Start up! Finanziert von der Crowd
Durch Crowdfunding sammelten Projekte und Start-ups letztes Jahr weltweit Milliarden Euros. Weil das Finanzierungsmodell langsam in Österreich aufblüht, schaut nun auch die Politik hin und bringt 2015 ein Crowdfunding-Gesetz.
VON MAIDA DEDAGIC
Antonio freut sich. Er ist Mitarbeiter Nr. 1 in Magdas Hotel, wo ab Februar 27 Flüchtlinge aus 14 Nationen beschäftigt werden. Vor 10 Jahren musste Antonio wegen politischer Verfolgung aus dem Iran fliehen. Das Asylverfahren wurde schnell abgewickelt: „Da war ich eine Ausnahme.“ In der Arbeitswelt hatte der gelernte Elektrotechniker weniger Glück: „Hier mal drei, da mal vier Monate auf Baustellen.“ Wenn am 15. Februar Magdas Hotel eröffnet, bleibt Antonio auch nach der Baustelle. Er hat den Job als Haustechniker bekommen.
Finanziert wird der moderne Begegnungsort, in dem Flüchtlinge internationale Touristen willkommen heißen, durch Kooperationen und Spenden, darunter auch Crowdfunding. Über die Plattformen crowdfunding.at und startnext.de spendeten Nutzer bereits 50.000 Euro für die Social-Business-Idee der Caritas. „Davon zahlen wir die Ausstattung des Hotels, seien es Betten oder Besteck“, sagt Hotelmanager Sebastiaan de Vos. Je nach Spendenbetrag gibt es für die Unterstützer ein Dankeschön, das von Postkarten bis zu Hotelgutscheinen reicht, so das Prinzip von Crowdfunding.
Die Crowd muss an die Idee glauben.
„Wir wollen auf etwas aufmerksam machen: Wer legal in Österreich lebt, soll auch legal arbeiten dürfen!“, sagt de Vos. Flüchtlinge müssten oft viele Jahre auf eine Arbeitserlaubnis warten und mit den Lücken im Lebenslauf will sie keiner. „Wer von Integration spricht, muss auch eine normale Lebensführung ermöglichen. Stell dir vor, du sitzt beim Arzt und wartest nicht eine Stunde, sondern Jahre, so fühlt sich das an. Magdas Hotel holt diese Menschen aus dem Wartezimmer rein.“
Aber es sind nicht nur soziale Projekte, die Crowdfunding zu dem angesagtesten Finanzierungsmodell 2015 machen. Viele kreative Vorhaben oder innovative Start-ups scheitern heutzutage an klassischen Finanzierungsmodellen, z. B. mangelnden Krediten. Die Erfolgsquote von Crowdfunding aber liegt bei über 50 Prozent.
„Kann ich da auch Geld für mein Projekt bekommen?“
Orhan Tançgil brauchte 5.000 Euro, um ein Kochbuch mit türkischen Rezepten zu veröffentlichen. Kein Problem! Um die Vision eines verpackungslosen Supermarkts in Angriff zu nehmen, benötigte Berit Heller 25.000 Euro. Durch viele Crowdfunding-Spenden von Kleinbeträgen wurde auch das finanziert. Mit 500.000 Euro sollte Marty McFlys Hoverboard realisiert werden und nun wird das fliegende Skateboard aus „Zurück in die Zukunft“ tatsächlich Wirklichkeit. Die „Krautreporter.de“ wollten 1 Mio. Euro, um ein Online-Magazin für unabhängigen Journalismus zu finanzieren und bekamen den Betrag ebenso. Und selbst 6 Mio. Euro, um wie Neil Young mit einem neuartigen Musikplayer den Markt zu erobern, gehören auf Crowdfunding-Plattformen zum Alltag.
2014 flossen alleine über die Plattform kickstarter.com 1.000 US-Dollar pro Minute in Projekte. Grenzen kennt die Crowdfunding-Dynamik keine, nur Möglichkeiten. Kurioses Beispiel gefällig? Der 31-jährige Zack Brown zielte auf 10 US-Dollar, um sich zum ersten Mal einen Kartoffelsalat zu machen. An der Idee hatten Nutzer Freude: Er bekam 55.000 und versorgt jetzt ganze Parties mit seinem Kartoffelsalat.
