Und wo bin i dahoam? Die österreichische Serbin in mir

Ich war 7 Jahre alt, als der Vater meiner Schulkollegin mich fragte, warum ich so schlecht Deutsch spreche und mir erklärte, dass ich nie ganz zu Österreich gehören werde. Ich war 13 Jahre alt, als ich die österreichische Staatsbürgerschaft bekam, und eine Welt für mich zusammenbrach. Ich war 15 Jahre alt, als mir ein Fremder sagte, dass ich keine echte Serbin bin, wenn ich die anderen Nationen nicht hassen würde, für das, was sie uns angetan haben. Ich bin jetzt 19 Jahre alt. Es war ein langer Weg, doch heute weiß ich wer ich bin.
Mein ganzes Leben lang erklärt man mir, wer ich bin und woher ich komme – und ich hab die Schnauze voll. Als Kind mit Migrationshintergrund in Österreich aufzuwachsen war, im Nachhinein betrachtet, nicht einfach. Meine Kindheit empfand ich immer als schön, bis ich älter wurde und mir bewusst geworden ist, was eigentlich alles schiefgelaufen ist.
Meine Lehrerin meinte es sicher nicht böse, als sie uns über den ersten Weltkrieg aufklärte und mich zu meinem Statement zum Attentat von Sarajevo fragte. Als Einzige in der Klasse. Alle Augen auf mich gerichtet. Sicher meinte es auch ein Kunde bei der Arbeit nicht böse, als er mir erklärte wie man sich in Österreich zu benehmen hat und mir danach „überall scheiß Ausländer“ zurief. Er hatte halt einfach etwas gegen Ausländer.
Mein Vater meinte es sicher auch nicht böse, als er darüber Witze machte, dass ich jetzt endgültig Österreicherin bin und keine Serbin mehr, weil ich ja jetzt die Staatsbürgerschaft habe. Der Fremde, der mir erklärte, ich sei erst eine richtige Serbin, wenn ich andere Nationen verabscheue, meinte es böse. Er war aber ein rechtsradikaler Trottel.
„Na, wo gefällts dir besser, hier oder oben?“, fragen mich Verwandte in Serbien. Jeden Sommer, jedes Jahr, immer wieder dieselbe Frage. Wie soll ich ihnen sagen, dass ich dieses Land liebe, es mit Heimat, Familie und meiner Kultur verbinde, aber niemals dort leben möchte? Wie soll ich meinen Freunden in Österreich erklären, dass dieses Land mein Zuhause ist, ich mich aber oft wie eine Außenseiterin fühle?
Es ist ein Privileg, sich nie Gedanken darüber machen zu müssen, ob man in einem Land akzeptiert wird oder nicht. Es ist ein Privileg, sich die neugierigen Fragen über seine Identität ersparen zu können. Es ist ein Privileg, so einen Text wie diesen, nie schreiben zu müssen.
Es hat eine lange Zeit gedauert, bis ich mir von niemandem mehr einreden hab lassen, wohin ich gehöre. Es hat lange gedauert, bis ich verstanden habe, dass ich mich nicht für ein Land entscheiden muss. Es ist okay, zwei Heimaten zu haben und es ist okay, seine Muttersprache nicht perfekt zu beherrschen.
Ich bin in Wien geboren, aufgewachsen und beherrsche die Sprache (mittlerweile) fehlerfrei. Ich weiß trotzdem, dass ich mich hier aufgrund meines Nachnamens und meiner Muttersprache immer doppelt beweisen muss, im Gegensatz zu meinen autochthonen Freunden. Ich weiß, dass wenn ich nach Serbien komme, wir für sie die reichen Gastarbeiter sind, denen das Geld nur so zufliegt. Sie wissen nicht, wie hart wir arbeiten. Ich weiß, dass ich jeden Sommer die Frage gestellt bekommen werde, wo es mir besser gefällt. Doch was hat sich geändert? Ich werde mich nie wieder dafür rechtfertigen wer ich bin und woher ich komme.

Emilija Ilic ist 19 Jahre alt. Sie studiert ab September an der FH St. Pölten Medienmanagement.

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