Frauen – Überleben: „Survival is not a choice”

24. September 2018

„Das Label 'Flüchtling' spricht dir die Menschlichkeit ab. Es heißt, dass du gar nichts hast. Und hier zählt nur materieller Wert.“

Diese starken Worte stammen von Rania Ali, eine von drei Frauen, die als Sprecherinnen bei „Frauen – Überleben“ auftraten. Doris Bures, zweite Präsidentin des Nationalrates, lud zu dem Event ein, das sich mit Flucht aus weiblicher Perspektive beschäftigte – passend zum Vorabend des Weltfriedenstag.

„Der Friede ist zu wichtig, um ihn den Männern allein zu überlassen“, sagte Bures in ihrer Eröffnungsrede, eine Zitat der früheren Frauenministerin Johanna Dohnal. Ganz nach diesem Motto sprachen die syrischen Protagonistinnen des Abends über die Wichtigkeit von Frieden und Gerechtigkeit, ihren Erfahrungen mit Krieg und riefen zum Dialog auf. Neben Rania Ali trugen auch Nour Barakeh und Doaa az-Zamel zur Programmgestaltung bei. Sie hielten eindrucksvolle Reden und näherten sich der Thematik auch künstlerisch.

Nour hat in ihrer Heimat ein natur- und ein sozialwissenschaftliches Studium absolviert und war vor ihrer Flucht als Sozialarbeiterin tätig. Sie hielt Workshops mit Kindern und Jugendlichen ab, um sie so weit wie möglich von einer Einmischung in den Krieg fernzuhalten. Ihre Gespräche mit ihren WorkshopteilnehmerInnen  gab Nour in einem kurzen Theaterstück wieder und zeigte damit die verschiedensten Perspektiven und Sorgen, die Kriegsbetroffene ereilen: Gewalt, Geld, Zugehörigkeit, Sicherheit.

Doaa az-Zamel berichtete ebenfalls von ihrer traumatischen Fluchtgeschichte: Sie floh nach Ägypten und von dort aus mit einem Schiff nach Europa. Das Boot kenterte und von den etwa 500 Passagieren überlebten nur elf. Unter den Toten war auch Doaas Verlobter, sie selbst trieb vier Tage mit einem Rettungsring auf dem Meer. „Die See war der einzige Ort, der mir die Zuflucht gab, die kein Land mir geben wollte“, kritisierte sie die politischen Debatten um die Seenotrettung im Mittelmeer. Ihre Botschaft zum Weltfriedenstag: „Jeder hat das Recht darauf, in Frieden zu leben. Niemand sollte sein Leben riskieren müssen, um Sicherheit und Schutz zu finden.“

Rania Ali, die Abschlussrednerin, filmte ihre Flucht von Syrien nach Wien. Die britische Zeitung The Guardian veröffentlichte die Dokumentation auf ihrer Facebookseite, Millionen Menschen konnten Ranias Reise nachverfolgen. Sie hat die Flucht überlebt, spricht nun aber von Schuldgefühlen, die sie und andere Geflüchtete plagen: „Überleben sucht man sich nicht aus. Aber man fragt sich immer: Warum habe ich überlebt und warum müssen andere leiden oder sterben?“ Rania besucht in Wien fast täglich einen Deutschkurs, fühlt sich dennoch isoliert. „Ich träume, ich liebe, ich bete, ich habe Lieblingsbücher wie alle anderen hier auch. Trotzdem tun die Menschen so, als würden wir den österreichischen Lebensstil gefährden.“  Der Film zeigt, wie Rania ihren Rucksack für die Flucht packt – inklusive ihrem Lieblingsbuch von John Green – und später, wie das junge Mädchen an der mazedonischen Grenze mit Tränengas attackiert wird. „Wie sind Kämpfer und Opfer von Umständen, über die wir keine Kontrolle hatten“, beendet sie ihre Rede.

Den Abschluss der Veranstaltung bildete der Wiener Chor „Voices of Refugees“, eine Gruppe von Sängerinnen und Sängern unterschiedlicher Nationalität, die auf Deutsch, Arabisch, Türkisch, Kurdisch, Englisch und anderen Sprachen musizieren.

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