Falsche Solidarität – Wenn rechte PolitikerInnen Iranerinnen unterstützen

21. Juli 2018

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Screenshot: Instagram Hamidreza.pourakbar

Bilder von Iranerinnen, die gegen das verpflichtende Kopftuch protestieren, kursieren zurzeit um die ganze Welt. Diese mutigen Frauen bekommen von allen Seiten Zuspruch. Auch von rechten Politikern hierzulande. Doch kann eine Regierung, die selbst Kleidungsvorschriften erlassen will, sich wirklich solidarisch mit den Iranerinnen zeigen?

 

Das Kopftuch ist das Böse. Ist es das? Ich habe jedenfalls als Kind immer nur etwas Böses damit assoziiert. Klar, hört man sich die Geschichte der Frauen in meiner Familie an, kann man irgendwie auch nicht anders. Diese stammt nämlich aus dem Iran. Meine Mutter war erst 13, als die Kopftuchpflicht im Iran eingeführt wurde. Von einen auf den anderen Tag musste sie verhüllt in die Schule gehen, durfte sie nicht mehr öffentlich mit ihren männlichen Freunden spielen, es wurde ihr sogar verboten wandern zu gehen. Sie erzählte mir zahlreiche Geschichten aus ihrer Kindheit, wie sie sich als Junge verkleidete, um ohne Kopftuch einkaufen gehen zu können. Das Kopftuch war also ganz klar das Symbol des Bösen für mich. Was auch ganz natürlich ist, wurde dieses Stück Stoff doch zur Identität der Islamischen Republik.  Das Kopftuch wurde hier zum Symbol der Unterdrückung der iranischen Frau. Auch ich habe meine Erfahrungen mit dem Kopftuch gemacht. Nicht hier in Wien, wo ich geboren bin, sondern bei meinen zahlreichen Verwandtenbesuchen. Auch ich wurde älter und musste es tragen. Dabei zögerte es meine Mutter so weit wie möglich hinaus. Das Kopftuch ist für alle Mädchen ab dem neunten Lebensjahr Pflicht. Ich trug es erst mit elf. Anfangs kam ich mir sehr cool und erwachsen vor, später fand ich es einfach nervig, weil ich es nicht verstand und immer aufpassen musste, dass man ja keine Haare sieht. Im Iran bekommt man viele Kommentare von Fremden zu der Art und Weise, wie man sich kleidet. Wie das Kopftuch sitzt und ob der Mantel lang genug ist. Kommentare wie ,,Schwester, richte dein Kopftuch’’ oder ,,Ziehe dir was Angemessenes an.’’ Das Kopftuch war also damals ganz klar das Böse.

Der Islam gehört zum Iran

Mit der Zeit musste ich selbst erst lernen, dass es fälschlich wäre zu behaupten, dass der Islam und folglich das Kopftuch aus dem Iran weggehöre. Den Islam gibt es dort schon seit 1400 Jahren. Er ist in der Kultur verankert, er gehört zum Iran. Doch mit der Islamischen Revolution wurde die Religion dazu benutzt, um das Volk zu unterdrücken. Das heißt jedoch nicht, dass der Islam selbst Unterdrückung bedeutet. Die iranische Autorin Parsua Bashi hat in ihrem Buch Nylon Buch erklärt: Ohne die Religion, ohne das Kopftuch wäre die Islamische Republik eine normale Diktatur wie jede andere. Doch unter dem Deckmantel der Religion nimmt man sich das Recht heraus, das Volk und insbesondere die Frauen zu unterdrücken. Es stellt die Identität der Islamischen Republik dar.

Der Kampf der Iranerinnen

Obwohl die Mäntel mit der Zeit immer kürzer und die Tücher immer lockerer gewickelt wurden, ging das bisher 40 Jahre lang so. Doch dann postete die iranische Journalistin Masih Alinejad ein Foto von sich ohne Kopftuch auf Facebook und erzählte den iranischen Frauen von dem Gefühl dieser heimlichen Freiheit, die sie in dem Moment gespürt hatte. Sie forderte die Frauen auf, auch Bilder und Videos von sich ohne Kopftuch zu posten. Mittlerweile gab es schon zahlreiche Kampagnen ihrerseits, wie White Wednesdays, bei welchem die Iranerinnen jeden Mittwoch ein weißes Kopftuch tragen. Oder Fotos, auf denen Männer aus Solidarität mit den Frauen ein Kopftuch tragen, Videos, auf denen die Frauen ihr Kopftuch als Friedenfahne schwenken oder frei und ausgelassen tanzen. Im Iran herrscht ein Umbruch, der zum ersten Mal - Social Media sei Dank - eine starke mediale Präsenz hat. Täglich postet Alinejad Videos, die sie von den Frauen zugesendet bekommt. Frauen gehen hier ohne Kopftuch raus, manchmal werden diese von Sittenwächtern, männlichen Passanten und auch anderen Frauen angeschrien und geschlagen. Manchmal solidarisieren sich Hijab-Befürworterinnen mit ihnen. Manchmal finden Diskussionen statt, bei denen die Frauen erklären, dass sie nicht gegen das Kopftuch, sondern gegen die Pflicht sind. Nun schreiben auch westliche Medien viel darüber. Erst letzte Woche wurde über ein neuerliches Verbrechen gegenüber den Iranerinnen berichtet.

