Aber woher kommst du wirklich?
Dass "Kartoffel" als Schimpfwort verwendet wird, habe ich erst in Wien gelernt. Meine ausländischen Freunde machen sich manchmal liebevoll darüber lustig, wie ich in den Pinzgauer Bergen wandern gehe oder wie wir wegen mir die Rechnung sicher getrennt zahlen müssen. Ausländer hätten den Österreichern gegenüber eben genauso viele Vorurteile wie umgekehrt. Ich war somit wenig verwundert, als das Umfeld meiner tschetschenischen Freundin auf „die Österreicherin mit der sie jetzt abhängt“ skeptisch reagiert hat.
Die ewige Frage nach der Herkunft
Ich selbst bin in einem Dorf in den Alpen aufgewachsen. Wieso ich mich als Kind niemals als „Samira“, sondern stets als „Sammy“ vorgestellt habe, wurde mir erst vor einigen Jahren bewusst. Ich hasste meinen Namen. Alle fanden ihn immer schön und besonders. Ich war es als 8-jähriges Mädchen satt mit meinem Namen aufzufallen. Die ständigen Fragen woher ich denn komme und die darauffolgende Frage woher aber meine Eltern sind, verstand ich ohnehin nie.
„Keine Sorge, ich bin legal hier“
Ich kenne somit das Gefühl, gefragt zu werden woher-kommst-du-und-nein-aber-woher-kommst-du-WIRKLICH-und-okay-aber-woher-kommen-deine-Eltern. Ich habe jedoch die „angenehme“ Möglichkeit zu erklären, dass meine Eltern den Namen nur schön fanden. Dass ich „tatsächlich“ Österreicherin bin. Meine Freunde mit Migrationshintergrund kommen nicht so leicht davon.
In den meisten Situationen lachen wir darüber – wenn meine tschetschenische Freundin eine Geldtasche findet, diese zur nächsten Polizeistation bringt und der Polizist dort meint: „Auch ungewohnt, dass eine von euch mal etwas abgibt.“ Wenn an der Uni ihr Konventionsflüchtlingspass für Verwirrung sorgt und sie dem Prüfer entgegnet: „Keine Sorge, ich bin legal hier“. Oder wenn mein bosnischer Freund meint, er hätte mit meinem Nachnamen sicher bessere Jobchancen.
Wir lachen, bis mir wieder bewusst wird: DAS ist die Realität. Und DAS ist wie viele Menschen in diesem Land denken.
Zuhören, statt urteilen
Als ich einer österreichischen Freundin davon erzähle, wirkt sie besorgt. „Ich frag Leute auch immer woher sie kommen, ich mein das ja nicht böse.“ Ähnliche Kommentare findet man unter einem Standard-Artikel, in dem eine junge Wienerin mit irakischen Wurzeln berichtet, wie sehr sie die ewige Frage nach ihrer Herkunft nervt. „Jetzt geht es aber zu weit, das wird man wohl noch fragen dürfen.“
Zum Teil verstehe ich diese Menschen. Jene, die keine böse Absicht hinter der Frage nach der Herkunft sehen. Aber genau darum geht es in diesem Artikel. Dass sie natürlich weiß, die Frage sei für viele mit ernsthaftem Interesse verbunden. Für sie bedeutet es aber jedes Mal wieder, aufgrund ihres Aussehens nicht vollständig dazuzugehören.
Hätten die Kommentierenden den Artikel genau gelesen, ohne sich gleich selbst angegriffen zu fühlen, könnten sie einfach versuchen, es zu verstehen. Darin liegt aber das Problem: Wir hören Migranten nicht zu. Niemand, der über Rassismuserfahrungen berichtet, hat das Ziel alle Österreicher pauschal zu verurteilen. Es schadet dennoch keinem, das eigene Verhalten zu reflektieren. Gute Absichten bedeuten nicht automatisch gute Taten und dieses Eingeständnis fehlt vielen privilegierten Menschen in diesem Diskurs.
Österreicherin, aber eh okay
Bei aller Überheblichkeit, mit der über Migrant*innen gesprochen wird, anstatt mit ihnen, verstehe ich die Skepsis gegenüber mir als Österreicherin. Wenn also mittlerweile die Bekannten meiner Freundin über mich sagen „Sie ist Österreicherin aber sie ist absolut okay“, kann ich damit sehr gut leben. Den Status habe ich mir immerhin erarbeitet.
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