„Dealmaker“ Donald Trump und der Mythos Soleimani

11. Januar 2020

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Maani
Sama Maani verfolgt den Konflikt zwischen dem Iran und den USA schon lange.

Der Konflikt zwischen dem Iran und den USA ist zwar nicht neu, aber durch die jüngsten Ereignisse eines der aktuell brennendsten Themen der Weltpolitik. Die Tötung Qassem Soleimanis hat eine Verschärfung der Situation gebracht. Doch warum geschah dies und welche Bedeutung hatte Soleimani überhaupt? Bricht nun ein Dritter Weltkrieg aus? Wir suchen Klarheit und sprachen daher mit dem Schriftsteller und Psychoanalytiker Sama Maani über die Beziehung zwischen den Mächten USA und Iran.

Interview: Nada El-Azar

 

BIBER: Wie sehen Sie die Beziehung zwischen Donald Trump und der Regierung der Islamischen Republik?

Sama Maani: Jeder kennt das Sprichwort: Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde. Wenn man sich den Konflikt zwischen dem Iran und den USA ansieht, passt eigentlich die Umkehrung: Wenn das Regime so einen Feind wie Trump hat, braucht es keine Freunde mehr. Trump ist im Grunde das größte Geschenk Gottes für die iranische Regierung. Beim Konflikt Trumps mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong-Un im Jahr 2017 – man erinnert sich an die Sache mit ‚Mein Atomknopf ist größer als seiner!‘ – so herrschte die Annahme, dass es sich einfach um zwei gefährliche Verrückte handelt. In der Auseinandersetzung mit dem Iran ist das aber anders. Trump wirkt wie ein einzelner Verrückter, im Vergleich zu der islamischen Republik, die auf einen auf den ersten Blick sehr pragmatischen und besonnenen Weg gesetzt hat. Die Atomverhandlungen mit dem Erzfeind USA sind ein Beispiel dafür. Aber dieser Pragmatismus ist Teil einer höchst irrationalen und verrückten Ideologie.

Wie kann man diesen „Pragmatismus“ verstehen?

Der Gründer der Islamischen Republik, Ruhollah Khomeini, hat offen gesagt, dass man selbst Gesetze wie das Alkoholverbot oder das Verbot der Lüge außer Kraft setzen kann, wenn das im Interesse des Systems geschieht. Das ist der totale Pragmatismus, im Sinne von: Der Zweck heiligt dem Mittel. Heilige Zwecke wie: Die Feindschaft gegen alles Westliche und die Zerstörung Israels.

Was will Donald Trump? Geht es ihm darum, die Regierung im Iran zu schwächen, um ein neues, demokratisches System zu etablieren? Oder war die Tötung Soleimanis lediglich ein Akt der Provokation?

Trump ist tatsächlich ein unberechenbarer, hochgradig gestörter Horror von einem Politiker. Das sage ich jetzt als Psychiater, obwohl man dazu keiner sein muss. Angeblich will Trump einen „regime change“ im Iran, davon ist er aber in Wahrheit meilenweit entfernt. Ob es ein kommunistisches, demokratisches oder islamisches System im Iran gibt, ist ihm herzlich egal. Wäre ihm Demokratie ein Anliegen, würde er über jemanden wie Kim Jong-Un nicht sagen, dass er sein „guter Freund“ sei. Trump imaginiert sich als großen „Dealmaker“, der mit apokalyptischen Drohungen der Vernichtung und Sanktionen glaubt, den Iran an den Verhandlungstisch bringen zu können. Ob ihm das gelingt, ist zu bezweifeln. Aber: Er ist alles andere als ein Kriegstreiber.

Sind also die Befürchtungen um einen „Dritten Weltkrieg“ gänzlich unberechtigt?

Tatsache ist, dass Trump die Wahlen unter anderem auch deswegen gewonnen hat, weil er es als großen Fehler bezeichnet hatte, dass die USA 2003 in den Irak einmarschiert sind. Speziell Barack Obama und seine Außenministerin Hillary Clinton hat er dafür kritisiert, Militäreinsätze in Syrien und dem Irak veranlasst zu haben. Er weiß, dass in den USA Militäreinsätze extrem unbeliebt sind und angesichts der zu schlagenden Wahlen im Jahr 2020 berücksichtigt er diese Tatsache. Vor der aktuellen Eskalation gab es schon einige dramatische Höhepunkte: Als eine US-Drohne abgeschossen wurde, oder Verbündete des Iran im Jemen die ARAMCO-Raffinerien in Schutt und Asche gelegt haben, rührte sich Trump nicht. Er wollte bislang verzweifelt einen Krieg vermeidet.

Was führte aber zur Änderung dieser Einstellung Trumps?