Die Stimmen der Rechten

Shaparak Shajarizadeh, eine der mutigen Frauen, die auf den Straßen Teherans gegen das Kopftuch protestierte, wurde nun zu 20 Jahren Haft verurteilt, davon 18 Jahre auf Bewährung. Es ist ein neuerlicher Versuch des iranischen Regimes, die Iranerinnen zurückzuschrecken. Westliche Medien berichteten darüber, auch österreichische PolitikerInnen waren sichtbar empört. Außenministerin Karin Kneissl twitterte dazu:

 

 

Über ihren Standpunkt wurde auch auf oe24.at berichtet. Auch Vizekanzler Strache stimmte ihr zu und teilte den Artikel dazu mit den Worten: ,,Das Kopftuch ist ein Symbol des politischen Islam und der Unterdrückung der Frau. So etwas hat in unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft nichts verloren!’’ Zustimmung erhielt sie auch von Bundeskanzler Sebastian Kurz: ,,Frauenrechte, Meinungs- und Religionsfreiheit sind unverletzlich.’’, twitterte er.

Falsche Solidarität

Man merkt schnell: Die Proteste gegen das Kopftuch im Iran sind das gefundene Fressen für diejenigen, die das Kopftuch zur politischen Debatte in Österreich gemacht haben. Die PolitikerInnen, die sich hierzulande für Bekleidungsvorschriften einsetzen und das Kopftuch verbieten wollen, sprechen sich gleichzeitig gegen Bekleidungsvorschriften in einem anderen Land aus. Fast heuchlerisch wird dabei von diesen PolitikerInnen behauptet, sich für die Frauenrechte im Iran zu interessieren, wenn es ihnen eigentlich um etwas anderes geht: Wenn Kneissl schreibt, dass man Frauen nicht vorschreiben soll, was sie anzuziehen haben, vergisst sie, dass genau das zurzeit in Österreich passiert. Wenn Kurz schreibt, dass Frauenrechte, Meinungs- und Religionsfreiheit unverletzlich sind, dann missachtet er, dass er MuslimInnen in ihrer Religionsfreiheit einschränken will. Wenn Strache postet, dass das Kopftuch das Symbol der Unterdrückung ist, dann sind ihm die iranischen Frauen egal. Man merkt, dass er sich nicht wirklich mit dem Thema und den Forderungen der Frauen auseinandergesetzt hat. Er und die anderen PoltikerInnen nutzen diese aus, um ihre Wählerschaft zu bestärken und weiter gegen MuslimInnen zu hetzen. Sie zeigen falsche Solidarität. Denn was hier in Österreich und im Iran geschieht, ist durchaus vergleichbar: Männer schreiben Frauen vor, wie sie sich anzuziehen haben. Sie üben Macht über diese aus. Im Iran werden Frauen, die ihr Kopftuch ablegen, beschimpft, bespuckt und geschlagen. In Österreich passiert dasselbe Musliminnen, die Hijab tragen. In beiden Fällen halten Frauen und ihr Körper als Figur für das parteipolitische Programm der jeweiligen Regierungen her.

Es geht um die Freiheit

Wenn man sich wirklich ssolidarisch mit den Iranerinnen zeigen will und sich mit den Frauen und ihren Forderungen beschäftigt, so wüsste man, dass das Verbot des Hijabs nie eine Forderung war. Man will einfach die Freiheit, sich zu kleiden, wie man möchte.  Es geht nicht darum, den Islam oder das Kopftuch aus dem Iran zu verbannen. Alinejads Mutter trägt selbst ein Kopftuch, erklärt sie. Es geht um die Freiheit, zu entscheiden. Doch der Iran soll für beide da sein. Sich gegen ein Kopftuch zu entscheiden bedeutet nicht gleich, sich gegen den Islam zu entscheiden. Wenn also rechte PolitikerInnen sich mit Iranerinnen solidarisieren, dann sollte dies aus den richtigen Gründen geschehen und nicht, wenn es gerade zur politischen Agenda passt.

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