Fifty Shades of Grey- Ein Selbstversuch

13. Februar 2015

Ich habe mir soeben Fifty Shades of Grey angesehen. Ich bin nicht direkt nach dem Film aus dem Kinosaal gestürmt, um mir im Baumarkt Klebeband, Kabelbinder und ein Seil zu besorgen, wie manch andere. Ich hatte auch nicht das Verlangen, mich in irgendwelche Sado-Maso-Praktiken einzulesen, geschweige denn, mich mit der Szene anderwärtig bekannt zu machen. Eher im Gegenteil.

Heute noch Jungfrau, Morgen gefesselt an der Decke

Nachdem der Film seit Wochen überall gehyped wird, die Bücher weggehen wie warme Semmeln, und sich auch schon Baumärkte auf Heimwerker vorbereiten, die sich von dem Film inspirieren lassen, wollte ich mir einmal selbst ein Bild davon machen. Bei der Kartenreservierung am Telefon wurde ich sogar drei mal darauf hingewiesen, dass der Film ab 18 sei. Na, das kann ja was werden. Der Kinosaal randvoll gepackt mit kichernden Mädchengruppen, hie und da ein zu Boden blickendes, verschämtes Anhängsel männlichen Geschlechts, das von seiner Freundin sichtlich mittels Gewalt in den Film mitgezerrt wurde.

Gewalt in der ein oder anderen Form soll auch das entscheidende Leitmotiv in dem Streifen sein. Der Film beginnt damit, dass die junge, unerfahrene Literaturstudentin Anastasia Steele nach und nach von dem erfolgreichen Geschäftsmann Mr. Christian Grey verführt wird. Besser gesagt, nachdem er ihr ein paar teure Geschenke macht und sie zwei mal Smalltalk führen, ist sie schon komplett in seinen Bann gezogen. Und das geht ruck-zuck. An einem Tag ist sie noch Jungfrau, am nächsten Abend hängt sie mit gefesselten Händen von seiner Decke. Ganz normal. Aber mal langsam.

Blümchensex statt Sado-Maso

Es wird schnell klar, dass er ein Kontrollfreak ist, der sie manipuliert, und zu seinem Vergnügen, wie er das so schön sagt, in „seine Welt“ einführt. „Seine Welt“ sind die berüchtigten Sado-Maso-Sexspielchen, die das Phänomen rund um Mr. Grey berühmt gemacht haben. Aber: Wer Softpornoszenen erwartet hat, wird leider enttäuscht werden. Es werden zwar immer wieder irgendwelche SM-Praktiken angedeutet, aber mehr als eine Frau mit verbundenen Augen oder mit einer Krawatte gefesselten Armen ist nicht drin. Zugegeben, wozu die ganzen Geräte und „Accessoires“ in Mr. Greys „Spielzimmer“ dienen, war mir nicht ganz klar. Ich habe mich kurz gefragt, wieso er etwas, das wie eine Reihe toter Frettchen mit Anhänger aussieht, an der Wand hängen hat, dann wurde mir erklärt wozu das dient, wollte ich nicht wissen, danke. Aber wie gesagt, es wird alles nur eher subtil angedeutet.  Auch sieht man zu keinem einzigen Zeitpunkt eine Ganzkörperaufnahme von einem nackten Mensch. Ein Film, der als Erotikfilm bezeichnet wird, sollte doch irgendwie ...mehr zeigen?  Ja, ich weiß, verklemmtes Amerika, Hollywood und so weiter. Aber für unsere Gesellschaft wirkt das fast schon prüde. Da ist in Rap-Videos heutzutage weitaus mehr nackte Haut und mehr Sex zu sehen, als in dem Streifen. Was an dem Film in der Hinsicht also so arg sein soll, entgeht mir. Was ich viel ärger fand, war der psychologische Aspekt. Dass die junge Anastasia sich zu keinem Punkt wirklich sicher war, was sie macht, oder was sie mit sich machen lässt. Und das soll etwas sein, das junge Frauen heutzutage nachahmen wollen? Na bitte nicht.

Fifty Shades of What the Fuck, Hollywood?

Was auch interessant ist, ist dass das Ganze eigentlich nichts mehr ist, als die typische Hollywood-Liebesgeschichte. (Na gut, fast.) Frau lernt Mann kennen, Frau verliebt sich in Mann, weil Mann ist reich und schön, Mann hat Hubschrauber, Frau ist begeistert, Mann und Frau sind eine Weile happy. Mann hat Dominanzverlangen, weil schwere Kindheit und Trauma. Mann macht Frau klar, dass er sie nur für seine SM-Sexspielchen will, Frau ist traurig, Happy End gibt’s nicht. Aber es soll ja noch eine Fortsetzung kommen. Was den Film aber noch mehr Richtung Hollywood-Lovestory und weniger in Richtung Shocker treibt, sind die ewigen Klischees, die auch hier nicht ausgelassen wurden. Auch wenn sie vor ein paar Stunden mit gefesselten Gliedmaßen am Bett lag und ausgepeitscht wurde, die weibliche Protagonistin wacht mit perfektem Makeup und fertig geföhnten Haaren auf, und bereitet mit einem Lächeln das Frühstück vor. Dabei trägt sie natürlich nur das weiße Hemd des Mannes, das ihr wie angegossen passt. Ganz was neues. Zwischen seinen beängstigenden Blicken und seltsamen Sexfantasien schafft es Mr. Grey seiner Gespielin aber immer noch ein „Ich will dich, nur dich“ zuzuflüstern, in dem er ihr tief in die Augen schaut. Wieder ganz was neues. Aber am Ende will er doch nicht. Oder er weiß nicht so recht. Irgendwie verwirrend das Ganze. Aja, und kommunizieren tun die beiden, in dem sie sich immer wieder kurze Mails schicken, die für den Zuschauer auf der Leinwand mit-ausgestrahlt werden, wie das früher in Teenie-Serien so üblich war. Noch mehr Verwirrung.

 

Fazit also: 50 Shades of Grey ist wirklich nur ein seltsamer Hausfrauenporno, der einen mit verzogenem Gesicht und ein Paar „What the Fucks.“ zurücklässt. Aber macht euch selber ein Bild davon, solange der Kabelbinder- und Klebebandvorrat beim Baumax noch reicht. Falls es wem doch taugen sollte.

 

 

 

 

 

 

Anm.: Die Bücher habe ich nie gelesen, der Blog basiert nur auf dem Film.

 

 

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