„Du gehst nach der Matura direkt studieren!“

24. Februar 2023

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Viele junge Menschen sind im Studium verzweifelt. Foto: Siora Photography/ Unsplash

Man hat seinen Abschluss in der Hand und ist bereit die Welt zu erkunden. Das Leben mit seinen Herausforderungen entgegenzutreten und einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen – das haben viele gedacht und denken es immer noch. Doch wie sieht es in der Realität nach der Matura aus und welchen Einfluss haben die Eltern auf einen?

„Wenn du nach der Matura nicht direkt studierst, fängst du nie damit an.“ Ich bin mir sicher, dass ich nicht die Einzige bin, die sowas zu hören bekam. Als ich in meinem Maturajahr war und mir langsam überlegt habe, was ich nach der Schule machen möchte, hatte ich ein intensives Gespräch mit meinen Eltern. Diese Gespräche haben sich permanent wiederholt und fanden kein Ende. Ich muss studieren - und zwar sofort und nicht ein Jahr danach. Mir wurde gesagt, dass ich ein Jahr unnötig verlieren würde. Ich bin fest davon überzeugt, dass das nicht stimmt, trotzdem habe ich auf sie gehört und studiere jetzt. Es war nicht so, dass ich nicht wusste, was ich in Zukunft machen möchte, oder welche Richtung ich einschlagen möchte. Ich war nicht planlos, sondern wollte mich von diesen Gesprächen erholen.

The pressure is on

Ich wollte sowieso studieren, allerdings war ich von der Idee eine „kleine“ Pause zu machen begeistert. Abgesehen von dem Druck, dem man ohnehin im Abschlussjahr ausgesetzt ist, verspürt man diesen auch von Familienangehörigen. Jeder scheint besser zu wissen, was du willst, als du selbst. Du willst dein Leben selbst planen, bist aber eingeschränkt von den Vorstellungen deiner Familie, dem Druck, den die Gesellschaft auf dich ausübt und der Angst, alle zu enttäuschen. Hinter der Aussage, dass das Leben erst nach der Matura so richtig beginnt, habe ich wohl was anderes verstanden. Ein Jahr lang durchatmen, nebenbei ein bisschen arbeiten oder vielleicht ein- oder zweimal mit Freundinnen verreisen. Das alles stand außer Frage.

Ich bin derzeit im ersten Semester, studiere Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, habe schon ein Praktikum hinter mir, mache derzeit ein Vollzeit-Praktikum während der Prüfungsphase und nebenbei noch den Führerschein. Selbstständig sein, auf eigenen Beinen stehen und mein Leben im Griff haben - das war mein Ziel. Doch jetzt merke ich, dass ich mit meinen 18 Jahren zu viel mache und keine speziellen Multitasking-Fähigkeiten habe, wie ich anfangs dachte. Bemerkt habe ich es leider erst vor kurzem, als ich meine Prüfungen schreiben musste. Es ist, vor allem im ersten Semester, nicht einfach alles gleichzeitig zu machen, weil man sich noch an die Uni gewöhnen muss. Bis jetzt weiß ich nicht, welche Lernmethode für mich geeignet ist und wie ich mich in dem Uni-System zurecht finden soll.  Ich habe das Gefühl, dass das Uni-Leben an mir vorbeizieht. Die Eingewöhnungsphase wurde komplett ausgelassen.

Tatsächlich schiebe ich die Schuld niemandem in die Schuhe, außer mir selbst. Meine Eltern wollten nur, dass ich studiere, aber wie kann ich später eine Arbeitsstelle ohne jegliche Arbeitserfahrungen bekommen? Wieso ich mich das frage ist nicht schwer zu beantworten. Etliche Studierende haben Probleme eine Praktikumsstelle, geschweige denn eine Arbeitsstelle, zu bekommen, weil Arbeitgeber:innen primär darauf achten Personen mit Berufserfahrungen einzustellen. Ich kannte es bereits von damals, als ich mich als geringfügige Arbeitskraft an verschiedenen Stellen beworben habe. Es hat Monate gedauert, bis mich jemand einstellen wollte. Damals wollte ich arbeiten, um nicht meine Eltern nach Taschengeld fragen zu müssen, heute will ich gar nicht mehr finanziell auf sie angewiesen sein. Ich nehme an, dass es vor allem Studierende betrifft, die mit Angst in die Zukunft blicken, jedoch bezweifle ich nicht, dass auch Schüler:innen mit solchen Gedankengängen zu kämpfen haben.

Ab wann bin ich erwachsen?

Wenn ich mich in meinem Umfeld umschaue, sehe ich wie meine Freunde ihr Leben und ihren Alltag gestalten. Manche befinden sich in derselben Situation wie ich oder studieren schon länger und verspüren diesen Druck noch intensiver. Andere sind noch im Gymnasium, in der Berufshochschule, machen eine Lehre, arbeiten oder maturieren dieses Jahr. Dann gibt es Leute in meinem Alter, die verlobt oder gar verheiratet sind. Studentin sein und verheiratet – genau das erwarten manche meiner Familienangehörigen von mir. Nicht allzu lang ist es her, da fiel der Satz „Bald bist du auch dran“. Mit der Zeit bekam ich diesen immer öfter zu hören und die Bemerkungen hörten nicht auf. Ich habe den Eindruck, dass ich alt genug für das Studium und zum Heiraten bin, aber trotzdem zu jung, um allein mit Freundinnen zu verreisen. Weshalb nehmen sich andere das Recht entscheiden zu dürfen ab wann ich erwachsen bin?

Grundsätzlich befinden sich Jugendliche in meinem Alter in einer Selbstfindungsphase und wissen meist selbst noch nicht, was sie genau wollen. Wenn man so ist wie ich, stresst man sich schon genug selbst und braucht nicht noch Freund:innen oder Familienmitglieder, die eins drauflegen. Wie man sich von diesem Stress befreien kann, weiß ich leider nicht, jedoch weiß ich ganz genau, dass ich auf niemanden außer mich hören muss und Entscheidungen für mich selbst treffen soll.

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