Eine typisch österreichische Entscheidung?

30. Mai 2016

Vielleicht ist es letztendlich ja ganz anders. Österreich, das gespaltene Land. Österreich, das fifty-fifty Land. Ein bisschen kommt es mir so vor, als wäre das knappe Wahlergebnis im eigentlichen Sinne keine Sensation. Ein bisschen kommt es mir auch so vor, als wäre Österreich in dieser Stichwahl im eigentlichen Sinne keinen neuen Weg gegangen. Denn ein bisschen ist es doch auch so, dass das knappe Ergebnis in der Stichwahl für eine seit jeher typisch österreichische Eigenschaft steht: die Unfähigkeit, eine klare Entscheidung zu treffen.

Österreichische Entscheidungen – ein alter Hut

Und ein bisschen erinnert mich Österreich gerade auch an mein eigenes Leben in Zeiten von persönlichen Veränderungen. Es gibt eben Momente im Leben, in denen du merkst, dass deine alten, eingefahrenen Wege ausgedient haben, du aber noch nicht ganz sicher bist, in welche Richtung du weitergehen willst. Du weißt in dem Moment nur, dass du den einen alten Hut sicher nicht mehr tragen willst, hast dich aber noch nicht für einen neuen entscheiden können. Soll es nun der blaue pompöse sein, oder tut es auch der grüne schlichte? Schwierig, weil keiner von beiden so richtig sitzt wie der alte, gut eingetragene.

Am Ende eines langen Tages voller Unentschlossenheit denkt sich die österreichische Seele wohl wie so oft irgendwann „Is ja wuascht!“ und schmeißt den Hut drauf. Irgendwie wird es doch wohl möglich sein, das eine mit dem anderen zu verbinden, um nach Möglichkeit alle zufriedenzustellen und sich vor allem nicht klar positionieren zu müssen – zumindest nicht sofort. Es hat mit dem Nichtraucherschutzgesetz funktioniert, also warum nicht in anderen Bereichen auch?

Raus aus den alten Schuhen!

Viel ist seit dem Wahlausgang die Rede davon, dass die hauptsächliche Aufgabe des neuen Bundespräsidenten wie auch des neuen Bundeskanzlers nun darin bestehe, das österreichische Volk zu einen. Es gehe nun darum, Brücken zu bauen und die tiefen Gräben, die sich durch die Wählerschaft gezogen haben zuzuschütten. Hört sich super an – ist aber meiner Meinung nach in gewisser Weise bedenklich, gerade für ein Land wie Österreich. Bevor man dies tut, sollte man ganz klar definieren, wohin man seine Brücken baut und welche Gräben man lieber nicht vollends zuschüttet.

Und genau mit dieser klaren Definition hat man in Österreich seit jeher seine Probleme. Aus dieser Perspektive betrachtet, ist die vermeintliche „Spaltung“ der Gesellschaft vielleicht nicht einmal das Schlechteste. Schließlich können wahre Veränderungen meist nicht ohne Konflikte und Krisen passieren.

In einem Land, in welchem der neu gewählte Bundespräsident sofort unter Polizeischutz gestellt werden muss, weil sich die Gewaltandrohungen häufen und auch vor seiner (weiblichen) Wählerschaft im Hinblick auf Androhungen (sexueller) Gewalt nicht haltgemacht wird, hat man wohl den Gong wahrhaftig nicht gehört. Ich bin dabei nicht sicher, Österreich: Sind es die Geister, die man rief, oder die Geister, die man sich niemals zu vertreiben traute?

Ja, Österreich, ich bin dafür: Vereine dich, baue Brücken zwischen deinen vernunftbegabten Menschen, wo auch immer sie stehen. Aber mache dir bitte vorab klar, was du nicht in deinem Land möchtest. Und dieses eine Mal, sei bitte kompromisslos. Dieses eine Mal ist es eben nicht „wuascht“. Dieses eine Mal, zieh bitte deine alten Schuhe an der Schwelle zum Neuen ab, sonst holt dich am Ende ein uralter, längst vergessen geglaubter Schuh ein.

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