Der Irak ist zu einem „Hinterhof“ des Irans geworden, nachdem die USA Saddam Hussein gestürzt hatten und Irans schiitische Verbündete die irakische Politik zu dominieren begannen. Zuletzt gab es dann einen Angriff auf eine US-Militärbasis im Norden vom Irak, bei dem ein amerikanischer Zivilist umgekommen ist. Trump will zwar keinen Krieg führen, weil das nicht zuletzt seine Chancen wiedergewählt zu werden mildert, aber wenn amerikanische Staatsbürger getötet werden, muss er etwas unternehmen. Deshalb hat er einen Stützpunkt dieser verbündeten schiitischen Milizen im Irak angegriffen, wobei paradoxerweise mehr Iraner als Iraker gestorben sind, weil sie dort eben sehr präsent sind. Die sogenannten „Kata’ib“-Milizen haben daraufhin die amerikanische Botschaft in Bagdad gestürmt und angezündet. Das war wohl der Auslöser dafür, dass amerikanische Streitkräfte Qassem Soleimani, getötet haben.

Vor der Tötung Soleimanis gab es im schiitischen Teil des Irak monatelange Proteste. Warum? Und was hatte Qassem Soleimani damit zu tun?

Der Irak besteht aus drei Bevölkerungsteilen: Schiiten, Sunniten und Kurden. Obwohl die Schiiten traditionell dem Iran näher sein sollten, gab es in den letzten Monaten gerade im schiitischen Teil massive Aufstände gegen die Präsenz des Irans. Soleimani war unter anderem im Irak, um diese Aufstände niederzuschlagen. Es gab hunderte Tote. Auch wurden iranische Konsulate im schiitischen Teil angegriffen. Unmittelbar nach der Tötung Soleimanis kursierten Videos von jubelnden irakischen Schiiten.

Im Iran wurde Qassem Soleimani hingegen als Märtyrer betrauert. Welche Bedeutung hat Soleimani wirklich?

Soleimani war der Chef der sogenannten Al-Quds-Brigade, die sich zum Ziel gemacht hat, Jerusalem zu „befreien“. Er ist viel in Syrien, im Irak, im Jemen, etc. unterwegs gewesen und war in gewisser Weise ein inoffizieller Außenminister des Iran. Viele Menschen in diesen Ländern sehen ihn als Massenmörder. Nach seinem Tod hat sogar eine Abgeordnete des afghanischen Parlaments ihr Unverständnis über die offizielle Trauer geäußert, weil es Soleimani war, der hunderte Afghanen nach Syrien, in den Tod, geschickt hatte. Im Iran wurde er teilweise erfolgreich als Nationalheld verkauft, weil er den Iran vor dem IS geschützt haben soll. Aber lange bevor es so etwas wie den IS überhaupt gegeben hat, im Jahr 2011, als der „arabische Frühling“ stattfand, hat Soleimani mitgeholfen, in Syrien friedliche Proteste brutal niederzuschlagen. Der IS ist erst in weiterer Folge entstanden. Bei dem Konflikt zwischen Iran und IS geht es darum, wer nun den „wahren“ Islam vertritt. Die Islamische Republik ist bekanntlich schiitisch, während der IS sunnitisch ist. Der „Mythos“ Soleimani fruchtet auch bei Iranern, die nichts mit dem Regime am Hut haben. Warum? Weil Soleimani als iranischer Nationalist und nicht als jener Soldat des Islam verkauft wird, als den er sich selbst sah. Mit der weitläufigen Präsenz im Irak, Libanon und in Syrien dockt er an eine Vorstellung eines kulturellen iranischen Imperiums an.

Inwieweit ist das Regime nun durch den Tod Soleimanis geschwächt? Wem nutzt seine Ermordung wirklich?

Das ist eine gute Frage. Zunächst einmal hat das Regime durch den Tod Soleimanis einige Punkte dazugewonnen. In der Psychoanalyse gibt es die Rede vom toten Gott, der mächtiger als der lebendige ist, weil er eine massivere Präsenz hat. Man hat recht erfolgreich den Nationalismus mobilisieren können, den man mit Soleimani verknüpft hat. Andererseits war seine Ermordung ein Schlag ins Gesicht der Islamischen Republik, die sogleich Rache schwor. Im Mittelpunkt der islamischen Ideologie steht ja der Sieg über die Ungläubigen. Auch das Märtyrertum soll letztlich den Sieg vorantreiben und Stärke signalisieren. Inwieweit Soleimani strategisch oder militärisch ersetzbar ist, kann ich nicht sagen. Wichtiger als sein Tod waren aber sicher die Aufstände im Libanon und im Irak – beides schiitische Länder – gegen die Präsenz des Iran. Das ist ein entscheidenderer Schlag gegen die Islamische Republik als die Tötung Soleimanis.

 

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