Feministische Balkanboys

27. Mai 2019

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Besnik Leka ist Leiter der Young Men Initiative am Balkan. Foto: (C): Anna Helm

Wir waren zu Besuch bei Care, dem österreichischen Verein für Entwicklungszusammenarbeit, um uns mit Besnik Leka über die Young Men Initiative zu unterhalten. Über Balkanboys, die für Geschlechtergerechtigkeit kämpfen

„Frauen wurden Jahrhunderte von Männern unterdrückt und haben allein für ihre Rechte gekämpft. Jetzt ist es an der Zeit, dass auch Männer diesen Kampf um Gleichberechtigung führen“, sagt Besnik Leka, Leiter der Young Men Initiative. Die Initiative gibt es bereits seit 2006 in Bosnien, Serbien, Kroatien und im Kosovo. Zielgruppe sind junge Männer im Alter zwischen 14 und 18 Jahren, die in verschiedenen Workshops lernen, was Geschlechtergleichheit bedeutet und wie Männer dazu beitragen können.

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In Workshops werden junge Männer am Balakn für Genderkompetenzen sensibilisiert. Foto: Care Österrich

Die Young Men Initiative ist ein Projekt von CARE

Ziel ist die Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt

und der Kampf um Geschlechtergleichheit in der Balkan-Region.

Zielgruppe sind junge Männer, aber auch (werdende) Väter

in Albanien, Bosnien und Herzegowina, Serbien und im Kosovo.

https://youngmeninitiative.net/en/

 

Veraltete Geschlechterrollen

Männer sind Frauen überlegen, Frauen müssen Männern gehorchen. Die traditionellen Geschlechterrollen haben laut Besnik ihre Wurzeln in der Kultur, in der Geschichte und somit auch in den Kriegen. Der Kosovokrieg liegt gerade mal 20 Jahre zurück. Junge Menschen wachsen auch heute noch mit der im Krieg typischen Rollenverteilung auf. Der Mann verteidigt, beschützt, kämpft. Die Frau kümmert sich um die Kinder, den Haushalt und natürlich um den Mann. Diese Muster sind noch immer in den Köpfen und werden von der Gesellschaft und der Familie gelebt und vor allem gelehrt. Die Verhaltensnormen werden ebenso von Frauen aufrechterhalten. Besnik selbst hat die Erfahrung gemacht, dass die Mütter oftmals das Problem sind. In Workshops lernt er jungen Männern das Kochen, wovon deren Mütter nicht immer begeistert sind. „Männer können und sollen nicht kochen, die machen nur die Küche unordentlich“, heiße es. Besniks Antwort: „Dann müssen sie eben auch lernen, wie man sauber macht.“

Meine Schwestern, die Bodyguards

In Besniks Schulzeit kam es oft zu kleinen Auseinandersetzungen mit Schulkameraden. Da er den Anderen körperlich unterlegen war, konnte und wollte er sich nicht gegen sie wehren. Musste er auch nicht, dafür hatte er nämlich Bodyguards - seine drei Schwestern. Er dachte sich „wenn Männer stark sein können, dann können Frauen das auch.“ Schon damals hat Besnik damit die typischen Geschlechterrollen auf den Kopf gestellt. Seine Schwestern waren für ihn Vorbilder und es war ihm immer wichtig, dass sie die gleichen Möglichkeiten bekommen, wie Männer sie haben. Dafür kämpft er noch heute. Doch mit Women’s Empowerment ist die Sache nicht getan.

Das Patriarchat schadet auch Männern

Frauen leiden unter dem Patriarchat, ganz klar. Sie werden unterdrückt, es fehlt an Chancengleichheit und der Freiheit, sich so entfalten zu können, wie frau möchte. Doch auch für Männer ist das Patriarchat schädlich. Außer Aggression und Wut gibt es nicht viele Gefühle, die Männer in den Balkanländern haben dürfen.  Aber auch Männer sind mal traurig oder ängstlich. Weil ein echter Mann aber keine Schwäche zeigen darf, unterdrücken sie ihre Gefühle, was nicht selten in gewalttätigem Verhalten endet, weiß Besnik. Es ist Gewalt, die sich gegen andere Männer, aber auch gegen Frauen richtet. Das Patriarchat ist also ein Teufelskreis, unter dem alle Geschlechter leiden.

Privilegien ablegen

Deshalb sollen junge Männer im Rahmen der Young Men Initiative lernen, dass sie nicht nur Frauen, sondern auch sich selbst helfen, wenn sie patriarchale Strukturen durchbrechen. Anfangs sind die Jugendlichen oft skeptisch, sie befürchten, man wolle sie „verweichlichen“, erzählt Besnik. Doch je mehr über das Thema Gleichberechtigung gesprochen wird, desto reflektierter gehen sie durch den Alltag. Sie nehmen diskriminierende Werbung wahr und stellen sexistische Botschaften in Frage.  Trotzdem ist es nicht immer einfach, denn „Männer müssen ihre angeborenen Privilegien ablegen“, sagt Besnik. Und niemand gibt gerne etwas freiwillig auf, von dem er profitiert. Besnik spricht von Privilegien, für die Männer rein gar nichts  tun müssen: Sie bekommen den besseren Job, verdienen mehr, haben das Recht darauf, Karriere zu machen und müssen zu Hause weder kochen noch aufräumen. Einfach nur, weil sie als Mann zur Welt kamen. Doch genau diese Privilegien führen auch dazu, dass Männer ständig unter dem Druck stehen, der Rolle des starken Mannes gerecht zu werden. Denn genau das ist es: Eine Rolle, die sie gezwungenermaßen spielen müssen, weil ein Anderssein nicht geduldet wird.

Brate hat Gefühle

Einer der 40 verschiedenen Workshops trägt den Titel „Are you okay?“ Die Jugendlichen sollen aus unterschiedlichen Emojistickern einen wählen, der ausdrückt, wie sie sich gerade fühlen. „Männer sprechen normalerweise nicht über ihre Gefühle, hier trauen sie sich plötzlich zu sagen, dass die traurig sind oder sich deprimiert fühlen und merken wie befreiend es sein kann, darüber zu sprechen, verrät Besnik. Um zu überprüfen, welche Veränderungen die Young Men Initiative mit sich bringt,  werden zu Beginn der Workshops Fragebögen zu den Themen Gefühle, Stimmungen und Denkweisen von den Teilnehmern ausgefüllt. Nach drei Jahren müssen sie die gleichen Fragen erneut beantworten. Als Besnik bei der Auswertung sah, dass die Suizidgedanken von einer 5-Prozent -Rate auf 10 Prozent angestiegen ist, war er geschockt. „Wir haben uns gefragt, was haben wir falsch gemacht? Doch dann haben wir begriffen, dass die jungen Männer gelernt haben, dass es wichtig ist, über ihre echten Gefühle zu sprechen“, sagt er. Nur durch einen offenen Umgang mit zerstörerischen Verhaltensweisen kann präventiv gearbeitet werden. Besnik ist sich sicher, dass seine Arbeit viel Positives bewirken kann, aber er weiß auch „Veränderung braucht Zeit.“

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