Das freiheitliche Grippenspiel

16. Dezember 2015

Wenn eine heimatliebende Politikerin die deutsche Sprache massakriert, brennen bei Grammatiknazis die Prozessoren durch. So trug es sich zu, als Familiensprecherin Anneliese Kitzmüller (FPÖ) eine parlamentarische Anfrage an Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) richtete. Man möge doch bitte eruieren, wie viele asylwerbende Kinder zur Stunde eine „Kindergrippe“ oder einen Kindergarten besuchen, und wie viele UMFs (Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge) sich darunter befänden.

Nun ist es im Normalfall so, dass sich die Kindergrippe in den Kindern einnistet und nicht umgekehrt. Womöglich hat Frau Kitzmüller eine bahnbrechende neuartige Grippetherapie entwickelt, die es den Kranken erlaubt, die bakteriellen Invasoren mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. In diesem Fall wäre es hilfreich gewesen, solches Wissen in die Anfrage zu inkludieren.

Doch Spaß beiseite. Wieso ist ein kleiner Schreibfehler so ein großes Problem? Er lässt befürchten, dass sich diese Politikerin nicht eingehend mit dem Thema auseinandergesetzt hat, bevor sie es anspricht. Nun kann man nicht von jedem Menschen erwarten, Gedanken erst durch einen mentalen Filter der Sinnhaftigkeit laufen zu lassen, bevor sie verbalisiert werden. Immerhin wollen wir realistisch bleiben. Doch an Politiker dürfen wir diese Forderung sehr wohl stellen. Denn dafür bezahlen wir sie.

Im Test auf Sinnhaftigkeit schneidet auch der zweite Teil von Kitzmüllers Anfrage nur mäßig ab. Das Höchstalter von Besuchern einer Kinderkrippe beträgt 3 Jahre. Sollten sich darunter UMFs befinden, so wären das vermutlich die härtesten Null- bis Dreijährigen der Weltgeschichte. Das reifere Drittel dieser Altersgruppe kann gerade mal gefahrlos eine Stufe herabhüpfen oder einen stabilen Turm aus vier Bauklötzen bauen. Mit diesen Fähigkeiten stellt eine Solo-Reise übers Mittelmeer mit anschließendem Gewaltmarsch durch Südosteuropa eine beachtliche Leistung dar.

Was mag Kitzmüllers Motiv gewesen sein? Das kommt aus der Anfrage nicht klar heraus. „Der Flüchtlingszustrom der letzten Monate wird zweifelsfrei auch Auswirkungen auf die Besuchszahlen in den heimischen Kindergrippen und Kindergärten haben.“, behauptet da eine Zeile. „Zweifelsfrei“ ist ein gefährliches Wort, denn wer nicht zweifelt, fragt nicht nach. So darf man die Professionalität von Frau Kitzmüller ebenso hinterfragen. Dies ist das Motiv dieses Textes, der auch selbst hinterfragt werden möchte. Denn vom Zweifel lebt diese Demokratie.

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