„Bis dass der Tod euch scheidet“ ist das allgemein bekannte Motto der Eheschließung. Wer sich nicht daran hält, bekommt vor allem in traditionellen Communitys sehr bald einen gesellschaftlichen Arschtritt verpasst. Natürlich trifft diese Abwertung das weibliche Geschlecht leider am härtesten.

„Ob Gewalt oder Untreue, damals mussten sich Frauen ALLES gefallen lassen.“

Vor einigen Tagen habe ich ein längeres Gespräch mit meiner Großmutter geführt. Sie ist in den 60er Jahren nach Wien gezogen und hat ihre Jugend und einige Jahre mehr, noch in Mazedonien verbracht. Wir haben uns über das Thema Scheidung unterhalten und vor allem darüber, dass in unserem Umfeld in letzter Zeit viele Ehen in die Brüche gehen und Verlobungen gelöst werden.

Als meine Großmutter jung war, hat sich kaum jemand scheiden lassen. Nicht, weil alle glücklich verheiratet waren, sondern aus Angst. Angst, was „die Leute“ dazu sagen würden. Angst, wie man die Kinder alleine versorgen soll. Angst, für immer alleine zu bleiben. Die Region, aus der sie kommt, war damals (und ist heute noch immer) ziemlich geprägt von rückständigem Denken. Sie erzählte mir von Frauen, die wussten, dass ihre Ehemänner Sex mit anderen Frauen hatten und es einfach einstecken „mussten“. Einige Frauen wurden für jede Diskussion, die sie begonnen hatten, verprügelt wie Ivan Drago in Rocky 4. Und guess what: Scheidung kam nur in Frage, wenn man reif für´s Krankenhaus war oder die gesamte Familie von der Untreue wusste und man von ihnen zur Scheidung gedrängt wurde.

„Keiner will jemanden, der schon einmal verheiratet war.“

Heute kommt es zwar viel häufiger zu Scheidungen, jedoch ist die allgemeine Meinung darüber in vielen Regionen am Balkan nicht viel positiver geworden. Jugo-Freundinnen und vor allem auch albanische Freundinnen haben mir auch erzählt, dass eine Scheidung für viele Frauen aus ihren Heimatländern noch immer den sozialen Untergang bedeutet. Natürlich nicht für jede Frau, aber sicher für einen großen Teil. Warum? Naja, gesellschaftliche Regeln und traditionelles Gedankengut lassen sich leider nicht einfach ausschalten. Es fallen oft Sätze wie: „Keiner will jemanden, der schon einmal verheiratet war.".

Man ist lieber unglücklich verheiratet als geschieden, denn eine Scheidung wird mit einer Abwertung durch die Gesellschaft gleichgesetzt. Die Chance auf eine erneute Beziehung oder sogar Ehe würde demnach sinken. Es gibt daher leider zu viele Frauen, die bewusst ignorieren wollten, dass ihre Ehe in Trümmern liegt. Sie leben lieber in einer Illusion und hoffen auf diesen einen Tag, der alles verändern wird.

Miss Independent lässt sich nicht wie Dreck behandeln

In westlichen Ländern wird das Thema Scheidung deutlich gelassener gesehen. Klar gibt es auch hier Gerede, es ist allerdings bestimmt nicht so laut, wie das Gerede in traditionellen Ländern. Die Frauen hier sind deutlich unabhängiger als die Frauen aus dem Heimatland meiner Eltern. Vor allem finanzielle Unabhängigkeit erlaubt einem sein Lebensglück in die eigene Hand zu nehmen und nicht in einer Ehe zu verweilen, die nichts als Lügen, Schläge und Trauer bringt. Das habe ich an Österreicherinnen oft bewundert. Noch ein bisschen mehr bewundere ich allerdings Frauen, die aus traditionellen Ländern kommen und diesen schwierigen Schritt dennoch wagen.

Girl, sometimes you have to dump his stupid ass

Natürlich sollte man nicht bei jeder Kleinigkeit sofort an eine Scheidung denken. Ich verstehe auch, dass die Situation mit gemeinsamen Kindern noch komplizierter sein kann. Mit einem Menschen verheiratet zu bleiben, der einen jedoch wie Scheiße behandelt, hat wirklich niemand verdient. Man sollte sich dann auch nicht beschweren, wenn man 100 neue Chancen verteilt hat, eines Morgens mit 55 aufwacht und noch immer in einer schrecklichen Ehe festsitzt.