. Und da dieses Album ein Geschenk an meine Eltern ist, habe ich das Album „Eva & Adam“ genannt. Wenn man sich das Album anhört, weiß man definitiv, warum es so heißt.

Hat dein Leben einen starken Einfluss auf das Album?

Mein Gott, auf jeden Fall. Es geht hauptsächlich um mich und persönliche Geschichten, die ich über die Jahre erlebt habe. Es geht auch um meine Eltern, meine Freunde und meine Liebe zur Musik. Auch um Probleme, mit denen der normale Gastarbeiter zu kämpfen hat. Das Album ist meine Autobiographie, aus jedem Song hört man einen Auszug meines Lebens. Der Song „Südbahnhof“ zum Beispiel, der von PMC EastblokDoni Balkan und Manilo produziert wurde, beschreibt eine Liebesgeschichte von zwei Menschen, die nach Österreich kommen, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen und es trotzdem schaffen, ein Leben aufzubauen. Es ist die „Eva & Adam“ Geschichte. 

Was bedeuten deine Produzenten für dich?

Jeder Song ist wie ein Haus. Ich grabe und lege das Fundament, während die Produzenten den Beton mischen und ihn ins Fundament gießen. Dann beginne ich eine Mauer zu bauen, ich schreibe also den Text. Das Dach machen wir zusammen, indem wir den Song mixen und mastern. PMCDoni und Stanic haben den musikalischen Faden der Geschichte kreiert. Deswegen rede ich die ganze Zeit von „unserem“ Projekt. Deswegen schleppe ich sie hier auch mit, weil wir das Album gemeinsam erschaffen haben. Das ist mir sehr wichtig. Früher hat ein Rapper ein Lied veröffentlicht und niemand wusste, wer es produziert hat. Mittlerweile genießen manche Produzenten denselben Status wie Rapper. Wenn ich ihnen das durch meine Stimme ermöglichen kann, ist mir das nur Recht. Und wenn man dann auch noch befreundet ist und über alles reden kann, ist das ein Jackpot. 

Warum ist Deutschrap momentan so erfolgreich?

Das hat viel mit den Streamingdiensten zu tun. Jeder hat ein Smartphone und dadurch rund um die Uhr schnellen Zugang zu Musik. Anfangs dachte ich, dass Spotify & Co uns alle in den Ruin treiben werden. Aber das Gegenteil ist der Fall, Deutschrap explodiert und ist so angesagt, wie nie zuvor. Die Rapper gehen mittlerweile so oft Gold, dass sie keinen Platz mehr an der Wand haben. Und das ist gut so. Denn Musik wird den Menschen immer helfen. Musik ist wie eine Schulter, die Halt gibt. 

In deinen Texten geht’s auch um Drogen und Gewalt. Siehst du das problematisch? 

Jeder trägt sein Kreuz selbst. Ob meine Songs einen Einfluss auf die Hörer haben, kann ich nicht bestimmen. Mir war immer wichtig, dass ich jetzt keine brutal frauenverachtenden Texte rappe. Ich bin keinesfalls ein weißes Schaf, ich bin definitiv schwarz. Aber richtig brutale Texte sind nicht mein Ding. Ich bin ein einfacher Typ aus einer einfachen Stadt mit einem einfachen Leben. Und von dem erzähle ich.

Svaba Ortak
Foto: Aleksandar Peric

Viele Rapper stehen Medien kritisch gegenüber. Du auch?

Ich und viele andere Rapper hatten nie das Gefühl, von den Medien unterstützt zu werden. Nie kam ein Echo, wenn man einen Song rausgebracht hat. Selbst mit Videos, die teilweise 300.000 Klicks auf YouTube knacken, kriegen Rapper kein Echo in diesem Land. Ich verstehe nicht, warum. Es ist ja nicht so, als würden wir das nicht wollen. 

Du bist jetzt bei Sony Music unter Vertrag. Hast du dich seit deinen Anfängen als Rapper verändert?

Nein. Ich fahre immer noch mit der Straßenbahn. Wieso sollte ich mich verändern? Ich habe höchstens gelernt, mehr Verantwortung zu übernehmen und nicht überheblich zu sein. Ich hatte früher Momente, wo ich mich gefühlt habe, wie der beste Rapper der Welt. Aber da hat mein Bruder nur einmal „Halt die Fresse!“ sagen müssen und ich war ganz schnell wieder am Boden. 

Hast du deinen Eltern das Album vorgespielt? 

Das mache ich morgen, wenn ich das Album das erste Mal in den Händen halte. Meine Mutter wird es sicher lieben, sie ist mein größter Fan. Wenn ich ihr Plakate von mir bringe, macht sie Fotos davon und schickt es den Verwandten in Montenegro und Bosnien. Sie hat sich extra eine Google Play Karte geholt, damit sie meine Lieder kaufen kann. Mein Vater ist natürlich auch sehr stolz, aber er sagt dauernd, ich soll auf Serbisch rappen, damit die Verwandten meine Texte auch verstehen (lacht).

Ein Vogel hat mir gezwitschert, dass du Ariana Grande feierst...

Ich würde diese Frau sofort heiraten (lacht). Es ist eine komplett andere Musikrichtung, aber ihre Lieder und Vocals haben mich bei den Mix- und Master-Arbeiten zum Album sehr inspiriert. Sie macht alles sehr gezielt. Das gefällt mir. 

Was hast du aus diesem Album gelernt? 

Ich glaube, wir haben in diesen drei Jahren sehr viel gelernt, vor allem in Bezug auf unsere Arbeitsmoral. Wie wir mit bestimmten Dingen umgehen, uns gegenseitig behandeln und miteinander kommunizieren. Wir sind mit diesem Album sehr gereift. Vor einem zweiten Album habe ich deshalb überhaupt keine Angst mehr. Nur Ehrfurcht. 

Svaba Ortaks Album "Eva & Adam" erscheint am 29. März 2019. Die Album-Release-Show findet am 12. April in der SIMMCITY in Wien statt. Tickets unter www.oeticket.com

 

 

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