"Das hast du aber toll gemacht!" - Warum ich als Vater euren Applaus nicht will.

22. August 2019

"Ja, danke, aber ich bin sein Vater. Bei wem sonst, wenn nicht bei meinem Kind?" frage ich mich, während mein Sohn nur mit T-Shirt und Windel Richtung Fußballkäfig läuft. Dort, wo die großen Jungs mit dem Ball fetzen und das nächste Schreiorchester jederzeit durch den Park ertönen kann. Als ich den kleinen Bengel eingefangen habe, werde ich von den Blicken mehrere Mütter wie eine Gottheit bestaunt. In der Gedankenblase über ihren Köpfen steht geschrieben: „Er läuft ihm auch noch hinterher, seinem Sohn. Wow, was für ein toller Mann.“

Kleiner Penner, großes Glück

Mein Sohn ist knappe 16 Monate alt und das größte Glück, das mir bis jetzt widerfahren ist. Er fordert seine Mutter und mich bis aufs Äußerste und manchmal fühlt sich eine Nacht, die der Kleine bei Omi verbringt, für uns Eltern wie ein Strandurlaub auf den Malediven an. Blöderweise genießen wir selten die Zeit für uns zwei, sondern schauen lieber die neuesten Videos, die gerade bei der Großmutter aufgenommen wurden. Der kleine Penner ist unser größtes Glück, ob wir wollen oder nicht.

Heute erreichte mich die Nachricht eines neuseeländischen Politikers, der gerade das Kind eines Kollegen im Parlament liebevoll umarmt und an der Milchflasche nuckeln lässt. „Boah, welch‘ ein toller Mann“, so der Tenor der meisten Kommentatoren. Der Hintergrund: Der Parlamentspräsident Trevor Mallerd sprang als Babysitter für seinen Parteikollegen Tamati Coffey ein, der währenddessen eine Rede im hohen Haus hielt. So weit, so normal. Was soll der Vater und Politiker sonst mit seinem Kind machen? Unter dem Pult verstecken? Eher nicht.Überraschend ist für mich die Anzahl der euphorischen Fans, die diese stinknormale Situation als Jahrhundertereignis titulieren. Natürlich sehen auch einige Ewiggestrige das Parlament nicht als Kindergarten und finden, dass Kinderbetreuung Männersache sein sollte. Aber, hätte eine Frau diese Aufgabe übernommen, hätte Sie sich wahrscheinlich anhören müssen, dass das Parlament kein Ort für Babys sei oder warum sie doch nicht länger zu Hause bleibt. Eine Welle der Begeisterung hätte diese schöne, aber selbstverständliche Geste nicht ausgelöst. Ganz im Gegenteil. Es wäre nichtmal eine Kurzmeldung wert.

„Toll, dass Sie auf Ihren Sohn aufpassen!“

Bei Männern gestaltet sich das anders. Wir, die Herren der Schöpfung, werden schon im frühen Kindesalter ganz anders angefasst, wie das meine Kollegin Jelena in ihrem Blog erläutert. Während die Tochter schon in frühen Jahren der Mama im Haushalt aushilft, schaut der Sohn Fußball mit Papa oder geht mit in die Waschstraße zur Autopflege. Nun, gut, da ich keinen Führerschein besitze, hätte sich das mit der Waschstraße sowieso schnell erledigt. Stattdessen gehe ich so oft es geht mit dem Kleinen raus. In den Park, auf die Insel, Hauptsache raus. Dort genieße ich einen Heldenstatus, weil ich mich so rührend um ihn kümmere. Am ersten Tag meiner Karenz sagte eine ältere Frau zu mir in der U-Bahn „So einen Vater wie Sie hätte ich auch gerne gehabt.“ Eine andere Mutter meinte gar, dass mir eine Statue zusteht, weil ich halt die vollgekackte Windel meines Sohnes wechsle. Was sollte ich auch sonst tun? Mittlerweile ernährt sich der Kleine nicht mehr von Mamis Milchbar und jeder Elternteil weiß ganz genau, wie sich das auf das Kaka-Aroma des Kindes auswirkt.

 

Herr Mallerd, große Klasse, gut, dass Sie für Ihren Kollegen einspringen und das Baby liebevoll füttern. Aber ich denke, Sie werden dieses Lob gar nicht nötig haben. Genauso wenig wie all jene Männer, die sich um ihre Kinder kümmern und mit ihnen Zeit verbringen. Der Lob und die Anerkennung erfahren wir sowieso von unseren Quälgeistern, die können tatsächlich auch dankbar sein und das auch zeigen. Auch, wenn es manchmal in Form von Stinkebomben zurückkommt.

 

 

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