Warum Ceca nicht „nur“ eine Sängerin ist

19. November 2013

 

Ihr Konzert war DAS Event des Jahres in der Ex-Yu-Community. Die serbische Turbofolk-Ikone Ceca verwandelte vergangenen Samstag die Eventpyramide Vösendorf in ein vollbepacktes Tollhaus. Das vorwiegend weibliche Publikum war gekommen, um eine gute Zeit zu haben. Etwas trinken, den Ex mithilfe Cecas Schnulzenliedern zum Teufel schicken und vor allem den Rest der Welt zeigen: Wir unterstützen hier keine Kriegsverbrecher, sondern lieben Cecas Musik und die Liebe, die sie mit ihren Liedern verbreitet.  „Moment mal, was hat der Krieg mit einem Konzert zu tun?“, werden sich die Nicht-Jugos unter euch fragen. Willkommen am Balkan!

 

Golddukaten und Pelzhaube

Svetlana Ražnjatović, wie die 39-Jährige mit bürgerlichen Namen heißt, ist nicht nur wegen ihrer herzzerreißenden Songs bekannt. Vor allem ihre Hochzeit mit dem Kriegsverbrecher „Arkan“ macht sie zu einer der umstrittensten Persönlichkeiten in Ex-Jugoslawien. Der im Jahr 2000 erschossene Freischärler und Untergrundkönig Željko Ražnatović soll für die Ermordung, Folterung und systematische Vergewaltigung von mehreren hunderten Zivilisten in Kroatien und Bosnien und Herzegowina verantwortlich sein. Zum Zeitpunkt seiner Ermordung in einem Belgrader Hotel im Jahr 2000 war Arkan ein weltweit gesuchtester Kriegsverbrecher. Die pompöse Hochzeit wurde 1995 live im serbischen Fernsehen übertragen, tausende Golddukaten rieselten auf das Brautpaar herunter. Kritische Medienberichte brauchte das Paar nicht zu fürchten, zu groß war die Angst unter serbischen Journalisten, für ein paar gedruckte Worte mit ihrem Leben zu bezahlen. Arkan lenkte den Belgrader Untergrund und seine Ehefrau lieferte den Soundtrack dazu. Unvergessen ihr Spaziergang mit Pelzhaube, Sonnenbrille und einer AK 47 durch die Trümmer der kroatischen Stadt Vukovar. (Was sie in Zeitungsinterviews stets dementierte.)

 

„I am from Austria“ auf Serbisch

Zurück zum Konzert in Vösendorf. Ceca fasst sich ans Herz und hält mit der anderen Hand das Mikrofon in die Menge. Das hyperventillierende Publikum trällert jeden einzelnen Vers ihres großen Hits „Beograd“ mit. Das Lied beschreibt ihre Liebe zur Stadt Belgrad. Ein „I am from Austria“ auf Serbisch, keine Spur von chauvinistischem Müll oder gar Kriegsverherrlichung. Im Publikum lassen sich auch kaum nationalistische Symbole finden, ganz anders als beim kroatischen Fascho-Sänger MC Thompson. Und trotzdem ist sie für ihre Gegner, zu denen ich mich auch zähle, ein rotes Tuch.

 

„Sexsymbol, das ich heute bin.“

Das mag daran liegen, dass Ceca schon 2003 wegen illegalen Waffenbesitzes festgenommen wurde. Und da wäre noch Veruntreuung von Transfergeldern von FK Obilić – dem Fußballverein, der durch dubiose Geldflüsse es sogar zum serbischen Meister 1998 schaffte – unter der Führung ihres Mannes Arkan. Was aber den meisten Kritikern schwer im Magen liegt – die immer noch heldenhafte, ja gar göttliche Darstellung ihres verstorbenen Mannes. Sie würde nie wieder mit einem anderen Mann schlafen, er habe sie zu ihren Lebzeiten zu dem Sexsymbol gemacht, das sie jetzt ist und er war der beste Vater für ihre gemeinsamen Kinder. Mag schon sein, aber mir fällt es schwer, diese Worte hinzunehmen. Mir fällt es schwer, Sympathie für jemanden zu entwickeln, deren Mann hunderte unschuldige Menschen bestialisch ermorden ließ. Und mir fällt es schwer, unkritisch einer Person gegenüber zu sein, die von einem serbischen Blogger und Journalisten als Synonym für „falschen Patriotismus, Kriminalität, zertretene moralische, familiäre und christliche Werte“ steht. Tut mir leid Ceca-Fans, ich weiß, die meisten von euch sind sicher keine Faschisten, Rassisten oder Hohlköpfe. Aber diesen Vorwurf werdet ihr euch weiterhin gefallen lassen müssen. Zumindest solange ihr die Frau mit eurem Geld bereichert. Und nein, das Sie-ist-eine-Sängerin-Argument möchte‘ ich jetzt nicht hören. Das gilt auch für meinen Chef, der zu Hause zwei CD's hat und sie auch sehr gerne hört.

 

Fotocredit: GEORGI LICOVSKI / EPA / picturedesk.com

 

Kommentare

 

well said

 

und zu dem sollte man auch erwähnen das ihre musik einfach unterirdisch ist. aber über geschmack lässt sich ja streiten

 

   .

Das könnte dich auch interessieren

Foto: Zoe Opratko
Zum Abschied gibt es kein Trompeten­...
Foto: Marko Mestrović
Ob Hijabi-Style, koschere Perücken oder...
Foto: Marko Mestrović
Nicht über die Communitys zu sprechen,...

Anmelden & Mitreden

5 + 2 =
Bitte löse die Rechnung