Ob du also auch einfach online ein Projekt starten und Geld für die Umsetzung bekommen kannst? „Klar kannst du!“ Nicht nur in den investierungsfreudigen USA, auch im zurückhaltenden Österreich haben sich die Geldsummen für Crowdprojekte von 2013 auf 2014 verdoppelt. Neben dem Crowdfunding gewinnt vor allem auch das Crowdinvesting an Fahrt. Dabei werden die Unterstützer zu Investoren und erwerben direkte Anteile an Projekten. Im Erfolgsfall werden sie am Gewinn beteiligt, tragen aber auch das Risiko.
Crowdfunding-Gesetz kommt!
Bevor Harald Mahrer Staatssekretär im Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium wurde, interessierte er sich als Unternehmer und Business Angel für vielversprechende Geschäftsmodelle. Das NixeBier, das durch die Crowdinvesting-Plattform Conda.at 150.000 Euro sammelte, hielt er zuletzt für ein solches. „Damit gute Ideen und Start-ups unterstützt werden, sind neue Modelle abseits bankgetriebener Finanzierung notwendig.“ In den letzten Wochen hat er das Crowdfunding-Gesetz erarbeitet, das den gesetzlichen Rahmen dazu bieten soll.
Wien: Nicht arm, aber sexy?
Kristina Tsvetanova kam trotzdem aus Bulgarien hierher, um ihre Vision vom „Blitab“, dem ersten Tablet für Blinde und Sehbehinderte zu verwirklichen. „Wir haben überlegt, ob Wien oder Berlin. Die Start-up-Szene, die es in Berlin schon gibt, entwickelt sich hier erst. Trotzdem: Österreich ist nicht sehr groß, aber die Förderungen sind ausreichend.“ Das Blitab, das Bläschen auf der Oberfläche formt und so durch Brailleschrift Texte aus dem Netz lesbar macht, gewann diverse Awards. Nun versucht es das dreiköpfige Team mit Crowdfunding: „Wir sind hochqualifiziert, aber in Bulgarien haben wir mit unserem Projekt keine Chance.“ Einfach geht die Sache nicht: "Es ist ein Vollzeitjob." Der erste Crowdfunding-Versuch von Blitab scheiterte. „Es funktioniert wie ein Restaurant: Wenn es leer ist, geht keiner hin. Wenn es voll ist, wollen alle rein.“
Der Weg zum Erfolg
„Ausländer haben hier vielleicht nochmal eine größere Hürde von Inländern Geld zu bekommen, da ihnen das Netzwerk fehlt“, sagt Reinhard Willfort, der mit 1000x1000.at die erste Crowdfunding-Plattform Österreichs gegründet hat. Lokalpatriotismus spielte schon immer eine wichtige Rolle, weshalb er gerade in Österreich auch eine Chance für lokale Projekte sieht. Ob regional oder international, für Erfolg sorgt nicht nur der innovative Wert des Produktes, sondern die Personen dahinter. „Wenn ich eine Idee gut finde, ist auch Vertrauen da? Ist Ausstrahlung da? Steht eine einzelne Person oder mehrere dahinter? Und nehme ich der Person ab, dass sie ihre Idee auch durchsetzen wird, und dass es das Projekt ihres Lebens ist? Wer sich hier nicht verkaufen kann, kommt nicht weit.“
Crowdfinanzierung: Win-Win für alle
So innovativ die Produkte auch sind und so glaubhaft die Personen dahinter, ohne die Investorenseite geht’s nicht: „Das ist noch eine Insider-Community, was auch am noch fehlenden rechtlichen Rahmen liegt.“ Österreich hat von Haus aus keine Innovations- und keine Investitionskultur wie die USA. „Man hat ein Sparbuch, vielleicht mal eine Aktie versucht. Bloß nichts Neues, das funktioniert doch eh nicht! Dabei sollte bei Null Zinsen auf der Bank die Bereitschaft zu investieren größer sein denn je.“
Die Quote bei Crowdprojekten sei besser als beim Lotto, sagt der Experte und eine Gewinnsituation für alle Beteiligten. Die Investoren können sich ein umfassendes Bild machen, die Gründer bekommen direkte Rückmeldungen und können sie umsetzen. „Österreich braucht mehr Kultur in Sachen Innovationstun. Das könnte Crowdfunding bewirken!“
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