„Achtung! Politischer Islam in deiner Nähe“

02. Juni 2021

„Ich habe erst durch die sozialen Medien von diesem furchtbaren Schild erfahren“, sagt Fadi Abdelrahman. Er arbeitet als Buchhalter der „Islamischen Vereinigung (IVÖ) am Standort Praterstraße und als Imam in Breitensee. Um welches Schild es geht? Ein gelbes Schild mit der Aufschrift „Achtung! Politischer Islam in deiner Nähe“. Aufgehängt haben es die Identitären.

 

Der Ort des Geschehens: die U-Bahnstation Nestroyplatz, Ausgang Praterstraße. Innerhalb von zwei Stunden verbreitete sich die Entdeckung von insgesamt drei solcher Schilder in Wien wie ein Lauffeuer. Die Aufregung blieb nicht ohne Konsequenz. Siehe da: die Schilder waren verschwunden. Überhaupt aufgetaucht sind sie erst als Reaktion auf die Veröffentlichung der österreichweiten Islamlandkarte der Dokumentationsstelle Politischer Islam.

 

Abdelrahman berichtet uns, dass sich die Lage in der islamischen Community seit dem Terroranschlag in Wien im November immer mehr zuspitzt. Seither werden Muslime fast ausschließlich mit Radikalismus und Terrorismus assoziiert. Abdelrahman ist der Ansicht, dass es vor allem rechtspopulistische Stimmen sind, die versuchen, solche Bilder in den Köpfen der Menschen zu verankern: „Wir sind gegen Aggression und Terrorismus.“ Trotzdem hat er oft das Gefühl, dass er, wenn er zum Beispiel mit den Öffis unterwegs ist, als Terrorist betrachtet wird. Bedroht fühlt er sich nicht nur durch politische Provokationen gegen den Islam oder irgendwelche Schilder, sondern auch, weil er bereits vom österreichischen Geheimdienst unter Druck gesetzt wurde. Ein Verhör gab es zwar nur einmal, aber die Erinnerung wird in seinem Kopf noch lange bleiben.

 

Ümit Gakmak hat das Schild heute Morgen auf dem Weg in die Arbeit gesehen. Er ist in der Shisha-Bar direkt neben der Moschee berufstätig: „Man muss positiv über die Religion reden. Mit solchen Schildern weckt die Regierung wiederum Feindlichkeit gegenüber den Muslimen. Das machen nur Depperte“. Auch Frau Moser, die in der benachbarten Bäckerei arbeitet, hat kein Verständnis für das Aufhängen des „Warnschilds“:„ Haben die wirklich nichts Besseres zu tun? Was bringt denn das irgendwem?“ Vor Ort treffen wir auch auf Romana Bartl, die ums Eck wohnt. Auch sie erfuhr über Twitter vom Schild und ging zum „Tatort“, um Beweise zu sichten. Eigentlich wäre sie selbst gerne diejenige gewesen, die das Schild entfernt. Ihrer Meinung nach sind solche Aktionen „üble rechte Hetze unter Führung unserer sogenannten Integrationsministerin“.

 

Solche Schilder zu montieren ist eine mehr als umstrittene Aktion. Ebenso umstritten ist die Islamlandkarte. Diese wird die Islamische Vereinigung jedenfalls nicht auf sich sitzen lassen. Weitere Schritte sind schon geplant. Eine Anklage gegen die Islamlandkarte steht im Raum. Dass einmal solche Schritte notwendig sind, das hätte sich Abdelrahman noch vor 5 Jahren nicht gedacht. „Damals war Österreich ganz freundlich zu uns. Alle Religionen standen nebeneinander. Es ist sehr traurig und beängstigend, dass Rassismus jetzt hier so stark eskaliert.“ Eine Eskalation in Schildern. Zwei schwarze Kabelbinder als Überbleibsel einer skandalumwobenen Aktion.

 

Text in Kooperation mit Viktoriia Diadia

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