Der Balkan - mehr als eine Route

22. Oktober 2018

„Aus den Augen, aus dem Sinn“ scheint das Mittel zur Lösung der Flüchtlingsproblematik in der EU zu sein. Frei nach dem Motto: Was sich draußen vor unserer Tür abspielt, geht uns nichts mehr an, solange es nur draußen bleibt. Und während man sich hierzulande damit brüstet, die „Balkanroute“ geschlossen zu haben, mutiert die Stadt Bihac im Nordwesten von Bosnien-Herzegowina, nahe an der Grenze zu Kroatien, zunehmend zum Auffangbecken für Geflüchtete.


Mehr als 10.000 Geflüchtete sind im Jahr 2018 bereits nach Bosnien gekommen, nur ein geringer Teil von ihnen möchte hier einen Asylantrag stellen. In Bosnien-Herzegowina, einem Land, dem das Wasser bei einer Arbeitslosigkeit von bis zu 40% neben zahlreichen anderen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Problemen bis zum Hals steht. Besonders junge und gebildete Menschen in Bosnien sehen sich aufgrund der Perspektivenlosigkeit gezwungen, ihr eigenes Land zu verlassen, welches gleichzeitig zunehmend zum Auffanglager für Geflüchtete wird.


Vor Ort gibt es daher kaum Auffangstrukturen für die ankommenden Flüchtlinge. Sie leben in Ruinen ohne Sanitäranlagen oder in Zelten auf der Erde. In der Stadt Bihac ist mittlerweile fast jeder Zehnte ein Flüchtling - eine Situation, die die ansässige Bevölkerung stark fordert. Hilfsbereitschaft und Mitgefühl sind zwar gegeben, jedoch ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Stimmung angesichts der großen Zahl kippt. Viele äußern sich bereits kritisch bezüglich der gestrandeten Flüchtlinge und erste Proteste haben schon stattgefunden. Das Motiv dabei ist jedoch nicht in erster Linie Fremdenhass, sondern die Forderung an die Regierung, menschenwürdige Strukturen und Unterbringungen sowie eine Lösung für die immer untragbarere Situation bereitzustellen.


Einzelne Flüchtlinge versuchten bereits sich ihren Weg nach Kroatien und damit in die europäische Union zu bahnen. Viele von ihnen kamen zurück und berichteten von Misshandlungen durch die kroatische Grenzpolizei. Am Montagnachmittag hat sich eine große Gruppe auf den Weg zur kroatischen Grenze gemacht. 
Die zentrale Frage ist, wie lange ein Wegschauen der Europäischen Union angesichts der menschenunwürdigen Zustände direkt vor der eigenen Tür noch möglich sein wird. 

 

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