Dariadaria im Interview über Essstörungen, die Kopftuchdebatte und die österreichische Politik

14. Juni 2017

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Foto: Constant Evolution / Patrick Domingo
Foto: Constant Evolution / Patrick Domingo (Maddie & ich beim willhaben-Blogger-Sale)

Vom 9.-11. Juni ging die 14. Ausgabe des Feschmarkts in der Wiener Ottakringer Brauerei über die Bühne, wo über 220 Aussteller verteilt auf allen Ebenen des Brauhauses ihre feschen Produkte präsentierten. Auch „willhaben“ war mit dabei und ermöglichte seinen Besuchern, Second-Hand-Pieces von trendigen Bloggerinnen zu ergattern. Ich traf vor Ort Dariadaria und sprach mit ihr über die österreichische Politlandschaft, die aktuelle Kopftuchdebatte und über Essstörungen.

 

Hat man als selbstständige Bloggerin mit Vorurteilen zu kämpfen bzw. was sind die nicht so schönen Seiten im Blogger-Leben?

Natürlich hat man mit Vorurteilen zu kämpfen, weil das was man zeigt, sehr schön und easy ausschaut. Dann glauben die meisten, dass man nichts arbeitet und nichts geleistet hat für die Reichweite, die man hat. Die unschönen Seiten sind, dass man sehr öffentlich lebt, viel Privatsphäre hergeben muss und wenn man es auch beruflich macht, die Grenze zwischen Beruflichem und Privatem total verschwimmt. Die Leute wissen zum Beispiel, wie es zu Hause aussieht.

Was möchtest du jenen Mädchen und Frauen sagen, die sich nicht mal ungeschminkt aus dem Haus trauen, auch nicht wenn sie schnell nur was beim nächsten Supermarkt besorgen müssen?

Ich möchte ihnen gar nichts sagen. Wenn man sich gern schminkt und gern geschminkt aus dem Haus geht, dann ist das ihr Recht. Solange es eine freie Entscheidung ist und man sich so gut damit fühlt, ist es völlig okay. Denn für mich ist Feminismus auch, jede Frau so leben zu lassen, wie sie es möchte. Wenn sie sich die Brüste operieren lässt oder Implantate im Hintern hat und das für sich macht – also nicht für die anderen Menschen und es nicht auf Social Media jungen Mädels einredet, dass sie es auch so machen müssen – dann ist das in Ordnung.

Im aktuellen biber-Heft ist eine Reportage über essgestörte Mädchen, die sich selbst verletzten, erschienen, worin erwähnt wird, dass nicht nur das Modelbusiness, die Designer und Frauenmagazine, sondern auch die Fashion- und Lifestyle Blogger-Welt eine Mitschuld daran trägt. Mit deiner Blogarbeit sprichst du auch junge Mädchen und Frauen an, was sagst du dazu?

Ich stimme dem natürlich zu. Es sind einfach Medien, die sagen, dass das der Typus Frau ist, der gerade in ist. In der Renaissance gab es auch einen anderen Typ Frau, jetzt ist es hingegen eine ungesunde Form. Ich hab ein Video „How and why I love my body“ gemacht, darin bin ich direkt nach dem Yoga in Unterwäsche zu sehen, um zu zeigen, wie ich es selber schaffe, meinen Körper zu lieben, so wie er ist. Natürlich find ich es problematisch, dass die Blogger-Welt eine Mitschuld daran trägt. Wenn aber eine Frau für sich selber entscheidet, dass sie hungern möchte und das gut findet, dann darf sie das machen. Genauso ist es, wenn eine Frau eine Burka oder einen Burkini trägt. Die Frage ist nur: Zwinge ich meinen Lebensstil jemand anderen auf? Das ist nicht mein Problem, ob sich jemand selbst weh tut. Das ist außerhalb meiner Verantwortung und das kann ich auch nicht beeinflussen. Das ist, wie wenn Leute Suizid begehen, du wirst geboren mit der Verantwortung über dich und deinen Körper.

Was hältst du von der österreichischen Politik und in welchen Bereichen siehst du Nachholbedarf?

Ich finde österreichische Politik nahbar und das ist gut: Du hast einen Alexander Van der Bellen, der auf der Mariahilferstraße herumgeht. Du hast einen Christian Kern, der mit Stermann und Grissemann ein Video dreht. Ich finde die österreichische Politlandschaft noch recht sympathisch im Gegensatz zu einem Berlusconi, der mit Minderjährigen vögelt. Ich denke aber, dass linksgerichtete Parteien populistischer werden müssen. Generell ist Populismus keine gute Sache, aber es ist vieles von den linken Parteien zu intellektualisiert und da ist dann das Problem, dass viele nichts damit anfangen können. Gerade bei den Parteien, die so korrekt agieren, die nicht lügen oder etwas vertuschen, ist das Problem vorhanden. Um viele Menschen zu erreichen, müssten sie populistischer werden.

Welche Meinung hast du zu den derzeit größten Herausforderungen, wie den zunehmenden rechtspopulistischen Strömungen und der Flüchtlingskrise?

Rechtspopulismus ist Scheisse. Es sagt aber sehr viel über die Bedürfnisse der Wählerschaft aus und auch über die Probleme, mit denen sich der normale Mensch beschäftigt. In unserem Demokratie- und Bürokratieapparat haben wir immer noch vehemente Probleme. Ich sehe es, weil wir auch einen geflüchteten jungen Mann betreuen. Er ist jetzt bei meiner Mama eingezogen, sie hat ihn als Pflegesohn aufgenommen. Über die öffentlichen Stellen hätte das einfach ewig gedauert. Ein kleiner Verein hat das innerhalb von einem Monat abgewickelt. Man merkt, kleine Bewegungen und Vereine schaffen teils viel mehr. Da muss man schauen, ob es nicht besser wäre, viele Bürokratieapparate zu entlasten, indem kleinere Strukturen eingeführt werden.

Was sagst du zum neuen Integrationspaket der Regierung, das ein Vollverschleierungsverbot und ein Kopftuchverbot im öffentlichen Raum vorsieht?

Davon halte ich überhaupt nichts. Für mich ist Feminismus, jede Frau frei entscheiden zu lassen. Ich kenne genug Frauen, die ein Kopftuch tragen und sehr emanzipiert sind und sich bewusst dazu entschieden haben, das Kopftuch zu tragen. Wenn eine Frau ein Kopftuch tragen will, dann soll sie das. Unterdrückt werden Frauen auch, wenn sie kein Kopftuch tragen. Wenn man beim Kopftuch anfängt, ist das eine kosmetische Symptombekämpfung und nicht die Ursachenbekämpfung. Wenn man von der Unterdrückung der Frau spricht, dann soll man erst mal, wie im Frauenvolksbegehren angemerkt, mit der gleichen Entlohnung für gleiche Arbeit anfangen.

In Österreich gibt’s nicht so viele männliche Lifestyle- und Fashion-Blogger wie weibliche – woran könnte das deiner Meinung nach liegen?

Ich kenne mehr Frauen, die sich mit Mode beschäftigen als Männer. In Österreich gibt’s hingegen mehr männliche Fashionblogger als in Deutschland. Ich glaube, dass es einfach gesellschaftlich geprägt ist, dass Frauen von klein auf gesagt bekommen, dass sie sich für Mode interessieren sollen.

 

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