Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft Vural: "Schaden abwenden, bevor er auftritt"

20. Januar 2021

Der Präsident der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), Ümit Vural, sieht die Impfung als religiöse Pflicht aller Muslime, fordert mehr mehrsprachige Infos zu den Corona-Maßnahmen und verrät uns, wie der Koran zur Impfung steht. 

 

Foto: Marko Mestrovic
Foto: Marko Mestrovic

biber: Herr Vural, werden Sie sich impfen lassen?

Ümit Vural: Ja, sobald ich an der Reihe bin.

Warum eigentlich?

Ich werde mich aus einer solidarischen Haltung des Gesellschaft gegenüber impfen lassen. Damit wir die Coronakrise endlich überwinden und in unseren gewohnten Alltag zurückkehren können, muss ein erheblicher Teil der Bevölkerung geimpft werden. 

Was sagt der Koran zu Imfpungen?

Im Islam gilt das Prinzip, dass man Schaden abwenden soll, bevor er auftritt. Als Muslim*innen stehen wir in der Pflicht, die Gesundheit und das Leben der Schwächsten unserer Gesellschaft und nicht zuletzt auch unser eigenes zu schützen. In einer Überlieferung des Propheten Muhammad finden wir eine klare Empfehlung dazu, Heilung zu suchen: „Allah hat keine Krankheit herabkommen lassen, ohne dass Er für sie zugleich ein Heilmittel herabkommen ließ.“ Diese Pandemie hat bereits Millionen Menschen das Leben gekostet und unglaublichen psychischen und materiellen Schaden nach sich gezogen. Ich bin daher überzeugt davon, dass man es durchaus auch als religiöse Pflicht empfinden kann, sich impfen zu lassen.

Bekommen Sie von gläubigen Muslimen viele Fragen zur Impfung?

Derzeit halten sich die Anfragen noch in Grenzen, aber als IGGÖ setzen wir uns natürlich mit dieser Frage auseinander und innerhalb der muslimischen Bevölkerung gibt es hier durchaus kontroverse Debatten, was die Sicherheit und die Inhaltsstoffe der Impfung betrifft. Diesbezüglich bemühen wir uns im Rahmen unserer Möglichkeit um Aufklärung.

 

"Allah hat keine Krankheit herabkommen lassen, ohne dass Er für sie zugleich ein Heilmittel herabkommen ließ.“

 

Was braucht es, um die verbreitete Impfskepsis in der muslimischen Community zu verringern?

Es gibt wie in allen gesellschaftlichen Gruppen auch in der muslimischen Community Mitglieder, bei denen Bedenken und Verunsicherung bezüglich des Impfstoffs bestehen. Teilweise beobachte ich eine Abnahme des Vertrauens in die Richtlinien der Regierung im Bereich der öffentlichen Gesundheit, was meiner Meinung nach vor allem auf die mangelnde Kommunikation und Zusammenarbeit mit Minderheitsgesellschaften zurückzuführen ist. Es fehlt an Multiplikator*innen, wirksamen Kampagnen und Aufklärungsmaterialien in unterschiedlichen Sprachen.

Reichen die Bemühungen der Stadt Wien und des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) von der Bundesregierung, was die Aufklärung in verschiedenen Sprachen betrifft?

Die Stadt Wien ist in diesem Bereich engagiert, dennoch kommen diese Bemühungen nur sehr eingeschränkt an. Man könnte diesbezüglich vermehrt mit Ethnomedien arbeiten oder auf Meinungsbildner*innen in den jeweiligen Communities zurückgreifen.

Was macht die IGGÖ konkret, um das Coronavirus zu bekämpfen?

Die IGGÖ hat bis jetzt alle Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus uneingeschränkt unterstützt und als erste Religionsgemeinschaft in Österreich mit der Aussetzung der Gemeinschafts- und Freitagsgebete bereits vor den ersten Erlässen strikte Maßnahmen getroffen. Sowie die Mehrheit der islamischen Gelehrten weltweit, sieht auch unser theologischer Beratungsrat in der hochgradig ansteckenden Natur des Coronavirus eine Rechtfertigung für den Einsatz des Impfstoffes und rät den Gläubigen den Empfehlungen der Gesundheitsexpert*innen zu folgen und sich impfen zu lassen.

Der Jurist Ümit Vural ist seit 2018 Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. 

Interview: Amar Rajković

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